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Sommerserie

Zwei Meter über Boden im ächzenden Gebälk

Auch für Menschen mit Höhenangst sollte das Biwak auf Stelzen in Gampelen überwindbar sein. Der Ausblick auf den Neuenburgersee und den Sternenhimmel entschädigt für den ungewohnten Zugang.

Schlummern in luftiger Höhe: das Biwak auf Stelzen. copyright: sz
  • Dossier

Sarah Zurbuchen


Es ist 16 Uhr, brütend heiss und windstill. Weniger still geht es auf der Badewiese des TCS-Campings in Gampelen zu und her. Die Menschen, sehr viele Menschen, liegen auf ihren Badetüchern, sonnen sich, spielen, reden, essen oder dösen. Am Rand der Badewiese, unter schattigen Bäumen, steht ein Zelt auf Stelzen, darunter befindet sich ein Tisch. «Im Moment ist die Absperrkette kaputt, weshalb hier gerne mal Kinder spielen», sagt der Campingleiter Michael Affolter. Jetzt sitzen da Erwachsene, die sich aber sofort verziehen, als wir kommen. Denn das sogenannte Biwak auf Stelzen ist ein Angebot des Campings und kann in der Hochsaison für 115 Franken pro Nacht gemietet werden (Nebensaison 75 Franken). Affolter zeigt uns die simple Einrichtung: «Zwei Matratzen, das wärs dann auch schon», sagt er. Nicht ganz. Eine Solarzelle sorgt für Strom und dafür, dass die Besucherinnen abends bei Licht noch lesen können.  
Wir richten uns ein, wertvolle Gegenstände kommen ins Biwak, das abgeschlossen werden kann. Vieles kann auch im «Aufenthaltsraum» unter dem Biwak gelagert werden.
Wir setzen Sonnenhut und -brille auf und machen uns auf einen Rundgang durch den Camping. Corona beschert der Schweiz und ganz besonders den Campingplätzen einen nie gesehenen Tourismus-Aufschwung. Das bestätigt auch Michael Affolter: «Wir haben eine um 50 Prozent höhere Belegung als normalerweise zu dieser Jahreszeit.» Und so reihen sich Zelt an Zelt und Wohnwagen an Wohnwagen. Viele Familien geniessen hier ein paar unbeschwerte Tage am Wasser. Ein kleiner Pool ist Anziehungspunkt für die Kleineren, der See Attraktion für die Grösseren. Wer will, kann ein Boot, Stand-Up-Paddle oder Kajak mieten, dem schilfbewachsenen Ufer entlang paddeln und die betörende Natur geniessen.


Pluspunkt und Schicksal


Das ist denn auch eine der Besonderheiten und zugleich das Schicksal des TCS-Campings Gampelen: Es befindet sich inmitten des Naturschutzgebiets Fanel und muss deshalb voraussichtlich bis 2024 schliessen (das BT berichtete). Der Campingplatz wurde 1955 gesetzeskonform errichtet, inzwischen hat sich die Rechtslage aber geändert. Das Fanel ist Teil eines grossen Naturparadieses mit dem Namen Grande Cariçaie. Die Grande Cariçaie nimmt das gesamte Südufer des Neuenburgersees ein, beherbergt mehr als 800 Pflanzenarten und mehr als 10000 Tierarten. Sie besteht aus acht Naturschutzgebieten in den Kantonen Waadt, Freiburg und Neuenburg.


Eisvögel und Biber


Zurück beim Biwak setzen wir uns an den Tisch, um die Ambiance etwas in uns aufzunehmen. Und wähnen uns gleich mitten in einem überfüllten Strandbad. Wer hier tagsüber bei schönem Wetter Ruhe sucht, dem sei auf jeden Fall ein Ausflug empfohlen. Und dazu eignet sich die Gegend bestens: So stehen 50 Kilometer Wander- und Velowege zur Verfügung (Velos und E-Bikes können im Camping gemietet werden). Im nahen Naturzentrum von La Sauge sowie am Ufer von Cudrefin können auf Beobachtungsplattformen Biber und seltene Vögel wie der Eisvogel beobachtet werden.
Gegen Abend entscheiden wir uns für einen Schwumm im Neuenburgersee. Ein Holzsteg im Camping führt aufs Wasser hinaus, wohl um das empfindliche Ufer zu schützen. Doch wider Erwarten reicht uns das Wasser dort nur bis zu den Knien. Der Boden ist angenehm sandig, uns so gibt es halt zuerst eine fünfminütige Wasserwanderung in etwas tiefere und klarere Gewässer.
Zurück an Land besuchen wir das Campingrestaurant Fanel 54 und genehmigen uns einen giftgrünen Aperitif. Für unser Abendessen braucht es etwas Musse, der Ansturm ist riesig, die Küche  heillos überfordert. Die Angestellten bleiben aber angenehm freundlich, auch wenn dem einen oder anderen Gast der Geduldsfaden reisst.

Himmlische Ruhe


Zufrieden und mit frittierten Fischen im Magen kehren wir zu unserem luftigen Heim zurück. Und treffen eine gänzlich andere Welt an: Es ist himmlisch ruhig geworden. Zwar spielen immer noch vereinzelt Eltern mit ihren Kindern Fussball, doch das ist kein Vergleich zum quirligen Nachmittag. Als es zu dämmern beginnt, sind wir froh, dass wir zuhause in letzter Sekunde den Mückenspray eingepackt haben.
Gegen zehn Uhr machen wir uns auf in den oberen Stock und erklimmen über eine Leiter das Biwak. Wir öffnen die Blache, die den Blick Richtung Schilf, See und Jura freigibt. Eine dünne Mondsichel hebt sich in scharfen Konturen vom Himmel ab.
Eine halbe Stunde können wir noch in unseren Büchern lesen, bevor der vom Solarpanel gespiesene Stromkasten sein letztes Fitzelchen Energie ausspuckt. Nachtruhe ist angesagt.
Die Nacht ist ruhig und erholsam, abgesehen von den ächzenden Geräuschen, die die Holzkonstruktion beim Verlagern des Körpers von der einen zur anderen Seite von sich gibt. Um 7 Uhr stehen wir auf. Es lohnt sich: Die frühmorgendliche Stimmung ist unvergleichlich. Die Luft riecht frisch, es ist angenehm kühl, sogar der See scheint noch zu schlafen. Doch schon sind die ersten Camper wieder unterwegs, und bald herrscht auf der Badewiese neben dem Biwak wieder sommerliche Betriebsamkeit.


Alle bisherigen Teile der Serie unter www.bielertagblatt.ch/sommer2020

 

Übernachten im Biwak auf Stelzen
Komfort:        * *
Erlebnis:     * * * * *
Lage:         * * * *
Erreichbarkeit:     * *
Preis/Leistung:     * * *
sz    Info: TCS-Camping Gampelen, Seestrasse 50, 3236 Gampelen. Tel.  032 313 23 33. Öffnungszeiten: 8–12 und 14–18 Uhr. www.tcs.ch

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