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Grossisten

Detailhändler üben gemeinsam Druck aus

Coop und Migros setzen auf internationale Kooperationen im Einkauf. Das bekommen auch die Kunden zu spüren.
 Die Antworten zu den wichtigsten sechs Fragen.

Symbolbild: Keystone

Caroline Freigang

Immer mehr Detailhändler schliessen sich europaweit zu Einkaufsallianzen zusammen – zuletzt der französische Handelsriese Carrefour mit dem britischen Tesco. Zuvor hatte die deutsche Metro eine Kooperation mit dem französischen Auchan und weiteren Händlern unter dem Namen Horizon angekündigt. Auch die Schweizer Detailhändler mischen im Geschäft mit. Ein Überblick, warum immer mehr Händler auf Allianzen setzen und was das den Endkunden bringt.

 

Was machen diese Einkaufsallianzen?

Händler schliessen sich zu Allianzen zusammen, um angesichts geringer Margen etwa im Einkauf mehr Macht gegenüber Konsumgüterherstellern zu haben. Neu sei, dass diese immer internationaler würden, sagt ein Detailhandelsexperte dieser Zeitung. Europaweit gibt es mittlerweile mehrere gigantische Allianzen. Agecore, zu der auch Coop gehört, allein generierte 2016 rund 140 Milliarden Euro Umsatz.

 

Warum gibt es
immer mehr davon?

Durch die Einkaufsallianzen wird die Stellung der Detailhändler gestärkt und damit ein Kräfteausgleich geschaffen gegenüber der internationalen Lebensmittelindustrie. Die Zunahme an Allianzen ist gleichzeitig Zeichen eines Kräftebündelns gegenüber Discountern wie Aldi und Lidl. Diese machen den traditionellen Händlern die Marktanteile streitig. Sie haben mächtige globale Lieferketten aufgebaut, indem sie eine geringe Anzahl Produkte in grossen Mengen einkaufen. So können sie die Preise drücken. Das setzt auch die Schweizer Detailhändler unter Druck. Durch Allianzen können sie Synergien nutzen, ohne zu fusionieren.

Coop ist bei Agecore dabei. Zu diesem Verbund gehören Edeka (Deutschland), Intermarché (Frankreich), Colruyt (Belgien), Conad (Italien) und Eroski (Spanien). Die Migros gehört der europäischen Einkaufskooperation AMS an. Dort sind auch die Gruppe Ahold Delhaize, einer der grössten europäischen Detailhändler, oder die britische Gruppe Morrisons dabei. Im Vergleich zu anderen Einkaufsallianzen verhandle die Migros innerhalb der AMS nicht mit Markenartikelherstellern, sagt Sprecherin Martina Bosshard. Es gehe dabei vor allem um Produkte, die aus dem Ausland gemeinsam beschafft werden und dann als Eigenmarke verkauft werden – etwa Tiefkühlfisch, Dosenprodukte oder Snacks.

 

Haben Allianzen Erfolge
zu verzeichnen?

Dass Händler im Verbund stärker sind, zeigt der Streit von Agecore, zu der auch Coop gehört, mit dem Lebensmittelgiganten Nestlé. Coop und andere hatten vorübergehend rund 200 Produkte von Nestlé aus den Regalen genommen, um bessere Einkaufskonditionen zu erzielen. Darunter etwa Produkte der Marken Thomy, Leisi, Mövenpick, Findus und Nescafé. Am Ende wurde der Streit als Erfolg für die Detailhändler verbucht. Brancheninsider vermuten, dass Nestlé den Mitgliedern des Verbunds nun bessere Konditionen gewähre: «Es ist klar, dass hinter dem Agecore-Vorstoss eine beachtliche Forderung steht», sagte ein Detailhandelsexperte, der anonym bleiben will, nach der Einigung.

 

Was sind die Vorteile
für die Konsumenten?

Die Verhandlungen der Allianzen könnten auch den Konsumenten zugutekommen, sagt Josianne Walpen vom Konsumentenschutz – vorausgesetzt, die Detailhändler geben die Einsparungen an die Konsumenten weiter. Ob es zu mehr Rabatten und Preisreduktionen kommt, liegt also in der Hand der Händler. Coop hatte nach der Einigung mit Nestlé bekannt gegeben, Preisrabatte an Kunden weiterzugeben. Während zweier Wochen sollte eine grosse Aktion mit bis zu 30 Prozent Rabatt auf 500 Nestlé-Produkte durchgeführt werden. Von generellen Preisreduktionen war keine Rede.

 

Welche Nachteile bringt die Zunahme von Allianzen?

Wie im Streit zwischen Coop und Nestlé könnten künftig häufiger Produkte temporär in den Regalen fehlen. Das, weil die Allianzen die Stellung der Detailhändler stärken und diese mit dem Produktestopp verhandeln könnten. Wenn die Produkte folglich allerdings günstiger in die Läden kommen, sei dies für die meisten Konsumenten wohl verkraftbar, so Josiane Walpen vom Konsumentenschutz. Hinzu kommt, dass nur grosse Detailhändler in solche Allianzen aufgenommen werden. Kleinere Anbieter werden also gezwungen, weiterhin zu teureren Preisen einzukaufen. «Dies schwächt deren Konkurrenzfähigkeit und fördert die Konzentration im ohnehin schon sehr konzentrierten Schweizer Detailhandel», so Walpen.

«Es macht betriebswirtschaftlich Sinn, dass sich Händler mit einer ähnlichen Grösse und ähnlichen Einkaufsvolumina in einer Einkaufsallianz zusammenfinden», findet hingegen Patrik Ducrey, stellvertretender Direktor der Weko. Zudem sei es kleineren Händlern offen, eine eigene Einkaufsallianz zu gründen, was gewisse bereits getan haben.

 

Sind solche Allianzen wettbewerbsrechtlich heikel?

Im Kartellgesetz gebe es keine Bestimmung zu Einkaufskooperationen, sagt Ducrey. Die Weko habe bisher wenig Praxis dazu. So orientiere sich die schweizerische Behörde bezüglich der kartellrechtlichen Beurteilung von Einkaufskooperationen an der Praxis der EU-Wettbewerbsbehörde. «Demnach sind wettbewerbsbeschränkende Wirkungen von Einkaufsvereinbarungen unwahrscheinlich, wenn die teilnehmenden Händler auf unterschiedlichen Märkten tätig sind und nicht als potenzielle Wettbewerber angesehen werden können. Da die anderen Mitglieder von Agecore, zu der Coop gehört, nicht in der Schweiz tätig sind, sei diese aus Schweizer Sicht eher unbedenklich», so Patrik Ducrey. Anders würde es sich verhalten, wenn Coop und Migros im gleichen Einkaufsbündnis auftreten würden.

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