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Tradition

Beliebtestes Brauchtumsgebäck

Wer wird König? Diese Frage stellt sich in diesen Tagen in zahlreichen Familien, Büros und Vereinen. Der Dreikönigskuchen hat eine grosse Fangemeinde, dabei ist der Brauch noch gar nicht so alt.

Von einer Pressekonferenz 1952 beworben: Der Dreikönigskuchen erlebte damals eine regelrechte Marketingkampagne, mit der das alte Brauchtum neu belebt werden sollte. Bild: rv/a

Susanne Wagner

Alle kennen den süssen Hefeteigkuchen, der um den 6.Januar wieder Hochsaison hat. Der Brauch des gemeinsamen Essens des Dreikönigskuchen ist bekannt und beliebt wie kaum ein zweiter: Wie in einer Schrift des Schweizerischen Archivs für Volkskunde nachzulesen ist, war der Dreikönigskuchen bereits Ende der Achtzigerjahre so verbreitet, dass 88 Prozent Kinder einer angefragten Schulklasse den Brauch in ihrer Familie praktizierten. Jahr für Jahr verkaufen Bäckereien in der Schweiz 1,5 Millionen Dreikönigskuchen.

«Abschluss der Festzeit»
Auch die Konditorei Chez Rüfi in Biel hat in diesen Tagen viel zu tun. «Für uns ist der Dreikönigstag der Abschluss der turbulenten Festtagszeit», sagt Geschäftsführer Tom Rüfenacht. Dass der 6. Januar 2013 auf einen Sonntag fällt, ist etwas ungünstig, weil der Brauch auch in vielen Büros und an anderen Arbeitsplätzen gefeiert wird. Aber so oder so sind bei Chez Rüfi während einer ganzen Woche Dreikönigkskuchen erhältlich. Jedes Jahr gehen in der Bieler Konditorei zwischen 1000 und 1400 Kuchen über den Ladentisch. Das Rezept ist gemäss Tom Rüfenacht seit Generationen unverändert. Das Besondere am Dreikönigskuchen sei die Butter und die Mandelmasse, die dem Gebäck den speziellen Geschmack geben.

Schule, Team, Turnverein
Gemäss dem Schweizerischen Bäcker-Konditorenmeisterverband ist der Dreikönigskuchen das beliebteste und am weitesten verbreitete Brauchtumsgebäck der Schweiz. Ein Grund für den Erfolg mag sein, dass der Brauch sehr demokratisch ist: Alle können und wollen mitmachen, ungeachtet der Herkunft oder der Religion. Deshalb werden Dreikönigskuchen nicht nur in der trauten Familie verspeist, sondern immer häufiger auch im Team am Arbeitsplatz, in der Schule oder im  Turnverein. Zudem ist das Ritual einfach und überall umsetzbar: Es braucht nur einen der süssen Hefeteigkuchen in der passenden Grösse, der Plastikkönig wird eingebacken mitgeliefert, ebenso die Papierkrone, die derjenige aufsetzen darf, der den König in seinem Stück gefunden hat. Der in geselligem Rahmen auserkorene König darf einen Tag lang Wünsche äussern und «Befehle» erteilen – so will es das spielerische Ritual.

Sklaven als Könige
Wer sich auf die Suche nach dem Ursprung dieses Brauchs begibt, stösst auf Überraschendes. So war der Brauch des Dreikönigskuchens noch in den 1940er-Jahren in der Deutschschweiz so gut wie unbekannt – obwohl er mehrere Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende alt zu sein scheint. Als der Bäcker-Konditorenmeisterverband ihn 1952 wiederbelebte, bezog man sich auf eine scheinbar uralte Tradition: In der römischen Antike gab es ein Volksfest zu Ehren des Gottes Saturn, bei dem Sklaven für einen Tag König sein durften, wenn sie die in einem Kuchen versteckten Bohnen fanden. Volkskundler sind jedoch skeptisch, ob der heutige Dreikönigskuchen auf dieses Volksfest zurückzuführen ist. «Die rund 1000 Jahre ohne jegliches Zeugnis für den Brauch wurden zudem geflissentlich übergangen», schrieb Volkskundler Konrad J. Kuhn 2009 in seiner Arbeit «Dreikönigskuchen: Ein Brauch der Gegenwart zwischen ritueller Funktion, Archaisierung und Kommerz.»

Brotforscher erneuert Brauch
Als Pate des Dreikönigskuchens in der Schweiz gilt der Brotforscher Max Währen. Der Versicherungsbeamte erforschte in den 1940er-Jahren in seiner Freizeit neben Gipfeli, Zopf und Grittibänz auch den Dreikönigskuchen. Er fand die erwähnten Hinweise auf den altrömischen Brauch sowie Belege, dass auch Münzen und in Frankreich ab dem 18. Jahrhundert kleine Porzellanpüppchen in einen Kuchen eingebacken wurden. Für die Schweiz konnte der Gebäckforscher das Datum 1390 als Ursprung des Dreikönigkskuchens urkundlich belegen. An manchen Orten in der Westschweiz war der Brauch offenbar besser bekannt als in der Deutschschweiz. Seine Forschungen veröffentlichte Max Währen ab 1947 in verschiedenen Tageszeitungen und rief dazu auf, den «alten Brauch» vor dem Zerfall zu retten.


Pressekonferenz für Kuchen
Es folgte eine gut organisierte Marketingkampagne des Schweizerischen Bäcker- und Konditorenverbands: Im November 1952 stellte man den Dreikönigskuchen an einer Pressekonferenz an der Fachschule Richemond in Luzern vor. Die Ausbildungsstätte für Bäcker und Konditoren entwickelte ein spezielles Dreikönigskuchen-Rezept, das aus Hefeteig, Butter, Sultaninen und Mandeln besteht. Die Form wurde auf ein grosses Mittelstück mit kreisförmig angeordneten runden Kuchenstücken festgelegt, die zu Sinnbildern des Königs mit seinen Vasallen erklärt wurden. Die Aktion war ein grosser Erfolg: Um den 6. Januar 1953 verkauften die schweizerischen Bäckereien bereits 50 000 Dreikönigskuchen. Schon ein Jahr später hiess die offizielle Werbung: «Am Dreikönigstag den traditionellen Kuchen!» Bereits im Jahr 1980 wurden eine Million Königskuchen verkauft.

12 Stücke, 12 Könige
Nicht nur einen, sondern gleich zwölf Könige sind in Ausnahmefällen in den Königskuchen der Bäckerei Rüfenacht zu finden. Dann nämlich, wenn eine Firma einen Spezialauftrag gibt, damit in jedem Kuchenstück ein König liegt und somit jeder Kunde oder Mitarbeiter einmal «König» sein darf. «Selten erhalten wir auch den Auftrag, ein Goldvreneli oder eine Broncekugel einzubacken», so Tom Rüfenacht. Den grössten Teil der eingebackenen Figuren machen jedoch die bewährten Könige – oder Königinnen – aus Kunststoff aus. Seit 2004 bieten manche Bäckereien auch Figuren aus den Comic- oder der Unterhaltungsindustrie wie etwa aus dem Film «Ice Age» oder der TV-Serie «Die Simpsons». Doch dieser Randerscheinung wird wohl kaum der grosse Erfolg beschieden sein wie dem Dreikönigskuchen selbst.    


Der 6. Januar
• Der Dreikönigstag gilt als letzter Tag der Weihnachtszeit und ist für viele Haushalte auch der Tag, an dem man die Weihnachtsdekoration und den Christbaum abräumt.
• Christen in aller Welt feiern am Dreikönigstag die drei Weisen, die dem Jesuskind nach seiner Geburt Gold, Myrrhe und Weihrauch mitgebracht haben sollen.
• An diesem Tag werden vielerorts die Wohnräume mit Weihrauch gesegnet, und als die drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar verkleidete jugendliche Gemeindemitglieder gehen als Sternsinger von Haus zu Haus.
• In den Kantonen Uri, Schwyz, im Tessin und in einigen Gemeinden Graubündens ist der 6. Januar ein gesetzlicher Feiertag.
 

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