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Innocampus

Ein Ort mit Sogwirkung

Den Anschluss an Spitzentechnologie für KMU gewährleisten und damit die Schweizer Wirtschaft stärken: Das will die Bieler Innocampus AG. Die Nachfrage ist jetzt schon gross.

Der orange Würfel ist Symbol für fertige, marktfähige Produkte. Diese sollen dank der Innocampus AGrascher entwickelt werden können – auch von KMU, die sich keine grosse Forschungs- und Entwicklungsabteilung leisten können. copyright: jonathan liechti/bt

Tobias Graden

Die Expertengruppe war noch nicht restlos überzeugt: Sie, die im Auftrag der Konferenz der Kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) die Kandidaturen der Netzwerkstandorte für den Nationalen Innovationspark (NIP) zu beurteilen hatte, verlangte für das Bieler Projekt noch Nachbesserungen. Die Bieler Kandidatur wurde darum noch nicht direkt zur Aufnahme in den NIP empfohlen (vgl. BT vom 7. Juni). Mit gewissen Nachbesserungen sei aber eine Aufnahme zum Start des Innovationsparks 2016 durchaus möglich.
Andere Akteure mögen nicht so lange abwarten. Sie haben sich ihre Plätze in der Innocampus AG bereits gesichert, wie an der gestrigen Medienorientierung deutlich gemacht worden ist.


Zuzug in Kürze
In den Räumen an der Aarbergstrasse, die zuletzt den Konkurs gegangenen Brainstore beherbergt hatten, erfolgt in den nächsten Wochen gar ein grosser Zuzug: Ein Unternehmen aus der Halbleiterbranche verlegt seine ganze Forschungs- und Entwicklungsabteilung in den Innocampus. «Die Absichtserklärung haben wir in den letzten Tagen unterzeichnet», sagte Felix Kunz, CEO der Innocampus AG. 60 Mitarbeiter werden dadurch neu dazustossen. Der Name des Unternehmens wird noch nicht bekanntgegeben.
Bereits sind fünf Startups in den Innocampus-Räumlichkeiten ansässig, weitere fünf sind geplant (vgl. Zweittext). Insgesamt gibt es in einer ersten Phase Raum für etwa 20 KMU, die in diesem «idealen Ökosystem», wie die Innocampus AG ihr Projekt nennt, Technologien weiterentwickeln und zur Serienreife bringen wollen. Neben Konduko ist dies etwa das Unternehmen Sonoview, das ein neues, strahlungsfreies Mess- und Analyseverfahren für die Erkennung von Brustkrebs entwickelt. Ein weiteres Startup beschäftigt sich mit hydrophoben Flüssigkeiten.


Wichtig für Wertschöpfung
Einen weiteren Beleg für die Praxistauglichkeit des Bieler Konzepts sehen die Initianten in der Tatsache, dass sich die Aktienmehrheit der Innocampus AG bereits jetzt in den Händen der privaten Seite befindet. Auch die Aufstockung des Kapitals dürfte kein Problem darstellen.
Innocampus sei kein Technopark, dies ist Felix Kunz wichtig zu betonen. Weder stellt Innocampus blosse Infrastsruktur zur Verfügung, noch geht es um ein reines Vermietmodell. Vielmehr hat die Innocampus AG nichts weniger zum Ziel, als die Umsetzung von Entwicklungen zu Produkten zu beschleunigen, mithin die produzierende Wirtschaft überhaupt. Warum dies wichtig ist für die künftige Wertschöpfung in der Schweiz, erläutert Felix Kunz etwa am Beispiel der LCD-Technologie: Diese wurde zwar in der Schweiz entwickelt, erfolgreiche Anwendungen in zahlreich verkauften Produkten wurden dann aber in anderen Ländern realisiert.
Die Innocampus AG fasst darum ihre Forschungsschwerpunkte und -themen unter dem Stichwort «Advanced Industrial Technologies» zusammen. Dabei geht es vor allem um die Bereiche Medizin und Gesundheit, Mobilität und Energie und «Industrie 4.0». Unter letzteres fällt zum Beispiel die Technologie des 3-D-Druckens: «Damit werden wir künftig in der Lage sein, Metallstrukturen wachsen zu lassen», sagte Josef Maushart, CEO der Bellacher Fraisa, «das bedeutet eine grosse Herausforderung für jene Industriezweige, die bislang auf die zerspanende Technologie gesetzt haben.» Die Bieler Innocampus dient nun dazu, dass auch auch kleine und mittlere Unternehmen, die sich Forschung und Entwicklung an der Speerspitze der Technologie aus Ressourcengründen alleine nicht leisten können, den Anschluss an diese Trends halten können.


2014 selbsttragend
Bereits sind auch zwei Forschungsinstitute im Innocampus beheimatet. Es ist dies einerseits das Institut «Human Centered Engineering» mit Fachleuten der Universität Bern und der Berner Fachhochschule, geforscht wird im Bereich Medtech. Das zweite Institut nennt sich «Energy Storage Research Center»: Die Berner Fachhochschule, die BKW und das CSEM («Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique») forschen hier im Bereich Speicherung von Energie – ein Thema, das mit zunehmender Elektromobilität von immer grösserer Wichtigkeit ist.
Schon dieses Jahr wird die Innocampus AG selbsttragend sein. Die Beteiligten gehen davon aus, dass die Bieler Innocampus anfang 2016 Teil des Nationalen Innovationsparks sein und die Nachfrage nach Räumen und Dienstleistungen zunehmen wird. Die Räume an der Aarbergstrasse sind darum nur ein Provisorium. In einer ersten Ausbauetappe wird Innocampus ab 2018 im Gebäude gleich neben dem neuen Campus Technik über 14 000 Quadratmeter verfügen. Im ganzen Quartier gibt es ein Potenzial von bis zu 100 000 Quadratmetern – die Gegend zwischen Bahnhof und See/Agglolac könnte also zum wahren Innovationsquartier werden.

 

Auf Zukunft ausgerichtet
pst. Der Innocampus ist für den Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr (SP) ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft. Es sei «wunderbar», was beide gemeinsam geschafft hätten. Nun sei es ist richtig, dass dem Staat die Mehrheit im Verwaltungsrat «aus der Hand gerissen» werde, denn «der Staat ist für die Rahmenbedingungen da, die Wirtschaft für den Inhalt», sagte Fehr gestern.
Die Stadt Biel, die Berner Fachhochschule und der Kanton bleiben jedoch Aktionäre, um die Verbundenheit mit dem Projekt weiter zu unterstreichen. Fehr wies darauf hin, dass vor einem Jahr die Innocampus AG im ehemaligen Gebäude der General Motors lanciert wurde. Dass sie heute in einem aufstrebenden Quartier eigene Räume bewirtschafte, sei symbolisch dafür, dass sie auf die Zukunft ausgerichtet sei.
Das neue Quartier zwischen Innenstadt und See werde Ausbildung, technische Entwicklung, Forschung, Innovation und die Wirtschaft verbinden. Zusammen mit dem Spirit of Bienne habe der Standort zwischen Bahnhof und Agglolac das Potenzial, diese hohen Ansprüche zu erfüllen.
Volkswirtschaftsdirektor und Präsident der Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren Andreas Rickenbacher (SP) sagte, dass die Schweiz innovativ bleiben müsse, wenn sie ihren Vorsprung am Markt verteidigen wolle. Dass sie nur so ihre höheren Preise rechtfertigen und den hohen Lebensstandard halten könne.
Deshalb engagiere sich der Kanton finanziell beim Innocampus, beim Campus Technik und für die Bewerbung Biels als Netzwerkstandort des Nationalen Innvationsparks (NIP). Biel habe gegenüber anderen Bewerbern einen Vorsprung, da man bereits Erfolge vorweisen könne. «Biel hat gute Chancen, beim Start des NIP dabei zu sein», sagte Rickenbacher. Weil dafür auch der Campus Technik in Biel «sehr wichtig» sei, habe er sich sehr über die einstimmige Unterstützung im Grossen Rat gefreut. 

 

Konduko: erstes Start-up
pst. «Das Haus ist voll», sagte Thomas Gfeller, Verwaltungsratspräsident der Innocampus AG und Wirtschaftsdelegierter der Stadt Biel. Dass das Gebäude des Innocampus bereits so stark genützt wird, hat auch mit den fünf sogenannten Start-up-Unternehmen zu tun, die momentan dort eingemietet sind. Die sich im Aufbau befindenden Firmen haben zusammen rund 20 Angestellte.
Die im Mai 2013 gegründete Konduko SA war ursprünglich in Lausanne zuhause, wie Marketing Managerin Carole Putallaz sagte. Sie ist eine von drei Personen, die für die Firma arbeiten. Dass Konduko nach Biel umzog, hatte zwei Gründe: das gute Umfeld im Innocampus und die Bieler Zweisprachigkeit.
Das innovativste Produkt von Konduko demonstrierte Putallaz gleich den anwesenden Medienvertretern und Aktionären. Wer sich angemeldet hatte, erhielt einen personalisierten Badge. Dieser unterschied sich oberflächlich nicht von jenen, die bei Kongressen abgegeben werden.
Unter der Oberfläche des Badges aber steckte Hightech: Wer ihn an einen kleinen «Reader» hielt, der an der Wand angebracht war, löste damit eine automatische E-Mail mit allen Unterlagen der Medienorientierung an sich selbst aus.
Was für eine solche Veranstaltung eine Spielerei ist, macht für Messen durchaus Sinn. Wer dort seine Kontaktdaten hinterlegt, kann mit einem solchen personalisierten Badge durch die Ausstellung gehen, ohne am Ende tonnenweise Informationsbroschüren herumschleppen zu müssen. Denn diese Unterlagen werden ihm digital nach Hause oder aufs Handy geschickt.
Für Aussteller ist das System interessant, weil sie so Daten von potenziellen Kunden erhalten und feststellen können, welche Informationen tatsächlich interessierten. Konduko setzte das Produkt bereits erfolgreich an Messen in Italien ein. Nun will das Start-up, das als erstes im Innocampus operativ tätig wurde, von Biel aus expandieren.          

 

Eröffnung für alle
• Der Innocampus wird sich am Donnerstag, 26. Juni, der Öffentlichkeit vorstellen.
• Ab 18 Uhr werden an der Aarbergstrasse 3–5 in Nidau Rundgänge durch den Innocampus angeboten.
• Neben einem Informationsstand gibt es Essen, Getränke und ein Public Viewing zur Fussball-WM.
• Für Musik sorgt Shem Thomas («Voice of Switzerland»).        pst

 

«Besser als erwartet»


Mit dem Start ist CEO Felix Kunz sehr zufrieden. Er geht davon aus, dass Biel ein SIP-Netzwerkstandort wird.


Herr Kunz, wie sind Sie mit dem operativen Start der Innocampus AG zufrieden?
Felix Kunz: Ich bin tip-top zufrieden. Der Start verlief über den Erwartungen. Wirtschaft, Forschungspartner und die Politik haben unser Projekt überaus wohlwollend aufgenommen.

Wie viele Mitarbeiter hat die Innocampus AG zurzeit?
Wir haben am 1. April mit zwei Mitarbeitern und mir angefangen. Wir werden mit dem zunehmenden Ausbau wachsen, dies aber stets bedarfsorientiert.
Die Innocampus AG wird das Aktienkapital von einer halben auf eine Million Franken erhöhen. Werden Sie sich auch über die Kantonsgrenze Richtung Solothurn orientieren?
Wir suchen vor allem weitere Aktionäre aus der Privatwirtschaft. Wir haben bereits in der ersten Zeichnungsrunde Aktionäre aus dem Kanton Solothurn gefunden, das wird auch dieses Mal so sein. Aber auch Unternehmen aus dem Kanton Bern, allenfalls auch aus Neuenburg.

In Biel denkt man vor allem an die Uhrenindustrie. Diese ist im Aktionariat kaum vertreten.
Das ist so. Wir haben aber Aktionäre, die als Zulieferer der Uhrenindustrie tätig sind.

Wollen Sie auch die grossen Marken der Uhrenbranche ins Boot holen?
Diese sind so gross, dass sie eigene Forschungsabteilungen führen und selber gute Kontakte in die Hochschulen pflegen. Ihre Interessen sind anders gelagert.

Bei Innocampus werden Firmen eng beieinander und auch miteinander forschen. Wie gehen Sie mit dem Bedürfnis nach Abgrenzung und Geheimhaltung um?
Dafür haben wir zwei Sorten Räume. Es gibt einerseits den offenen Bereich im Erdgeschoss, in dem leicht Austausch möglich ist, im dritten und allenfalls vierten Geschoss können wir geschlossene, abschliessbare Räume anbieten. Für die Unternehmen ist es wichtig, beides zu haben.

Die Kandidatur für den Netzwerkstandort des Innovationsparks muss noch nachgebessert werden. Woran arbeiten Sie?
Es geht um Fragen zur Ausrichtung, wir wollen etwa das Profil in Richtung Medizinaltechnik schärfen. Grundsätzlich passen wir unser Konzept den Forderungen der Expertengruppe an. Ich bin zuversichtlich, dass wir Anfang 2016 Teil des SIP sein werden.

Im ganzen Quartier ist dafür ein räumliches Potenzial von bis zu 100 000 Quadratmetern vorhanden. Wird es dazu überhaupt Bedarf geben?
Vor anderthalb Jahren habe ich mich gefragt, ob wir überhaupt die 2500 Quadratmeter zu Beginn füllen können, was nun aber problemlos gelungen ist. Es ist durchaus denkbar, dass dereinst diese ganze Fläche benötigt wird. Der Innovationspark ist ein Mehrgenerationenprojekt.    

Interview: Tobias Graden

 

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