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Brüttelen

Wie sich Gäserzer an den Brüttelern rächten

Vor 100 Jahren ist Gäserz mit Brüttelen zwangsfusioniert worden. Es gab Streit wegen dem Schulgeld 
und dem Verkauf einer Kiesgrube. Viele Jahre lang war die Stimmung zwischen den beiden Parteien getrübt.

Das 100-Jahr-Jubiläum der Zwangsfusion von Gäserz und Brüttelen wird mit der traditionellen Gäserzpredigt gefeiert. Der Männerchor Ins-Brüttelen und der Jodlerklub Echo vom Buechibärg umrahmen den Gottesdienst. Bild: tsi

Tildy Schmid

Der Gäserzer Dorfbrunnen aus dem 19. Jahrhundert plätschert auch nach vielen Jahrzehnten beharrlich vor sich hin. Die über 220 Stühle auf dem Hausplatz von Priska Hämmerli in Gäserz sind besetzt. Der Männerchor Ins-Brüttelen und der Jodlerklub Echo vom Buechibärg sind singbereit.

Gefeiert wird die Fusion von Brüttelen und Gäserz, die ihren 100. Geburtstag feiert.

 

Kirche pflegt Tradition
«Obwohl der Name Gäserz von Brüttelen überdeckt wird: Bei uns in der reformierten Kirchgemeinde Ins bleibt er dank der jährlichen Gäserzpredigt präsent», sagt Markus Reist, Kirchgemeinderatspräsident von Ins.

Pfarrer Matthias Neugebauer hält zum ersten Mal die traditionelle Gäserzpredigt. Passend zum Thema: «Die ungleichen Brüder». Das Gleichnis lässt sich problemlos auf die Gemeinden Gäserz und Brüttelen adaptieren, die auf Geheiss des Regierungsrates fusionieren mussten. Ein Auftrag, der kontrovers diskutiert wurde und Widerspruch weckte. Bis – auf Geheiss von oben – der Grosse Rat im Mai 1917 mittels eines Dekrets befahl, das Dorf Gäserz mit der Einwohnergemeinde Brüttelen zu vereinen.

«Der Fusionsdruck ist gross, wenn Gemeinden alleine nicht lebensfähig sind», zitiert Gemeindepräsidentin Brigitte van den Heuvel. Ein wichtiger Faktor sei, wenn die Ausgaben zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben höher seien als die Einnahmen, so die Gemeindepräsidentin.

 

Der Ärger von einst
Vor 100 Jahren war Gäserz ein eigenständiger Weiler mit sieben Bauernhäusern; heute sind es noch vier, sie beherbergen 48 Einwohner. Der Weiler besass eine Feuerwehr, und kurzzeitig ein anerkanntes und subventioniertes Schulhaus, das gleichzeitig als Ofenhaus und Versammlungsraum diente.

1850 wurde die Schule aufgehoben, die Schüler wurden in Brüttelen aufgenommen – was zu einem Zwist auf Kosten der Kinder führte

Die Gemeinde Brüttelen hatte 1910 ein neues Schulhaus gebaut, sich dadurch stark verschuldet, entsprechend hoch war der Steuersatz. Im Gegensatz dazu ging es den Gäserzern gut. Der Erlös aus Wald und Kiesgrube genügte, um den Weiler schulden- und steuerfrei zu halten. Um die Finanzen zu sanieren, strebte Brüttelen eine Verschmelzung der Gemeinden an. Gäserz wehrte sich vehement. Ein Streit um die Höhe des Schulgeldes entbrannte und es kam mehrmals so weit, dass Brüttelen die Gäserzer Schulkinder nach Hause schickte und ihnen den Unterricht verweigerte. Denn schliesslich profitiere Gäserz von der Schule, der Käserei und dem Schlachthof, argumentierte Brüttelen. Den Herren aus Bern fehlte jedoch jedes Verständnis für den Konflikt, sie befahlen die Fusion. Im Protokoll der Einwohnergemeinde Brüttelen vom 23. August 1916 steht: «(…) dass die Vereinigung sofort vor sich geht, damit die Bauschuld des neuen Schulhauses in eine Hypothek umgewandelt werden kann.»

 

Schlau gerächt
Grollend nahmen die Gäserzer den Beschluss an und rächten sich auf ihre Weise. Damit die Brütteler nicht allzu viel vom Gemeindevermögen profitierten konnten, verkauften sie die gemeindeeigene Kiesgrube in Treiten zu einem Spottpreis und teilten den Erlös untereinander auf. Diese Schlitzohrigkeit hatte keine Folgen. So weist die Rechnung der Einwohnergemeinde Gäserz Ende 1916 nur noch ein Kapital von 22 560 Franken aus.

Politisch ist Gäserz nicht ganz untergegangen. Es gibt immer noch die Burgergemeinde, die rund fünf Hektaren Land ihr Eigen nennt.

Für die Jubiläumsfeier öffnete die Familie Fischer den Gewölbekeller aus dem Jahr 1368 als Weinstube. Die Dorfältesten erzählen, dass einst der «Gäserzer», ein Rot- und Weisswein, weit herum berühmt gewesen sei. Die Flaschenweine wurden, je nach Marktlage, für 1.10 bis 2.80 Franken verkauft.

Der letzte Landwirt und Weinbauer Paul Hämmerli-Reber kelterte noch bis 1958 Wein. Doch dies seie alte Geschichten, sagt ein Dorfältester. Heute, 100 Jahre nach der Fusion, sind die Gäserzer Teil der rund 600 Einwohner von Brüttelen und leben friedlich neben- und miteinander.

Link: www.bruettelen.ch

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Einige Zahlen

  • Die Gemeinde Brüttelen zählt rund 600 Einwohner.
  • Die Steueranlage liegt bei 1.90.
  • Fläche: 666 Hektaren.
  • Überbautt: 43 Hektaren.
  • Agrarfläche: 470 Hektaren.
  • Ödland, Bach- und Waldgebiet: 153 Hektaren. tsi

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