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Kafipause

Zwischen den Gegensätzen

Im persönlichen Blog berichten Parzival Meister, stellvertretender Chefredaktor und Redaktionsleiter und BT-Chefredaktor Bernhard Rentsch abwechslungsweise wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – meistens mit einem Augenzwinkern, ab und zu mit poetischer Note.

Parzival Meister, Redaktionsleiter und stv. Chefredaktor
  • Dossier

Es ist Freitagnacht. Die Kinder sind im Bett und schlafen tief. Zeit der Ruhe, Zeit für Genuss. Ich setze mich in den Sessel, in der rechten Hand ein Zigarillo, in der linken ein Glas Cognac. Die Position meines Sessels, sie könnte besser nicht sein.

Rechts von mir das offene Fenster. In mein Ohr dringt das Geräusch des peitschenden Windes, ich höre, wie der Regen auf die Strasse plätschert. An meiner rechten Gesichtshälfte und auf der Haut meines unbedeckten Unterarms spüre ich die Kälte, die in den Raum dringt. Ich lasse das, was einen von draussen fernhält, direkt an mich ran.

Es ist, als könnte ich die Frische riechen. Aber der klare, feuchte Duft des Unwetters ist nicht vorherrschend. Er durchmischt sich mit dem schweren, rauchigen Geruch der Wärme, die der Schwedenofen zu meiner linken Seite absondert. Ich kann das Knistern des Feuers hören, an der Oberfläche der Hand, die das Cognac-Glas umfasst, nehme ich die hitzegeschwängerte Luft wahr, die vom Ofen her durch den Raum treibt.

Ich befinde mich genau da, wo die Gegensätze aufeinandertreffen. Von linker Seite die Geborgenheit, auf der rechten Seite der Sturm. Es ist, als würde ich die Grenze zweier Polen bilden. Fast so, als befände ich mich in perfekter Balance zweier Welten, die genau an meiner Person aneinanderprallen. Ganz nach dem Prinzip von Ying und Yang: Zwei entgegengesetzte Kräfte, die miteinander im Einklang stehen.

Die Minuten verstreichen – und mit 
ihnen bröckelt meine Gestalt als Grenzstein zwischen den Welten. Ich bilde je länger je weniger das neutrale Zwischenstück, werde zunehmend von den Polen einverleibt. Die Finger meiner rechten Hand werden empfindlicher, 
die Kälte, sie dringt durch die Kleidung, meine dem Fenster zugeneigte Körperhälfte beginnt zu frieren, während sich auf der anderen Seite Schweisstropfen bilden und Wallungen breitmachen.

Es war angenehm zwischen den Ex-
tremen – aber selber ein Teil dieser Pole zu sein, fühlt sich nicht mehr nach Balance an. Unwohlsein breitet sich in mir aus.

Ich drehe den Sessel um 180 Grad. 
Es fühlt sich gut an, wie die Hitze meine kalte rechte Hand erwärmt, und der kühle Wind die Schweissperlen auf meiner linken Gesichtshälfte trocknet. Die Balance ist wieder hergestellt – für die nächsten paar Minuten.

 

pmeister@bielertagblatt.ch

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