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Export

«Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling»

Innerhalb weniger Tage hat der Franken gegenüber dem Euro rund acht Rappen verloren. Ein Hoffnungsschimmer für die regionale Exportwirtschaft und den Tourismus. Die Exponenten bleiben allerdings skeptisch.

Beispiel Feintool: Der Konzern profitiert momentan mehr von der Erholung der Weltwirtschaft als vom schwächeren Franken. Bild: Anita Vozza/a

Lotti Teuscher

So plötzlich wie der Franken erstarkt ist, nachdem die Schweizer Nationalbank den Kurs nicht mehr verteidigt hat, so plötzlich hat er die letzten Tage an Wert verloren. Nach dem Schock der Franken-Euro-Parität im Februar 2015 ist der Euro jetzt erstmals wieder 1.15 Franken wert (siehe BT vom Freitag). Wie wirkt sich dies auf die Exportwirtschaft aus?

«Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling», sagt Adrian Haas, Direktor des Handels- und Industrieverein Kanton Bern. Es sei zu früh, um Auswirkungen festzustellen. Denn einerseits laufen die Handelsverträge mit den Kunden im Ausland weiter. Andererseits haben viele Exportfirmen Währungsversicherungen abgeschlossen für den Fall, dass der Franken noch stärker würde.

 

Kurs bleibt labil

Die zweite Einschränkung laut Haas: «Ist die Frankenschwäche nachhaltig?» Es brauche lediglich eine Verunsicherung der Geldmärkte, etwa wegen eines Problems mit Griechenland, und schon schnelle der Frankenkurs wieder in die Höhe. Haas geht davon aus, dass sich der Wechselkurs bis Ende Jahr bei etwa 1.10 Euro pro Franken einpendeln wird. Dies würde bedeuten, dass der Franken weiterhin überbewertet ist. Haas sagt, dass der Wechselkurs – inflationsbereinigt – zwischen 1.20 und 1.30 Euro liegen müsste.

 

Weltwirtschaft wichtiger

Bereits bevor der Kurs in die Höhe schnellte, setzte eine wirtschaftliche Erholungsphase ein. Und zwar weltweit, inbegriffen die EU, der wichtigsten Handelspartner vieler Schweizer Exportfirmen. «Dies ist derzeit ein stärkerer Treiber als die Erholung des Euros», sagt Haas. Eine Meinung, der sich Stefan Diepenbrock, Mediensprecher von Feintool, anschliesst: «Die Weltwirtschaft ist ein wesentlicher Faktor für die Automobilmärkte in Europa und den USA.»

 

Hausaufgaben gemacht

Feintool sei heute gut aufgestellt: Nachdem die Schweizer Nationalbank den Frankenkurs nicht mehr verteidigte, hat das Unternehmen mit Sitz in Lyss die Hausaufgaben gemacht. Mehrere Millionen Franken wurden am Schweizer Standort investiert in komplexe Produktionen, dadurch wurden auch Arbeitsplätze geschaffen (das BT berichtete). «Wenn nun der Franken schwächer wird, ist dies ein Vorteil für unsere Betriebe in der Schweiz», sagt Diepenbrock.

Bei Feintool ist die Frankenschwäche allerdings noch kein Thema. Ergebnisse würden anlässlich der Halbjahresbilanz am 29. August vorliegen; allerdings nicht nur bezogen auf den Franken- und Eurokurs, da Feintool mit Produktionsstätten in Europa, Asien und den USA verschiedene Währungen berücksichtige, so Diepenbrock.

Der Konzern betreibt fünf Produktionsstätten in Deutschland, und je zwei in den USA, Japan und in China. Die Währungssituation ist somit komplex – wird zum Beispiel der Euro stärker, kann sich dies negativ auf das Geschäft in der EU auswirken.

 

Weniger Druck

Jean-Daniel Pasche, Präsident der Fédération Horlogère, beurteilt die aktuelle Kurspolitik positiv: «Jede Schwächung des Frankens ist gut für unsere Branche, denn sie nimmt Druck weg.» Allerdings traut auch Pasche, so wie Haas, der aktuellen Entwicklung nicht ganz: Dass Emanuel Macron zum Präsident von Frankreich gewählt worden ist, wertet Pasche als gutes Zeichen. Dass nun aber die Verhandlung zwischen der EU und England zum Brexit starten, sei ein negatives Signal.

Die wichtigsten Währungen für die Uhrenbranche sind der Euro und der Dollar. Der Euro deckt 
20 Länder der EU ab. Der US-Dollar gilt nicht nur in Amerika, sondern auch in vielen asiatischen Ländern. Zudem ist der Hongkong-Dollar an den US-Dollar gebunden. Dass auch der Dollar stärker geworden sei, wertet Pasche ebenfalls als positives Signal.

 

Mehr Touristen

Einer, der das Verhältnis des Frankens zum Euro stets im Auge behält, ist Oliver von Allmen, Direktor von Tourismus Biel Seeland: «Je stärker der Franken, desto mehr müssen wir kämpfen.» Von Allmen denkt dabei nicht an den Kongresstourismus – 90 Prozent der Geschäftsreisenden, die für Tagungen nach Biel und Umgebung reisen, stammen aus der Schweiz. Vielmehr denkt der Tourismus-Direktor an Feriengäste, die für ein Wochenende oder ein paar Tage ins Seeland reisen – sei es wegen den zahlreichen Gewässern, dem Jura, den Weinbergen oder der Altstädte. «Veränderungen des Wechselkurses bemerken wir rasch», sagt von Allmen. Denn Kurzaufenthalter entscheiden oft spontan, dabei spielt auch der Wechselkurs eine Rolle – anders als Unternehmen, die den Kauf einer Maschine lange planen.

Wohin die Reise des Wechselkurses geht, blieb gestern weiterhin offen: Das Tageshoch lag bei 1,1502 Franken pro Euro. Während des Tagestiefs kostete der der Euro 1,1454 Franken. Der Schlusskurs ähnelte einem gut- schweizerischen Kompromiss: 
Er lag bei 1,1468.

 

Die Entwicklung

  • Erstmals seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses zum Franken im Januar 2015 durch die SNB kostet der Euro wieder rund 1,15 Franken.
  • Gestützt wird der Euro-Kurs durch Konjunkturdaten aus der Eurozone, die auf einen anhaltend Aufschwung hindeuten.
  • Noch im Januar schaffte es der Euro-Franken-Wechselkurs kaum über die Marke von 1,07 Franken.
  • Eine Franken-Euro-Parität wie im Winter 2015 ist derzeit nicht in Sicht. LT

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