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Dicke Schlitten sollen mehr kosten

Fahrzeuge stärker besteuern, dafür die Einkommenssteuern senken. Was ist von dieser Strategie des Kantons Bern zu halten? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Bahnhof Parking in Bern: In den letzten Jahren sind immer mehr grosse SUVs mit zweifelhafter Klimabilanz in Verkehr gesetzt worden. Bild: Manuel Zingg

Simon Wälti

Der Kanton Bern will die Steuern für die Motorfahrzeuge ökologischer ausrichten. Während heute Personenwagen und Lieferwagen nur nach Gewicht besteuert werden, soll künftig neben dem Gewicht auch der CO-Ausstoss ausschlaggebend sein. Das soll eine Lenkungswirkung hin zu umweltfreundlicheren Autos erzeugen. Gleichzeitig wird mit dem neuen Gesetz ein Fehlanreiz beseitigt: Heute ist der Tarif für das Gewicht degressiv, das heisst, für schwere Fahrzeuge gibt es eigentlich einen Rabatt. Das sei weder ökologisch sinnvoll noch verursachergerecht, betont der Regierungsrat.

Über das Gesetz wird am 13. Februar abgestimmt, weil die SVP dagegen das Referendum ergriffen hat. Im Grossen Rat waren die Mehrheiten klar: Der Entscheid für das neue Gesetz fiel mit 101 gegen 43 Stimmen bei einer Enthaltung. Für die Vorlage engagieren sich unter anderen FDP, GLP, Grüne, SP, Die Mitte und EVP.

 

Die SVP sagt, die Vorlage sei demokratiepolitisch fragwürdig, da das Stimmvolk im September 2012 eine Senkung der Motorfahrzeugsteuern beschlossen habe. Wird der Volkswille umgangen?

Nein, sagen Regierungsrat und die Mehrheit der Parteien im Grossen Rat. 2012 habe sich das Volk gar nicht zu einer Besteuerung des CO-Ausstosses geäussert. Seither hat sich der Handlungsbedarf aufgrund des fortschreitenden Klimawandels verschärft. «Die Sensibilität in der Bevölkerung ist gestiegen», sagte Regierungsrat Philippe Müller (FDP) gestern Donnerstag an einer Medienkonferenz. In den letzten Jahren ging der Trend in der Schweiz und auch im Kanton Bern in Richtung schwerere Fahrzeuge, die meist die Umwelt stärker belasten. Wie stark die Wirkung des Gesetzes ist, wird sich zeigen müssen.

 

Will der Kanton damit die Staatskasse füllen?

Nein. Die Erhöhung bei den Motorfahrzeugsteuern im Umfang von rund 40 Millionen Franken ist mit den Einkommenssteuern verknüpft. Diese sollen im gleichen Ausmass gesenkt werden. Auch das ist ein Unterschied zu 2012. Die Reform angestossen hatte die GLP mit einer Motion im Grossen Rat. Die Mehreinnahmen werden vollumfänglich für die Senkung der Einkommenssteuern verwendet. Den Beschluss dazu muss der Grosse Rat mit dem nächsten Budget fällen.

 

Wenn die 40 Millionen Franken nur umverteilt werden, warum ändert man überhaupt etwas?

Bei den Motorfahrzeugsteuern gehört der Kanton Bern seit der Senkung aufgrund des Volksentscheids von 2012 zu den günstigsten Kantonen. Bei den Einkommenssteuern dagegen zählt Bern zu den teuersten. Die Überlegung: Bei einem Umzug überprüft niemand die Motorfahrzeugsteuern, wohl aber die Höhe der Einkommenssteuern. «Das Gesetz ist nicht nur ein Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel», sagt Regierungsrat Philippe Müller, «es erhöht auch die Standortattraktivität.» Durch die Anhebung der Motorfahrzeugsteuern befände sich der Kanton Bern neu leicht über dem schweizerischen Durchschnitt, aber noch im Mittelfeld.

 

Wie hoch sind die Einnahmen heute?

2019 betrugen die Einnahmen aus der Motorfahrzeugsteuer 268 Millionen Franken. 2020 waren es 270,5 Millionen Franken. Im letzten Jahr stiegen die Einnahmen nach den provisorischen Zahlen auf 275 Millionen Franken. Die Steigerung in den vergangenen Jahren ist darauf zurückzuführen, dass der Fahrzeugbestand zunimmt und die gekauften Autos immer schwerer werden. Gewichttreibend sind neben höherer Leistung auch zusätzliche Sicherheitssysteme und der Wunsch nach modernster Technologie.

 

Bei welchen Modellen sind die Auswirkungen am grössten?

Das ist bei stark motorisierten Sportwagen der Fall: Bei einem Boliden mit 500 PS und entsprechendem CO-Ausstoss beträgt der Aufpreis 300 Franken oder mehr pro Jahr. Bei den schweren SUVs gibt es bei vielen Modellen mit gut 200 Franken ebenfalls einen kräftigen Aufpreis.

 

Wie sieht es bei durchschnittlichen Fahrzeugen aus?

Wie eine Zusammenstellung der kantonalen Sicherheitsdirektion zeigt, sind die Verschiebungen für gängige Modelle von Marken wie Skoda, VW, Ford, Renault, Peugeot, Suzuki oder Toyota eher gering. Der Aufschlag bewegt sich zwischen 5 und 30 Franken pro Jahr. In einigen Fällen sinken die Steuern sogar leicht.

 

Ein Hauptargument der Gegner lautet, dass die Landbevölkerung übermässig betroffen wäre. Stimmt das?

Nur bedingt. Die Statistik der Motorfahrzeuge zeigt, dass die Unterschiede zwischen den Verwaltungskreisen nicht übermässig gross sind. Ein Beispiel: Gewicht und CO-Ausstoss sind im Verwaltungskreis Frutigen-Niedersimmental zwar leicht höher als in Bern-Mittelland, die konkreten Auswirkungen dürften in den meisten Fällen aber unter 100 Franken betragen. Zudem machen die Motorfahrzeugsteuern nur einen kleinen Teil der effektiven Kosten aus, die ein Auto verursacht. Viel stärker ins Gewicht fallen Amortisation, Wertminderung, Treibstoffkosten, Service, Reparaturen und Versicherungen. Ausserdem ändert sich für landwirtschaftliche Fahrzeuge nichts. Und Pistenfahrzeuge sind neu von der Steuer befreit.

 

Die Gegner argumentieren auch damit, dass das Gewerbe zu stark betroffen sei.

Bei Lieferwagen wird die Steuer nach tieferen Ansätzen berechnet. Für Diesellieferwagen ist der Anstieg moderat, zum Teil werden sie sogar günstiger. Lastwagen und landwirtschaftliche Motorfahrzeuge werden weiterhin nach den bisherigen Grundsätzen besteuert. Damit beabsichtigt der Grosse Rat, das Gewerbe und die Landwirtschaft zu schonen. Der VCS weist darauf hin, dass innovative Unternehmen mit elektrisch betriebenen Lieferwagen viel Geld sparen könnten. Gegenüber einem Dieselmodell beträgt die Ersparnis zwischen 150 und über 350 Franken.

 

Zu den Einkommenssteuern, die sinken sollen. Um wie viel geht es?

Der Kanton Bern nahm zuletzt 3,8 Milliarden Franken an Einkommenssteuern von 620 000 steuerpflichtigen Privatpersonen ein. Nun wird der Steuersatz leicht gesenkt, was unter dem Strich zu Mindereinnahmen von 40 Millionen Franken führt. Würden alle genau gleich besteuert, ergäbe dies eine Ersparnis von etwa 65 Franken. Zwei Rechenbeispiele: Bei einem steuerbaren Einkommen von 50 000 Franken spart eine alleinstehende Frau rund 50 Franken ein. Bei einem Ehepaar mit einem steuerbaren Einkommen von 100 000 Franken sind es etwa 100 Franken.

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