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Lüscherz

Wo die Unke auf den Bläuling trifft

Es sind zwei seltsame Tierchen, die in Lüscherz ein Refugium erhalten: die Gelbbauchunke und der Schwarzblaue Moorbläuling. Der Verein Landschaftsschutz hat das neue Biotop vorgestellt.

Tümpel, die austrocknen, sind überlebenswichtig für Gelbbauchunken. Mitglieder des Vereins Landschaftsschutz freuen sich angesichts des neuen Flachmoors. Bild: Yann Staffelbach
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Lotti Teuscher

Schön ist sie nicht. Der Rücken lehmbraun, voller Warzen, der Bauch Gelb und Schwarz gefleckt, sie ist etwa fünf Zentimeter lang. Doch die Gelbbauchunke ist ein nützliches Amphibium, denn sie frisst fürs Leben gern Mückenlarven – was ein Segen wäre angesichts der Mückenplage. Vor ein paar Jahrzehnten war das «Uh, uh, uh» der Unken im Seeland flächendeckend zu hören. Heute sind sie so rar geworden, dass sie einen Spitzenplatz auf der roten Liste der Amphibien besetzen.

Zu ihrem Untergang führte paradoxerweise die Anspruchslosigkeit der Unken. Sie fühlen dort wohl, wo der Mensch die Natur nicht pflegt; an Orten, die in der gepflegten Schweizer Landschaft weitgehend verschwunden sind. Unken mögen Auen, Rutschhänge, feuchte Fluss- und Bachtäler, überschwemmte Wiesen oder Verlandungszonen von Seen. Zum Laichen benötigen sie kleine, dreckige Tümpel ohne Vegetation; etwa Schlaglöcher in Wegen oder Radspuren, wie sie früher allgegenwärtig waren. Schlaglöcher werden heute umgehend aufgefüllt, Entwässerungskanäle sind Drainagerohren gewichen. Mit dem Unperfekten sind auch die Unken verschwunden.

10000 Franken für Unken
Ein Trauerspiel, das der Verein Netzwerk Bielersee ändern will. Letztes Jahr lancierte er einen Spendenaufruf zur Förderung der Gelbbauchunke. Über 100 Mitglieder spendeten 6500 Franken. Der Vorstand rundete diesen Betrag mit Hilfe eines Legats auf 10000 Franken auf. Genug, um auf einem Gelände zwischen Lüscherz und Hagneck, nur wenige Meter entfernt vom Bielersee entfernt, auf einer Wiese ein Unkenbiotop mit neuen Amphibienteichen zu erstellen. Nun wurde das Biotop rund 30 Vereinsmitgliedern vorgestellt.

Die Tümpel befinden sich mitten in einer struppigen Wiese mit verdorrten Gräsern; wegen des Hochwassers konnte sie nicht gemäht werden. Die Unkenteiche, aufgereiht wie braune Perlen entlang eines Entwässerungskanals, sind verschieden tief. Denn für den Nachwuchs der Unken ist es überlebenswichtig, dass die Tümpel austrocknen – nur dann sind Laich und Kaulquappen vor Fressfeinden geschützt wie Fischen, Molchen oder Libellenlarven: Diese benötigen Gewässer, die nicht vertrocknen. Entlang der Teiche wurden Stein- und Asthaufen angelegt, denn diese erweitern ebenfalls den Lebensraum der Unken.

Wie viele Unken noch im Seeland leben, ist laut Silvia Zumbach, Leiterin Fachbereich Amphibien bei der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (Karch), schwer abzuschätzen. Einerseits sind Gelbbauchunken klein und gut getarnt. Anderseits werden sie sehr alt: Unken können über 20 Jahre alt werden – ein Unkenbestand kann somit noch lange weiter existieren, selbst wenn er mangels austrocknender Tümpel keinen Nachwuchs mehr hat.

Symbiose mit Ameisen
Die Amphibien bei Lüscherz werden im optimalen Fall einen spezialisierten Mitbewohner mit einer ungewöhnlichen Fortpflanzung bekommen: den Schwarzblauen Moorbläuling. Die Raupe dieses bedrohten Schmetterlings entwickelt sich auf dem Grossen Wiesenknopf und danach in Nestern der Knotenameisen (siehe BT vom 9. Juli). Der Wiesenknopf wird auf der Wiese bei Lüscherz deshalb besonders gehegt.

Während der 90er-Jahre hat der Verein Landschaftsschutz begonnen, Schilfbestände entlang der Bielersee-Ufer zu schützen. Mit Hilfe von Arbeitslosen hat er inzwischen etwa 150 Lebensräume für spezialisierte, bedrohte Tiere und Pflanzen in der Region geschaffen. Das neue Flachmoor bei Lüscherz bietet nun zwei weiteren stark gefährdeten Arten dringend benötigenden Lebensraum.

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