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Uhrenbranche

Ein Statement in die weite Welt

Mit dem absehbaren Ende der Baselworld verschwindet auch ein Schaufenster für kleine Marken. Manche finden: Eine Messe, welche die ganze Schweizer Branche abbildet, brauche es weiterhin.

Das ist Vergangenheit: Die glamouröse Halle 1.0 an der Baselworld.  copyright: peter samuel jaggi/bieler tagblatt

Tobias Graden

Ob es in Basel künftig noch eine Uhrenmesse geben wird, steht noch nicht offiziell fest. Sicher ist:Nach dem kürzlichen Abgang weiterer renommierter Marken ist die Baselworld, wie man sie bis anhin kannte, Geschichte. Die Halle 1.0, wo bis vor kurzem die Spitze des Prestigesegments versammelt war, ist leergeräumt.
Selbst wenn tatsächlich noch eine reduzierte Form von Uhren-  und Schmuckmesse stattfinden werden sollte:Der Anlass wäre nicht mehr vergleichbar, besonders was das Besucheraufkommen betrifft. Und das betrifft auch die kleinen, unabhängigen Marken. Sie profitierten bislang von der Zugkraft der Grossen. Fällt die Baselworld weg, fällt ihnen auch dieses Schaufenster weg.

Viel Aufwand, wenig Ertrag
«Der Schock und die Enttäuschung sind da», sagt Ben Küffer, Gründer der jungen Nidauer Marke Norqain, «wir sind alle mit dieser Messe aufgewachsen.» Ähnlich tönt es von Simon Wyss, dem Direktor von Jowissa in Bettlach:«Schade ist das allemal – wir hatten mit der Baselworld die industrieführende Messe quasi um die Hausecke.» Die Möglichkeit, konzentriert an der Marke Interessierte aus der ganzen Welt zu treffen, habe eine komplexe eigene Organisations- und Reisetätigkeit ersetzt. Bedauern äussert auch Jan Edöcs, der CEOder Bieler Marke Doxa: «Unsere Marke war seit den 60er-Jahren in Basel anwesend.»
Doch nicht überall ist das Bedauern gleich gross. Für manche Marken stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis an der Baselworld schon länger nicht mehr. Die Bieler Marke Glycine hat «bereits vor einigen Jahren beschlossen, die für die Messe bereitgestellten Mittel für andere gezielte Marketingveranstaltungen oder andere Werbeaktivitäten zu verwenden, die uns einen unmittelbareren Ertrag bringen», teilt Managing Director Daniele Andreatta mit. Ganz direkt sagt es Daniel Strom, Gründer und Geschäftsführer von Strom Watch: «Wir haben in den letzten beiden Jahren jeweils fünfstellige Summen für den Messauftritt ausgegeben, aber keinen einzigen Neukunden gewonnen.» Er hätte darum ohnehin auf eine weitere Präsenz in Basel verzichtet.
Norqain dagegen hatte vorgehabt, an der in den Januar 2021 verschobenen Ausgabe dabei zu sein. Er habe eigentlich einen guten Eindruck der neuen Leitung gehabt, so Ben Küffer: «Es wurdenm neue, spannende Formate präsentiert, die gleichzeitig deutlich tiefere Standkosten vorsahen. Für dieses Konzept war viel Interesse vorhanden.» Die Abmachung war jedoch erst eine mündliche, unterschrieben war noch nichts. So trifft die junge Marke auch der Streit um die Kostenbeteiligung der Aussteller nicht, der wohl letztlich den Ausschlag gab für die definitive Abwanderung der grossen Prestigemarken (das BT berichtete).
Anders ist es bei Jowissa: «Wir haben im Dezember die Standkosten angezahlt, sind also auch finanziell betroffen.»

Königsweg Digitalisierung
Doch welche Alternativen bestehen für kleinere Marken, um sich im internationalen Konzert der Horlogerie weiterhin Gehör verschaffen zu können? François Zahnd, der vor einigen Jahren die Marke Votum wiederbelebt hat, setzt auf Onlinemarketing und direkte Kundenkontakte:«Wenn ich 1000 Uhren online verkaufe, entspricht das etwa 2000 Stück über Retailer oder gar 5000 Uhren im Grosshandel. Und dann kenne ich erst noch den Endkunden persönlich und kann ihm weitere Angebote unterbreiten.»Auch Norqain und Jowissa betonen die zunehmende Wichtigkeit der digitalen Kanäle.
Daniel Strom – der betont, seine Marke bewege sich «in einer Ritze der Nische» – will direkt den asiatischen Markt bearbeiten. Er hat Meetings in Hongkong veranstaltet und einen Partner in Singapur gefunden. Die Bestrebungen sind durch die Coronakrise gebremst, «aber wir sind bereit, wenn’s wieder losgeht».
Glycine betont gar das Lokale: Die Marke hat in der Bieler Altstadt ein Ateliermuseum eingerichtet. «Dort können wir ein Publikum versammeln, das tatsächlich an unserer Marke interessiert ist», sagt Daniele Andreatta.

«Die ganze Pyramide»
Und doch: Ganz ausgestorben sind Messen noch nicht. An der Inhorgenta in München betrügen die Kosten pro Quadratmeter einen Bruchteil eines Messeauftritts in Basel, der Anlass sei sehr funktional ausgerichtet, sagt Simon Wyss von Jowissa. Gleiches gelte etwa für die Duty-Free-Messe in Cannes, die auch eine digitale Plattform zur Verfügung stelle, was die Baselworld bis zuletzt habe vermissen lassen. Für François Zahnd machen auch Kleinstmessen Sinn:Mit der Garage Paoluzzo habe er eine regionale Messe mit 23 Ausstellern geplant, die Kosten seien so gering wie möglich.
Und doch: Ganz abgeschrieben ist eine schweizweite Uhrenmesse nicht, das neue Format in Genf könnte die Baselworld beerben, mutmassen die Befragten. «Eine solche Messe ist auch ein Statement gegenüber der internationalen Konkurrenz», sagt Ben Küffer. Auch Jan Edöcs sieht nun die Chance, «alles unter ein Dach zu bringen». Er vermutet, dass den grossen Marken durchaus daran gelegen sein könnte, auch die kleinen dabeizuhaben: «Geschichte und Wertigkeit der Schweizer Uhrmacherei leben von der ganzen Pyramide. Der talentierte Berufsnachwuchs etwa fängt nicht nur bei den Edelmarken an, sondern bei den kleinen, unabhängigen. Es ist im Sinne der ganzen Branche, an diesen Nachwuchs zu denken.»

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