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Kommentar

Wie hoch pokern 
die Linken?

Die Ausgangslage war klar: Hans Stöckli (SP) und Regula Rytz (Grüne) treten im Kanton Bern gemeinsam für den Ständerat an, wer schlechter abschneidet, zieht sich dann zugunsten des Bündnispartners zurück. Und zumindest hinter vorgehaltener Hand waren sich vor dem Wahlsonntag alle einig: Das wird Rytz sein.

Lino Schaeren, Ressortleiter Region

Doch das sensationelle Resultat der Grünen-Präsidentin wirft nun alles über den Haufen und stellt diese Vereinbarung infrage. Dass in einem traditionell bürgerlich geprägten Kanton nebst dem Erstplatzierten Stöckli auch Rytz Werner Salzmann (SVP) und Beatrice Simon (BDP) hinter sich lassen konnte, ist für das rot-grüne Lager zwar höchst erfreulich. Es wird dadurch aber auch mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert: Den Grünen bietet sich dank dem überraschenden Erfolg von Rytz die einmalige Chance, den zweiten Berner Ständeratssitz anzugreifen. Sie werden zweifellos Ambitionen anmelden, auch im zweiten Wahlgang anzutreten. Die Frage dabei ist: Wie hoch ist das linke Bündnis bereit zu pokern?

Denn dass Stöckli keinesfalls Platz machen wird für eine allfällige Kandidatur der Grünen-Präsidentin, das hat er gestern klargemacht. Der Bieler weiss natürlich: Tritt Rytz entgegen dem ursprünglichen Plan doch noch einmal an, können die Linken alles gewinnen – aber eben auch alles verlieren. Der sichergeglaubte Sitz von Stöckli wäre plötzlich in ernstzunehmender Gefahr. Ein linkes Zweierticket im zweiten Wahlgang wäre ein Hochrisikospiel. Stöckli verwies deshalb gestern darauf, dass er davon ausgehe, dass die getroffene Vereinbarung zwischen SP und Grünen eingehalten werde. Hinter verschlossenen Türen dürfte heute deshalb heftig diskutiert werden.

Auf der anderen Seite ist die Ausgangslage auch für die Bürgerlichen kompliziert. Auch bei ihnen wird bereits über ein mögliches Zweierticket diskutiert. Doch mit wem? Salzmann hat gestern zwar ein respektables Resultat erzielt, das Wählerpotenzial des SVP-Hardliners dürfte damit aber nahezu erschöpft sein. Christa Markwalder (FDP) blieb weit hinter dem Spitzenquartett zurück. Und Simon hat mit ihrem überraschend schwachen Abschneiden an Legitimität eingebüsst, die Bürgerlichen in einen zweiten Umgang zu führen. Trotzdem ist es gut möglich, dass die Seedorferin noch einmal antritt – und das nicht nur, weil es für die BDP darum geht, ihren einzigen im Ständerat übrig gebliebenen Sitz zu verteidigen.

Simon hat zwar die Erwartungen nicht erfüllt, sie wurde wohl aber auch Opfer der vielen Kandidaturen in der Mitte und rechts davon. Ziehen sich die abgeschlagenen Kathrin Bertschy (GLP) und Christa Markwalder (FDP) zurück, hat Beatrice Simon das Potenzial, in einem zweiten Umgang besser abzuschneiden. Es wäre deshalb verfrüht, die gefallene Favoritin auf bürgerlicher Seite bereits abzuschreiben.

lschaeren@bielertagblatt.ch

Lino Schaeren, Ressortleiter Region

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