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Kafipause

Wutzone Auto

Im persönlichen Blog berichten Parzival Meister, stellvertretender Chefredaktor und Redaktionsleiter und BT-Chefredaktor Bernhard Rentsch abwechslungsweise wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – immer mit einem Augenzwinkern.

BT-Redaktionsleiter Parzival Meister
  • Dossier

Ich bin ja eigentlich ein ruhiger Mensch. Ob quengelnde Kinder, Stress auf der Arbeit oder die Begegnung mit unfreundlichen Menschen: Das alles bringt mich nicht aus der Ruhe. Äusserlich jedenfalls nicht. Es gibt aber schon Situationen, da sprudelt die Wut aus mir heraus. Am Computer zum Beispiel. Wenn das Ding mal wieder nicht so will, wie ich will ... Ui, ui, ui, dann sprudelt die Fluchtirade.

Oder aber beim Sport. Nein, nicht wenn ich Sport mache. Beim Sport schauen. Jedes mal, wenn Fussball im Fernseher läuft, schaut mich meine ältere Tochter ängstlich an und sagt: «Aber gäu Papi, heute bleibst du ruhig.» Sie hat da ein kleines Trauma, weil sie neben mir sass, als die Schweizer Nati bei einem WM-Spiel den Ball nicht ins gegnerische Tor brachte und ich vom Sofa aus die Spieler beschimpfte.

Wenn ich mir die Situationen vor Augen führe, erkenne ich ein Muster: Wenn ich etwas verfluche, dann sind es Dinge, die keine Gefühle haben, die ich verletzen könnte: den Computer, den Drucker, Möbelstücke von Ikea … Fussballer, ja, zugegeben, die haben Gefühle. Aber da ich nur den Fernseher anschreie, bekommen die nichts davon mit. Im direkten Kontakt mit Menschen ist es durchaus möglich, dass ich das denke, was ich dem Computer um die Ohren haue. Doch in der Regel ist es besser, nach aussen zu lächeln und nur innerlich A*** zu denken.

Diese Methode wirkt zwar deeskalierend, aber hat den Nachteil, dass man die Dinge in sich hineinfrisst. Und ohne Ventil, ja, da droht man zu zerplatzen. Und dieses Ventil ist in meinem Fall das Auto. Den Computer kann ich im Büro ja nicht laut anschreien. Und ist meine Tochter im Haus, muss ich mich sogar beim Fussball zusammenreissen. Das Auto aber ist meine Wutzone, in der ich toben und wüten kann, wie ich will. Quasi meine persönliche Gummizelle. Nimmt mir jemand den Vortritt, schreit es aus meinem Mund: «Du blödes ***, wo *** nochmal hast gelernt zu fahren, du ***, *** dich.» Fährt einer zu nahe auf: «***, was willst du dumme ***, soll ich anhalten und dich ***?!»

Als ich diese Woche zur Arbeit fuhr, «verchlöpfte» es mich mal wieder. Da hat doch einfach einer sein Auto auf meinen Parkplatz gestellt. «Dieser blöde ***, ich bezahle für diesen *** Parkplatz und da kommt dieser *** und stellt seinen *** Wagen drauf.» Während ich also laut vor mich hinfluche, kommt ein junger Herr und öffnet das Auto, das auf meinem Parkplatz steht. Er sieht mich. Ich öffne das Fenster. Er lächelt, fragt, ob das mein Parkplatz sei und entschuldigt sich in aller Höflichkeit dafür, dass er seinen Wagen kurz hier abgestellt habe. Ich bedanke mich zuerst innerlich bei meinem Auto, dass es mal wieder als Wutzone hergehalten hat und ich Dampf ablassen konnte, lächle zurück und sage mit freundlicher Stimme: «Kein Problem, kann passieren.» Nur um bei geschlossenem Fenster nachzuschieben: «Aber tu das nie wieder, du ***!»

 

pmeister@bielertagblatt.ch

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