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Uhrenbranche

Bereit bleiben für den Aufschwung

Die Swatch Group hat ihre Bilanzkonferenz abgehalten – mit Teddybären im Publikum.Im Juni kommt die erste Smartwatch. Ein grosser Teil des Produktionspersonals arbeitet derzeit kurz.

Konzernchef Nick Hayek hält die Pressekonferenz per Livestream im Internet ab. copyright: peter samuel jaggi/bieler tagblatt

Tobias Graden

Zu dritt sitzen sie da, auf dem Podium in der Cité du Temps, weit genug auseinander, die Abstandsregeln gut eingehalten:Thierry Kenel, der Finanzchef; Nick Hayek, der Konzernchef;Peter Steiger, der Chefcontroller der Swatch Group. Die anderen Konzernleitungsmitglieder, die üblicherweise an der Bilanzkonferenz zugegen sind, machen entweder Homeoffice oder haben die Reise nach Biel nicht angetreten.
Auf den Stühlen, wo normalerweise die Medienvertreter sitzen, hat die Swatch Group Teddybären platziert. «Wir fühlen uns hier ein bisschen alleine, ehrlich gesagt», meint Nick Hayek. Darum wenigstens die Gäste aus Plüsch, die nachher an jene Kinder gehen, denen mit einer mobilen Augenoperation geholfen wird – die Initiative heisst Orbis International, sie wird von der Swatch-Group-Marke Omega unterstützt. Die Pressekonferenz findet wegen der Coronakrise nur online statt, die Szenerie schaut skurril, etwas gespenstisch und doch irgendwie niedlich aus, aber das Bild transportiert auch eine Botschaft, die Hayek an diesem Morgen mehrfach wiederholen wird: Es gibt Hoffnung. Die Krise geht auch wieder vorbei. Die Phase, die wir jetzt durchleben, ist temporär.
Gewiss, Hayek hat wie immer auch markige Worte übrig, aber die kommen dieses Mal erst gegen Schluss.

Entlassungen vermeiden
Natürlich ist auch die Swatch Group von der Krise betroffen, und das nicht zu gering. Die letzten Wochen in China kann der Konzern gewissermassen streichen, schon vorher war die Lage in Hongkong äusserst schwierig, noch fast ohne das Virus. Das schenkt ein, denn das Marktgebiet «Greater China» machte letztes Jahr 35,9 Prozent des Umsatzes aus. Und nun folgt mit etwas Verzögerung die gleiche Situation in der Schweiz und Europa und in Amerika. «Es ist einfach», sagt Hayek, «wo keine Läden offen sind, werden auch keine Uhren verkauft.»Der Online-Kanal funktioniert zwar, aber er sei ja selber auch Konsument, sagt der Konzernchef, «und derzeit denkt man an andere Dinge als ans Shoppen».
Das hat Folgen für die Produktion. Derzeit sind laut Angaben von Peter Steiger 42 Prozent des Personals in den Schweizer Produktionsbetrieben in Kurzarbeit, bis Ende Woche werden es gegen 70 Prozent sein. An manchen Orten sei die Produktion ganz gestoppt, sagt Hayek, aber es seien keine ganzen Fabriken geschlossen. Die Situation werde jeden Tag aufs Neue analysiert, die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Unia funktioniere recht gut. Und sowieso:Die vom früheren Patron Nicolas G. Hayek definierte Strategie werde auch jetzt soweit möglich beibehalten:Keine Entlassungen, so dass das Know-how ebenso erhalten bleibt wie die Kapazitäten und im Wiederaufschwung die Märkte mit voller Kraft «attackiert» werden könnten. Derzeit gehe es auch darum, eine Balance zu finden – zwischen dem Gesundheitsschutz und dem Anbieten einer Perspektive.

Sechs Monate autonom
Die Swatch Group will das nicht zuletzt mit der lange erwarteten, ersten Smartwatch tun. Gestern hat sie diese vorgestellt, die Tissot «T-Touch Connect Solar». Der Uhrenkonzern geht mit diesem Modell einen eigenen Weg, vor allem zwei Merkmale stechen hervor. Da ist einerseits die lange Energieautonomie. Sind die Smart-Funktionen eingeschaltet, muss die Uhr sechs Monate lang nicht aufgeladen werden. Werden diese Funktionen nicht benötigt, verlängert sich diese Autonomie auf bis zu zehn Jahre. Möglicht macht dies eine in der Schweiz entwickelte, neuartige integrierte Solarzelle. Dieses System nennt sich «SwALPS» («Swiss Autonomous Low Power System»), entwickelt hat es die Swatch Group mit der Forschungsanstalt CSEM. 35 Patente hat der Uhrenkonzern für die Uhr insgesamt eingereicht.
Was die Funktionen betrifft, so reichen diese nicht an eine herkömmliche Smartwatch heran. Insbesondere verzichtet Tissot auf einen NFC-Chip, was die Möglichkeiten für Zahlungen limitiert. Dafür sind die Funktionen wie Benachrichtigungen bei eingehenden Mails oder Anrufen nicht nur mit Apples iOS und Android kompatibel, sondern auch mit Harmony OS, dem neuen Betriebssystem von Huawei. Tissot ist die erste Uhrenmarke, die eine Kompatibilität mit Huawei bietet. Weitere Funktionen werden laufend hinzukommen. Die Uhr kostet um die 1000 Franken, sie soll ungefähr im Juni erhältlich sein – sofern dies angesichts der Coronakrise Sinn machen wird.

Nettigkeiten zum Schluss
Und dann gibt es ja noch andere Themen, etwa die Weko-Untersuchung: «Vielleicht hilft Homeoffice den Professoren beim Nachdenken, so dass sie schneller zu einem Entscheid gelangen», kommentiert Hayek. Was ist mit dem neuen Investor, dem Fonds Veraison? «Womöglich haben sie es nötig, sich ins Gespräch zu bringen. Ich habe diese Menschen nie gesehen, es gab kein Meeting.»  Und schliesslich, zur Krise: «Sie ist temporär! Sie bietet eine gute Gelegenheit, etwas runterzukommen, die Dinge zu überdenken. Und seien Sie nett zu anderen Leuten.»
 

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