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«Wir dürfen unsere guten Männer nicht verheizen»

Nach den Wahlen ist der Frust bei der SP gross: Keiner hätte damit gerechnet, dass der Gewerkschafter Corrado Pardini aus Lyss als Nationalrat abgewählt wird.

Symbolbild: Keystone
  • Dossier

Im Kanton Bern hat bei den Nationalratswahlen ein grosses Sesselrücken stattgefunden. Die beiden Sitze, die die Grünen dazugewonnen haben, gehen auf Kosten der SP-Männer und der Gewerkschaften.

Die Enttäuschung ist riesig. Neben der Abwahl des Huttwiler SP-Nationalrats Adrian Wüthrich (Travailsuisse), wurde auch der Gewerkschafter Corrado Pardini aus Lyss abgewählt. «Das ist ein furchtbarer Frust», sagte Ueli Egger, Co-Präsident der kantonalen SP, gestern. Man habe allerhöchstens damit gerechnet, einen und nicht gleich zwei Sitze zu verlieren – und in keinem Fall erwartet, dass der Bisherige Corrado Pardini nicht Nationalrat bleibt. «Dass es ausgerechnet für ihn nicht reicht, damit konnte keiner rechnen», sagt Ueli Egger. Den Verlust des Berner SP-Mannes Pardini, der laut Egger für Präsenz und Kompetenz steht, der Gewerkschafter, der für Gesamtarbeitsverträge und faire Löhne kämpft, der für die Schwächsten und für Ausländer einsteht, trifft die Partei hart.

 

«Das lässt keinen kalt»

Für Egger ist klar, dass eine «Nichtwiederwahl» keinen Politiker kalt lässt, auch Pardini nicht. Bis gestern Mittag hat Egger allerdings noch nicht persönlich mit seinem Parteikollegen sprechen können, nur eine SMS habe man ausgetauscht, auf das Pardini geantwortet habe und aus dem hervorging, dass Pardini die Abwahl nun verdauen muss.

Bei der SP fragt man sich, ob man noch mehr hätte tun können im Wahlkampf. Man stellt sich die Frage: «Hätten wir die Männerliste noch stärker anpreisen müssen?» Die SP tritt im Kanton Bern schon lange mit einer Frauen- und einer Männer-Liste an. Egger kann sich schlecht vorstellen, dass man das in Frage stellt. Aber die Partei werde die Resultate und den Wahlkampf genau analysieren müssen.

Auch für die Seeländerin Andrea Zryd ist der Frust gross: «Es ist sehr schade, machten die Grünen ihre Sitze auf Kosten der SP», sagt sie. Und besonders bedauert auch sie, dass ein politisches Schwergewicht wie Corrado Pardini nicht wiedergewählt wurde. Zryd hat gestern mit Pardini telefoniert und sagt, er nehme die Sache sportlich. Für die Co-Präsidentin der SP des Regionalverbands Biel/Bienne Seeland ist klar, dass die Partei nun stark «über die Bücher muss». «Auch, weil wir unsere guten Männer nicht verheizen dürfen.» Denn für eine gute Politik brauche es Männer und Frauen, sagt sie.

Etwas frustrierend sei angesichts des Erfolgs der Grünen die Tatsache, dass sich die SP neben Themen wie der Sozial-, der Alterspolitik und dem Kampf für faire Löhne, auch für das Klima stark mache. «Dass auch die SP eine Klimapartei ist, ging irgendwie in der grünen Blase unter», sagt Zryd.

Laut der Sportlehrerin aus Magglingen ist es derzeit wahnsinnig in, grün zu sein. «Das geht so weit, dass sich bei uns in der Partei keiner mehr traut zu sagen, wenn er noch fliegt.» Zryd hofft, dass keine Zweiklassengesellschaft entsteht, weil sich nur die Reichen das Hybridauto, die Ökokleider und die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach leisten können. «Wir brauchen Lösungen für die Allgemeinheit», sagt sie.

 

Nur knapp nicht gereicht

Für die SP sitzen im Kanton Bern neu drei Frauen und nur noch ein Mann im Nationalrat: Neben dem Bisherigen Matthias Aebischer sind dies Nadine Masshardt (bisher), Flavia Wasserfallen (bisher) und Tamara Funiciello. Für Pardini, der auf dem ersten Ersatzplatz landete, reichte es am Ende nur äusserst knapp nicht: Nicht nur machte er mit 47 100 Stimmen mehr Stimmen als SP-Frau Tamara Funiciello (46 668), die ihn aus dem Nationalrat verdrängt hat. Der SP-Männer-Liste fehlte für einen weiteren Sitz nur 0,1 Prozent mehr Wählerstimmen.

Nicht geschafft hat den Einzug in den Nationalrat der Bieler Gemeinderat Cédric Némitz (PSR), er liegt abgeschlagen mit 13 925 Stimmen auf dem 14. Platz.

Corrado Pardini war gestern für die Medien nicht erreichbar.

Deborah Balmer

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