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Aarberg

Zum Adieu ein Spatenstich

Nach vier Jahren als Direktorin verlässt Sofie Perll das Spital Aarberg. Sie habe viel für das Spital herausgeholt, sagen leitende Mitarbeiter. Der neue OP-Trakt wird ihr Vermächtnis sein.

Sie haben eng zusammengearbeitet und harte Diskussionen geführt: Sofie Perll als Direktorin (rechts) und Verena Tanner als Leiterin Pflege des Spitals Aarberg. ©bielertagblatt/julie lovens

Von Peter Staub

Über ein Vierteljahrhundert lang hat man im Spital Aarberg darüber diskutiert: Nun findet der langersehnte Spatenstich für den Neubau des Operations- und Behandlungstraktes nächste Woche tatsächlich statt. Er wird den bald 60-jährigen Operationssaal ersetzen (siehe Infobox).

Vielleicht brauchte es eine Zürcherin, um den sprichwörtlich nicht allzu schnellen Bernern Beine zu machen. Tatsache ist, dass Sofie Perll als Direktorin des Spitals Aarberg gelungen ist, was ihren Vorgängern nicht vergönnt war.

Die mit ihren gut 40 Jahren noch junge Spitaldirektorin war massgeblich daran beteiligt, den Verwaltungsrat der Spital Netz Bern AG – zu der das Spital Aarberg seit 2007 gehört – von der Notwendigkeit des Neubaus zu überzeugen, sagen unabhängig voneinander zwei ihrer wichtigsten Weggefährten.

«Sie hat erreicht, dass nun der neue OP-Trakt gebaut wird. Darüber hat man schon gesprochen, als ich vor 26 Jahren in Aarberg angestellt wurde», sagt Thomas Ritschard. Er arbeitete über 20 Jahre lang als Chefarzt Medizin im Spital Aarberg. Seit Oktober tritt er zwar etwas kürzer, steht der Klinik aber weiterhin für ambulante Sprechstunden und Endoskopien zur Verfügung.

Keine Grabenkämpfe
Verena Tanner, die seit über 21 Jahren als Leiterin Pflege in Aarberg arbeitet, ergänzt, dass sich Sofie Perll auch sonst «den Problemen angenommen und konstruktive Lösungen gefunden» habe. Die verschiedenen Blickwinkel aus der ökonomischen oder pflegerischen Perspektive hätten zwar manchmal zu harten Diskussionen geführt.

«Aber das waren nie Grabenkämpfe», sagt Tanner, die Ende Juli in Pension gehen wird. Als Marathonläuferin habe Perll auch ausserhalb des Spitals bewiesen, dass sie über Ehrgeiz und Durchhaltevermögen verfüge.

Als Perll vor vier Jahren ihre erste Stelle als Spitaldirektorin antrat, wies wenig darauf hin, dass sie bei ihrem Abgang sichtbare Spuren hinterlassen würde. «Im Gegensatz zum ehemaligen, langjährigen Spitaldirektor Daniel Freiburghaus hatte Sofie Perll relativ wenig Spielraum», sagt Ritschard. Die Rolle der Direktorin sei heute eher beschränkt. «Sie ist ein Zahnrad in einem Uhrwerk», meint Ritschard.

Er habe sich seinerzeit gefreut, dass mit Perll eine Frau Direktorin wurde, blickt Ritschard zurück. Das Spital sei ja zum grössten Teil ein Frauenbetrieb. «Ich dachte, eine ‹Mutter› tue dem Betrieb gut, stellte dann aber fest, dass sie sehr strukturiert ist und klare Vorstellungen hat, also eher wie ein Mann arbeitet», sagt der als ehemalige Chefarzt, der bei der Nomination Perlls mitreden konnte, mit einem Augenzwinkern.

Mit ihrer «klaren Linie» habe sie viel für das Spital herausgeholt. Er bedaure es deshalb, «dass sie nur so kurz hier war», sagt Ritschard. Aber er verstehe, dass sie in ihrem Alter noch andere Ambitionen habe.

Rückkehr in den Heimatkanton
Ihren letzten Arbeitstag wird Sofie Perll am 9. April haben, genau eine Woche nach dem Spatenstich für den Um- und Neubau. Ab Mai wird sie im Spital Uster die Abteilung Organisation und Entwicklung leiten. Das sei für sie kein Rückschritt, da das Spital in Uster mit 200 Betten doppelt so gross sei wie das Spital Aarberg. Sie werde Teams führen und ein Um- und Neubauprojekt leiten, das rund 250 Millionen Franken kostet.

«Ich komme ja ursprünglich aus Zürich und kehre nun in meinen Heimatkanton zurück», sagt Perll, die bereits aus ihrer Wohnung in Bern ausgezogen ist. Seit vier Wochen pendelt sie «mit Zug und Laptop» nach Aarberg und zurück.

Es habe nicht einen einzigen Grund für ihren Weggang gegeben. Sie habe sich in Uster auch nicht aktiv beworben, wie sie das in Aarberg getan hatte. Das Spital Uster habe sie über einen Headhunter angefragt. «Der Entscheid ist mir ausserordentlich schwer gefallen, aber die neue Stelle bietet mir gute Möglichkeiten etwas zu bewegen», sagt Perll.

Obwohl sie sich in Aarberg von Anfang sehr wohl fühlte, wollte Perll nicht ins Stedtli zu ziehen. «Beim Wohnen bin ich ein Stadtmensch, obwohl ich sonst gerne in der Natur draussen bin», sagt sie. Deshalb habe sie in Bern gewohnt. In ihrem Bekanntenkreis wurde aus diesem Grund manchmal gewitzelt, dass sie über einen Migrationshintergrund verfüge.

Obwohl sich Perll auf ihre neue Aufgabe freut, falle es ihr «sehr schwer, die Menschen im Spital Aarberg zu verlassen», wie sie sagt. Es gebe im Spital einige Menschen, «die schon viele Jahre hier arbeiten und das Klima nachhaltig prägen». Es sei «einfach lässig» gewesen, mit ihnen, aber auch mit dem neueren Personal zusammenzuarbeiten. «Das werde ich extrem vermissen», sagt die abtretende Direktorin.

Dass sie es als Frau besonders schwer gehabt  habe, sei ihr nicht aufgefallen. «Natürlich musste ich mich manchmal durchsetzen, aber das ist normal», sagt Perll. Das habe aber weder mit ihrem Geschlecht noch mit meinem Heimatkanton zu tun. Ihren Führungsstil zu definieren, fällt ihr nicht leicht. Sie führe situativ.

Neue Angestellte begleite sie relativ eng. Sobald sie sehe, dass es gut laufe, lasse sie den Menschen aber gerne viel Spielraum. «Ich arbeite gern mit selbstständig denkenden und arbeitenden Mitarbeitenden zusammen», sagt sie. Es sei wichtig, immer klar, konsequent und transparent zu sein.

Voller Einsatz bis zuletzt
Dass sich die Direktorin auch nach ihrer Kündigung noch voll für das Spital und das Personal einsetze, sehe man daran, dass sie kürzlich am Ski-Tag des Personals in Grindelwald teilnahm. Obwohl sie dafür mit dem Zug aus Uster anreisen und x-Mal umsteigen musste, sagt Hanspeter Balsiger, seit zwei Jahren Leiter des technischen Dienstes des Spitals.

Sie verlasse Aarberg zu einem guten Zeitpunkt, bilanziert Sofie Perll: «Die Situation des Spitals hat sich konsolidiert.» Und sie freut sich speziell, beim Spatenstich für die Sanierung und den Neubau des OP- und Behandlungstraktes noch dabei zu sein.    


Infobox
Spatenstich für Neubau

• Am Donnerstag findet der Spatenstich zur Sanierung des OP- und Behandlungstraktes statt. Der OP-Saal kommt in einen einstöckigen Neubau. Der Notfallbereich wird renoviert und die Sechser-Zimmer zu Ein- und Zweibettzimmern mit Nasszellen umgebaut. Das Projekt kostet rund 20 Millionen Franken. Die Inbetriebnahme ist für Oktober 2017 geplant.
• Das Spital Aarberg wurde vor 137 Jahren eröffnet. Der bestehende Operationstrakt wurde 1956 erstellt.
• Bereits vor 27 Jahren wurde das erste Konzept zur Sanierung des OP-Traktes entworfen.

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