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Sonnenenergie

«Wer mit offenen Karten spielt, erntet Erfolg»

Martin Pfisterer verabschiedet sich als Präsident der Solarkraftwerk Mont-Soleil AG. Als BKW-Direktionsmitglied und Energiepionier hat er mit den Standorten Mont-Soleil und Mont-Crosin die Wiege der Schweizer Energiewende mitgestaltet.

Martin Pfisterer in seinem Element vor der Sonnenenergieanlage auf dem Mont-Soleil. Bild: Stephanie Gerber

Philippe Oudot/pl

Zehntausende pilgern jedes Jahr auf den Höhenzug über dem Vallon de St-Imier und begeben sich auf dem Energie-Lehrpfad vom Mont-Soleil zum Mont-Crosin. Dass die Montagne du Droit – so heisst der Bergrücken – beim Publikum so gut ankommt, ist zum grossen Teil dem ehemaligen BKW-Direktionsmitglied Martin Pfisterer zu verdanken. Er war die treibende Kraft hinter der Solaranlage auf dem Mont-Soleil und dem benachbarten Windpark Juvent auf dem Mont-Crosin. Vor einigen Jahren wurde Pfisterer pensioniert; nun tritt er auch als Präsident der Gesellschaft Mont-Soleil ab, deren Geschicke er 33 Jahre lang leitete.
Dass Martin Pfisterer bei den Bernischen Kraftwerken BKW als Zugpferd der erneuerbaren Energien wirkte, ist eigentlich Zufall. Der promovierte Jurist ist auch als Betriebswirt ausgebildet. 1980 begann er seine Karriere als Sektionschef beim neu gegründeten Bundesamt für Raumentwicklung. Dort war er mit baurechtlichen Fragen ausserhalb der festgelegten Zonenpläne beschäftigt. Diese Erfahrung sollte ihm später gute Dienste leisten.

Umweltbewusstsein entsteht
Damals machte sich die breite Bevölkerung wenig Gedanken zu Umweltfragen. Das änderte sich schlagartig mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986. Die Frage nach neuen Energieformen stand jetzt im Raum. 1987 meldete sich Rudolf von Werdt, der Geschäftsführer der BKW, bei Martin Pfisterer und bot ihm eine Stelle beim Berner Energieversorger an: Der junge Mann lehnte ab, weil diese Sparte «nicht seine Welt» war. Von Werdt beharrte: «Er wollte die BKW für die Energiezukunft aufstellen und fragte nach meinen Bedingungen.» Zwei Wochen später stellte Pfisterer drei Forderungen: BKW Energie muss die Abnehmer als vollwertige Kunden wahrnehmen und nicht als blosse Strombezüger. Der Energielieferant steht in der Pflicht, den Menschen Sparmöglichkeiten aufzuzeigen, die der Verschwendung entgegenwirken. Die erneuerbaren Energien müssen in den Fokus des Stromerzeugers rücken. «Das sind ja genau diese Anliegen, die ich verwirklichen will», habe von Werdt dem zukünftigen Mitarbeiter bestätigt. Prompt erhielt Pfisterer die Aufgabe, das Stromsparen zu fördern und sich mit erneuerbaren Energien auseinanderzusetzen.

Nur fünf Monate später stellte er im Januar 1988 den BKW Stromsparclub vor. Die Initiative kam beim Publikum gut an. In der Unternehmenszentrale am Berner Viktoriaplatz aber herrschte Unverständnis: Man warf dem Neuankömmling vor, gegen die Interessen der Firma zu handeln. Aber Pfisterer liess sich nicht abschrecken: Seither hat sich der sorgsame Umgang mit Strom zu einem eigenen Geschäftsfeld mit umfassender Energieberatung entwickelt.

Die Wahl des Mont-Soleil
Mitte der 80er-Jahre plante das Zürcher Unternehmen Elektrowatt AG den Bau einer grossen Fotovoltaik-Anlage für Forschungs- und Entwicklungszwecke im Berggebiet. In den Kantonen Wallis und Graubünden stiess das Vorhaben auf taube Ohren. Daraufhin nutzte der Berner Regierungsrat Ueli Augsburger seine Beziehungen zum Chef von Elektrowatt und vermittelte den Kontakt zur BKW-Führung. Martin Pfisterer wird zum Projektleiter ernannt. Im Berner Oberland stösst auch er auf verschlossene Türen. Zu gross waren die Bedenken in der Tourismusregion. Nach weiteren Untersuchungen erwies sich der Mont-Soleil als idealer Standort – nicht wegen des passenden Namens, sondern dank seiner Lage über der Nebelgrenze.

Pfisterer nahm Verbindung zur Burgergemeinde von St-Imier, der Eigentümerin des Grundstücks, und zu den Behörden des Städtchens im Vallon auf. Dort stiess das geplante Sonnenkraftwerk sogleich auf Wohlwollen. «Im Berner Jura herrscht eine andere Mentalität als in der übrigen Schweiz», erklärt der damalige Projektverantwortliche. «Die Bevölkerung ist von wirtschaftlichen Krisen geprägt und an harte Arbeit in der kargen Landschaft gewöhnt.» Klar seien diese Menschen zunächst misstrauisch, aber ihr Herz öffne sich dem Neuen, sobald das Gegenüber ihre Anliegen ernst nehme und eine faire Zusammenarbeit anbiete. «Den Dialog pflegen, glasklar informieren und den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen. Wer mit offenen Karten spielt, erntet Erfolg», lautet Pfisterers Credo.
Am 17. Mai 1989 luden BKW und Elektrowatt zur Präsentation des Vorhabens auf den Mont-Soleil. Der achtsame Umgang mit den Beteiligten hatte Früchte gezeitigt: Gegen den Standort war keine einzige Beschwerde eingegangen.
Nach weniger als einem Jahr, am 3. April 1990, wurde das Sonnenkraftwerk eingeweiht. Die Anlage und der später errichtete Windpark wurden zu Publikumsmagneten, deren wirtschaftliche und touristische Ausstrahlung alljährlich rund eine Million Franken an Mehrwert für die Region schöpft.

Im Herz der Innovation
Zu Anfang der 90er-Jahre war das Berner Solarkraftwerk die grösste Fotovoltaik-Anlage Europas. Aber in erster Linie gilt der Mont-Soleil als internationales Forschungs- und Entwicklungszentrum: «Wir haben die Leistung vieler Module gemessen und zukunftweisende Projekte begleitet», so Pfisterer. Zu diesen Herausforderungen gehörten der weltgrösste Solarkatamaran Mobicat an der Expo.02, der immer noch im Dienst steht oder das mit Solarkraft betriebene Rekordflugzeug Solar Impulse von Bertrand Piccard. Auch bei der Speichertechnik von elektrischem Strom haben die Bernjurassier ihre Handschrift hinterlassen.


Die Anlage vom Mont-Soleil steht weiterhin im Herz der wissenschaftlichen Forschung und der technischen Innovation. Daneben erfüllt das Unternehmen auch einen Lehrauftrag. Seit drei Jahren findet nämlich auf dem Werksgelände der Lehrgang PhD Summer School Mont-Soleil statt. Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne und der Fachhochschule für Technik in Biel durchgeführt. «Das Angebot richtet sich an Doktoranden aus aller Welt, die sich mit dem Thema Energie befassen», präzisiert Pfisterer.


Der Pionier des Schweizer Energiewandels übergibt nun den Präsidentenstab der Gesellschaft Mont-Soleil an seinen Nachfolger Cédric Zbinden, den Geschäftsführer des Energieversorgers La Goule SA in St-Imier. Auch als Pensionierter wird er sich weiterhin für die Umwelt einsetzen: Seit 2007 leitet er im Ehrenamt die Stiftung Valendas Impuls, die sich dem Erhalt des gleichnamigen Bündner Bergdorfes widmet, in dem die Familie Pfisterer ihre Wurzeln hat. Dort wurde für 4,2 Millionen Franken ein altes Patrizierhaus in ein Gasthaus umgewandelt, das heute das Zentrum des Dorflebens bildet.

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