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Swiss Innovation Park

Die Exoten stehen nun auch auf der Weltkarte

Der Standort Biel wird seit gestern auf der ganzen Welt als Ort für Innovation vermarktet – dank der Mitgliedschaft im Swiss Innovation Park. Dabei wurde das Bieler Projekt ursprünglich eher kritisch beäugt. Der Einsatz von Kanton, Stadt und Privatwirtschaft hat aber Früchte getragen.

Hochtechnologie zum Bestaunen: Thomas Gfeller (Delegierter für Wirtschaft), Felix Kunz (CEO Inno campus AG) und Erich Fehr (Stadtpräsident; v.l.) gestern im Innovationspark Biel. Bilder: Peter Samuel Jaggi
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Tobias Graden

Als Thomas Gfeller vor fünf Jahren durch das Ausstellungsgelände der Mikrotechnik-Messe Siams spazierte, kam ihm ein Gedanke. Was wäre, dachte sich der Delegierte für Wirtschaft der Stadt Biel, wenn sich ein unternehmerischer Multimilliardär die ganze Industrie in der Region kaufen würde? Wie würde er vorgehen, wie würde er umbauen? An der Siams findet sich die ganze Präzisionsindustrie der Region ein, unmittelbar nebeneinander präsentieren die Firmen ihre Entwicklungen. Anders gesagt: Man hat ähnliche Märkte, ähnliche Kunden, man lebt auf geringem geografischem Raum nachbarschaftlich nebeneinander, Produktion sowie Forschung und Entwicklung sind aber fragmentiert.

Der Milliardär würde darum wohl rasch ein gemeinsames Innovationszentrum einrichten. «In diesem würden die Ideen, Kompetenzen und Technologien, die heute über viele Unternehmen verstreut sind, gebündelt, kombiniert und auf die Bedürfnisse der künftigen Märkte ausgerichtet. Dadurch erweiterte sich das Reservoir für Innovationen explosionsartig», dachte Gfeller.

Der Swiss Innovation Park Biel/Bienne ist nun ein solches Innovationszentrum.

 

Forschung statt Flieger

Dabei stand die Teilnahme Biels am Swiss Innovation Park keineswegs von Beginn weg fest. Sie ist die Folge der politischen Geschichte dieser Plattform, dem Engagement der politischen Akteure vor Ort und dem Tatbeweis, den die Wirtschaft in der Innocampus AG bereits erbracht hat.

Der Swiss Innovation Park hat seinen Ursprung darin, dass die Armee das riesige Areal des Flughafen Dübendorfs nicht mehr braucht. Ruedi Noser, heutiger FDP-Ständerat und Unternehmer, verfolgte darum die Idee, dort einen Innovationspark anzusiedeln – nahe an der ETH sollte dieser internationale Grosskonzerne mit Interesse an Grundlagenforschung anlocken. Politisch harzte der Plan. Die Ausweitung der Idee, die nun ein Netzwerk von sich ergänzenden Parks in der ganzen Schweiz vorsah, diente in der Folge einerseits als Konkurrenzkulisse, anderseits sorgte sie für breitere Involvierung. 2011 wurde der Verein Swiss Innovation Park mit Noser als Präsident gegründet. Er verfolgte das politische Ziel, Mittel aus nicht mehr benötigter Bundesinfrastruktur zur Innovation zu nutzen. Das Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz, 2012 verabschiedet, war dann die rechtliche Grundlage dafür, das Prinzip des Netzwerks ist darin explizit formuliert. Im Juni letzten Jahres schliesslich bestimmte der Bund die heutige Struktur des Swiss Innovation Parks mit zwei Hub- und drei Netzwerkstandorten, darunter Biel.

 

Inspiration im Silicon Valley

In Biel kamen drei Faktoren zusammen, die eine Kandidatur als fast logische Folge erscheinen liessen: Die Wirtschaftsstruktur in der Region, deren Firmen stark innovationsgetrieben sind; der Campus der Fachhochschule, der auch schon als Plattform für Wissenschaft und Wirtschaft dient; und die Terrainreserven: Mitten in der Stadt um den Bahnhof stehen fast 100 000 Quadratmeter zur Verfügung. Volkswirtschaftsdirektor Andreas Rickenbacher hatte zuvor in einer Gruppe (in der auch Ruedi Noser war) das Silicon Valley besucht – und an den regelmässigen Treffen zwischen ihm und der Stadt Biel (mit Thomas Gfeller, Hans Stöckli und später Erich Fehr) wurde rasch klar, dass das Ziel Innovationspark verfolgt werden sollte.

Klar war aber auch, dass das Bieler Projekt ungefähr das Gegenteil von Nosers ursprünglicher Idee verfolgte. Statt Grundlagen- sollte angewandte Forschung erfolgen, statt disruptiver Innovation sollten rasch marktfähige Produkte entstehen, statt Grosskonzerne sollten KMU angesprochen werden. Es galt also, Verständnis für das Bieler Modell zu entwickeln. «Wir waren die Exoten», sagt Thomas Gfeller, der Präsident der Innocampus AG wurde.

 

Noser fordert Harmonie

Dass Biel im Dezember 2014 nicht im ersten Anlauf hinzugewählt wurde, brachte niemanden aus der Fassung. Lieber nutzte man die vielfältigen Kontakte, auf politischer Ebene etwa durch Hans Stöckli, der mittlerweile Ständerat war. Inhaltlich setzte Biel auf die vorhandenen Stärken, die Innocampus AG hatte den «Proof of Business» bereits erbracht: Bereits vor dem Start der nationalen Struktur ist der Innovationspark in Biel zu 85 Prozent privat finanziert, die vorhandenen Flächen sind praktisch belegt (vgl. Artikel unten). Im Sommer 2012 hatte Gfeller in zahlreichen Gesprächen die Bedürfnisse von Industrieunternehmern im ganzen Kanton eruiert, die Innocampus AG liegt mit ihrem Geschäftsmodell offenbar richtig. Seit gestern nun ist Innocampus als Marke verschwunden, die AG fungiert als Betreibergesellschaft des Swiss Innovation Parks Biel/Bienne. Sie ist mittlerweile mit 1,3 Millionen Franken kapitalisiert.

Auf nationaler Ebene hat Switzerland Innovation aber noch lange nicht alle Baustellen abgeschlossen. Die ursprüngliche Idee, Geld aus der Umnutzung von Militärgelände für die Innovationsförderung zu nutzen, wurde stark verwässert. Die einzelnen Standorte sind in ihrer Ausgestaltung unterschiedlich weit fortgeschritten, mancherorts gibt es Spannungen. Stiftungsratspräsident Ruedi Noser sah sich deshalb an der letzten Sitzung genötigt, alle Beteiligen zur Harmonie aufzurufen.

In Biel aber hatte man gestern Grund zur Freude. «Es ist nun offiziell, dass Biel einer der Top-5-Orte für Innovation in der Schweiz ist», sagt Gfeller.

 

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Erst 2026 voll vermietet – das muss so sein

Läuft alles wie geplant, zieht der Innovationspark Biel 2019 in den Neubau. Ab 2022 soll er selbsttragend sein, hunderte Personen werden darin arbeiten.

Ein Roboter sortiert Schokoladekugeln. Eine Maschine schichtet Titanium: Per 3-D-Druck fertigt sie eine Gelenkpfanne aus Metall – was bislang aufwändig gefräst wird, kann in der additiven Fertigung leicht gedruckt werden. Ein ferngesteuertes Fahrzeug bewegt sich mühelos in alle Richtungen, geradeaus, in Kurven, seitwärts – vielleicht ist die Technologie die Basis einer künftigen Transportplattform. Schulklassen lassen sich verblüffende physikalische Effekte erklären, Jungunternehmer hirnen hinter Computern, ein Ingenieur tüftelt am elektronisch betriebenen Flugzeug, ein Vertreter eines regionalen KMU lässt sich gerade ein paar Prototypen drucken: Willkommen im Innovationspark Biel, wo am gestrigen Tag der offenen Tür dies und vieles mehr zu sehen ist.

Es ist bereits ein emsiges Forschen und Werken im provisorischen Standort des Innovationsparks. Nur durch den Auszug des Auskunftsdienstes 1818 sind noch einige wenige Flächen frei. «Das ist typisch bielerisch», sagt Stadtpräsident Erich Fehr, «wir sind eine Industriestadt. Wir reden nicht lange, sondern wir tun.» Der Innovationspark hat seinen Bedarfsnachweis jedenfalls erbracht: «Er ist einer der Hauptgründe, warum wir hier sind», sagt auf Anfrage Henry Goffaux, CEO für Europa von Welle Laser Technology. Die brasilianische Firma entwickelt in Biel mit Partnern neue Technologien. 90 Mitarbeiter zählten die eingemieteten Kunden im Innovationspark per Ende 2015.

 

18 000 Quadratmeter

In einigen Jahren sollen es hunderte sein, das sieht die Planung vor. Zuerst aber wird auf dem Gelände vis-à-vis des künftigen Campus ein Neubau erstellt. Der Kanton hat letzte Woche einen Kredit von 20 Millionen Franken beantragt (das BT berichtete). In der Stadt Biel kommt das entsprechende Landgeschäft am 3. April zur Abstimmung. Der Kanton leistet einen Investitionsbeitrag und zahlt bis 2021 an den Betrieb. Der Neubau bietet 14 000 Quadratmeter Fläche, insgesamt stehen dann also 18 000 Quadratmeter zur Verfügung.

Die Innocampus AG, Betreibergesellschaft des Innovationsparks Biel, rechnet damit, dass der Neubau zum Start zur Hälfte vermietet sein wird. Das klingt nach Misserfolg, ist es aber nicht: «Wir müssen den Interessenten Fläche anbieten können, sonst können wir sie nicht ansiedeln», sagt CEO Felix Kunz. Vollvermietung ist für 2026 vorgesehen, im Umkreis des Bahnhofs gibt es aber weitere Areale, die künftig genutzt werden könnten. Ein nachhaltiger Break-Even soll 2022 erreicht sein – ab dann ist der Innovationspark selbsttragend.

 

Zwei Millionen Franken Volumen

Der Innovationspark Biel konzentriert sich auf drei Forschungsbereiche: 3-D-Industrietechnologien, Energie und Mobilität sowie Medtech. Bereits jetzt haben diese einen Umfang von über 2 Millionen Franken. Dieser Wert dürfte in einigen Jahren um ein vielfaches übertroffen werden. Es wird erwartet, dass die Nachfrage stark anzieht, wenn der Innovationspark im Rahmen der Vermarktungsstrategie von Innovation Switzerland auf der ganzen Welt bekannt gemacht wird. tg

 

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Nachgefragt

«Die Bieler sind zielorientiert»

Der Geschäftsführer von Switzerland Innovation hat am Tag des offiziellen Starts den Standort Biel besucht. Was er dort gesehen hat, gefällt ihm.

Raymond Cron, ist es Zufall, dass Sie am Tag des Eröffnungsaktes des Swiss Innovation Parks ausgerechnet den Standort Biel besuchen?

Raymond Cron: Ich besuche alle Standorte. Da Biel aber nahe an Bern ist und ich den «Tag der offenen Tür» samt dem Besuch durch Schulklassen gut finde, bin ich heute gerne hierhin gekommen.

Welchen Eindruck gewinnen Sie, wenn Sie hier durch die Räume gehen?

Man spürt, dass in Biel bereits sehr viel läuft. Ich sehe viele sehr interessante Projekte und Ideen.

Die Kandidatur von Biel war mit ihrer KMU-Orientierung ein bisschen der Exot im Auswahlverfahren und musste in die zweite Runde gehen. Wie sehen Sie die Rolle des Standorts Biel in der ganzen Struktur des Swiss Innovation Park?

Sicher nicht so, dass man das Gefühl haben sollte, Biel sei als letzter Standort dazugestossen. Biel hat einen ganz klaren Fokus, und dieser unterscheidet sich von den anderen Parks. Genau dies wollen wir erreichen: dass wir unterschiedliche Kompetenzen anbieten können. Biel sticht also heraus und ist ein wertvolles Mitglied im Netzwerk.

Der Standort Biel ist am weitesten fortgeschritten, was die konkrete Ausgestaltung und den operativen Betrieb betrifft. Kommt Ihnen dies als Geschäftsführer von Switzerland Innovation entgegen?

Ich konnte mit den Bieler Kollegen sehr gut zusammenarbeiten, denn sie sind sehr zielorientiert und pragmatisch. Die Frage, wer weiter ist, lässt sich aber nicht so einfach beantworten, denn es geht um sehr unterschiedliche Ausrichtungen und Standorte. Biel gehört aber sicher zu jenen, die am weitesten sind, und der Neubau ist ja schon in der Pipeline.

Wie muss man sich Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer von Swiss Innovation in der nächsten Zeit vorstellen?

Die Stiftung hat vier Aufgaben: Erstens die Vermarktung, das Hinaustragen der Stiftung in die Welt. Zweitens die Finanzierung: Wir kümmern uns einerseits um die Bundesbürgschaft von 350 Millionen Franken, anderseits versuchen wir mit der Finanzindustrie ein Finanzierungsvehikel aufzubauen, damit in die Immobilien investiert werden kann. Drittens kümmern wir uns um Vernetzung und Koordination der fünf Standorte und sind die Schnittstelle zum Bund. Viertes Thema ist die Qualitätssicherung.

Man wird aber nach wie vor den Eindruck nicht ganz los, dass der Swiss Innovation Park um Anerkennung kämpfen muss, auch in der nationalen Politik.

Wir sind ein junges Pflänzchen, offiziell gibt es uns erst seit 18 Tagen. Wir müssen erst noch beweisen, dass wir den Beitrag leisten können, der von uns erwartet wird. Ich betrachte das nicht negativ.

Eine Ihrer Aufgaben ist die internationale Vermarktung. Wie schätzen Sie die Chancen des Standorts Biel ein?

Primär geht es darum, die Schweiz zu vermarkten, auf der ganzen Welt das Interesse für Switzerland Innovation zu erzeugen. Gelingt uns dies, schauen wir uns die Forschungsschwerpunkte der Unternehmen genauer an. Da Biel ein sehr klares Profil hat, stehen die Chancen gut, dass internationale Firmen hierhin passen. Das Wichtigste ist aber, die Firmen in die Schweiz zu locken – wo genau sie hingehen, ist aus nationaler Sicht sekundär. Interview: tg

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