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Günstiger, aber dennoch teurer

Einsparungen von bis zu 45 Millionen Franken, doch die Zusatzkosten sind deutlich höher: Die Baudirektion des Kantons hat den Campus Biel minutiös analysiert. Im Idealfall wird der Bau 2025 bezugsbereit sein – doch es gibt Unsicherheitsfaktoren.

Bis es in der Baugrube in Biel weitergeht, dauert es noch bis mindestens nächstes Jahr. copyright: mattia coda/bieler tagblatt
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Tobias Graden

Wenn das juristische Hickhack um den Fachhochschul-Campus in Biel mit seinen ganzen Verzögerungen etwas Gutes hat, dann dies: Es hat der kantonalen Bau- und Verkehrsdirektion jene Zeit gegeben, die sie ohnehin gebraucht hätte, um den Campus-Bau minutiös auf Einsparpotenzial zu durchleuchten. Denn nach dem Abbruch der Ausschreibung im September 2019 wegen drohender massiver Kostenüberschreitungen und dem Bericht Dietziker (das BT berichtete) war genau dies ohnehin nötig geworden. Gestern nun haben Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) und die für die Campusse in Biel und Bern zuständigen Abteilungsleiter aus dem Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) in einem «Werkstattgespräch» die Ergebnisse präsentiert.

Was nicht angetastet wird
Für den Campus Biel sind laut Michael Frutig vom AGGinsgesamt «174 Handlungsfelder oder Positionen» untersucht worden – das ging bis hin zu Details wie der Anzahl Steckdosen oder den Teeküchen auf den Etagen. Nach gründlicher Analyse verblieben 52 dieser Positionen, in denen Handlungsspielraum ausgemacht wurde. Denn zwar gilt:«Nichtbauen kommt am günstigsten», wie Frutig ein Bonmot zitiert, doch das kommt beim Campus eben nur sehr bedingt in Frage. Jedenfalls wird auch der überarbeitete Campus keine wesentlichen Flächenreduktionen gegenüber dem ursprünglichen Projekt aufweisen. Schon durch die Zusammenlegung in Biel reduziert sich die Fläche der betroffenen BFH-Departemente von 41000 Quadratmetern an allen bisherigen Standorten auf 32000 im Campus. Eine weitere Flächenreduktion sei «mit Blick auf die Zukunftsentwicklung und die nationale Konkurrenzsituation der Fachhochschulen nicht möglich».
Ebenfalls verworfen wurde eine Auslagerung der diversen Labors. Dies würde Forschung und Lehre beeinträchtigen und finanziell nichts bringen.
Zudem wird am Grundsatz, dass der Campus ein Holzbau zu sein hat, nicht gerüttelt. Nicht nur entspricht die Verwendung von Holz dem politischen Willen des Kantonsparlaments, es wäre auch ein seltsames Signal, das Departement «Architektur, Holz und Bau» nun plötzlich in ein Betongebäude zu stecken.

Worauf verzichtet wird
Allerdings soll nun reichlich Holz gespart werden. So wird etwa die Fassadenkonstruktion vereinfacht:Statt eines horizontal dreiteiligen Aufbaus wird diese nur noch zweiteilig sein – eine Schicht Holz wird eingespart. Die engmaschige Deckenstruktur in Form von Schweizer Kreuzen wird vereinfacht – statt vieler kleiner Kreuze gibt es nun weniger, dafür grössere. Liftschächte und Fluchttreppenhäuser werden in Beton erstellt statt in Holz, die freistehenden Wendeltreppen werden vereinfacht, die Tragkonstruktion der Dachaufbauten wird in Metall erstellt.
Gewichtig ist der Verzicht auf eines der beiden Geschosse der Einstellhalle. Die wegfallenden Parkplätze sollen im benachbarten Coop-Parkhaus angemietet werden, dazu sind Verhandlungen im Gang. Weiter verzichtet man auf eine eigene Energiezentrale – der Campus wird nun doch an das Seewasser- und Fernwärmenetz angeschlossen, der Vertrag mit dem Energieservice Biel ist im Dezember unterzeichnet worden.
Weitere Einsparungen werden bei der Innenausstattung realisiert, von der Beschaffenheit von Wänden bis eben zur Anzahl der Steckdosen.

Was sonst noch ändert
Nicht nur die Totalunternehmer, auch der Bericht Dietziker übte Kritik an der Art der Beschaffung (das BTberichtete). Die Ausschreibung definierte zu viele Details zu eng, so dass die Totalunternehmer kaum mehr Spielraum hatten. Die neue Ausschreibung soll nun «möglichst funktional» erfolgen. Vereinfacht gesagt:Die Totalunternehmer haben die Lösung zu bieten, wie genau sie dazu kommen, ist offen. Der Kanton strebt nun ein «Dialogverfahren» an. Dafür muss der Kanton allerdings noch die rechtlichen Grundlagen schaffen, der Grosse Rat wird sich voraussichtlich in der Märzsession damit befassen.
Auch zum Holz wird sich das Kantonsparlament noch einmal äussern müssen. Baudirektor Neuhaus wird nämlich in der neuen Ausschreibung auf eine Herkunftsvorgabe verzichten. Bedingung bleibt jedoch, dass das Holz aus «nachweislich nachhaltig bewirtschafteten Wäldern» kommt – diese müssen aber nicht im Kanton Bern sein. Ziel ist es, so die Marktpreise für das benötigte Holz zu kennen: «Es ist dann Sache des Grossen Rats zu entscheiden, welches Holz verbaut werden soll», so Neuhaus.

Was dies spart – und kostet
All diese und weitere Massnahmen (etwa der Verzicht auf Minergie-Eco-Standard) bringen Einsparungen in der Höhe von 30 bis 45 Millionen Franken. Eine genauere Zahl lasse sich noch nicht nennen, so Neuhaus. Trotzdem wird der Campus Biel teurer als ursprünglich geplant. Neuhaus hütet sich nach seinen Erfahrungen mit dem «Fluch der ersten Zahl», genauer zu werden. Zu rechnen sei mit Mehrkosten «im höheren zweistelligen Millionenbereich». Ein neuer Kostenvoranschlag soll im Sommer vorliegen. Es ist dann am Grossen Rat, über diese Mehrkosten zu befinden.

Wann gebaut wird
Im Idealfall, wie er sich jetzt präsentiert, spricht der Grosse Rat im nächsten Jahr den Zusatzkredit und es kann mit dem Bau begonnen werden. Der Bezug des Campus’ wäre dann für das Jahr 2025 vorgesehen, drei Jahre später als in der bisherigen Planung. Dazu müssten aber auch die juristischen Streitigkeiten rund um die Enteignung des Besitzers des letzten noch stehenden Hauses auf dem Campus-Gelände noch in diesem Jahr geklärt werden. Mit Blick auf die bisherige Geschichte – der Hausbesitzer nutzte bislang jede Möglichkeit zur Verzögerung – ist hier ein grosses Fragezeichen zu setzen. Das Szenario des schlimmsten Falles sieht denn auch deutlich pessimistischer aus: Der Baubeginn könnte erst 2026 möglich sein, der Bezug im Jahr 2029.

 

 

 

«Wir können nicht jeden einzelnen Stamm am Waldrand abholen»

Gute Mittelklasse, aber kein Luxus: So soll der Campus nach der Neuplanung werden, sagt Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP).

Christoph Neuhaus, Sie betonen, der Campus Biel sei nicht als Luxusbau geplant gewesen. Nun sind die Einsparungen aber teils dekorativer Art, wenn Schweizerkreuze an der Diele einfacher gestaltet werden ...
Christoph Neuhaus (unterbricht, ironisch): Ich bin SVPler, ich kann doch nicht sagen, Schweizerkreuze seien ein Luxus!

Ein Teil des Geplanten war offenbar tatsächlich Luxus, wenn man auch nach den Einsparungen einen funktionell den Bedürfnissen entsprechenden Bau hinbringt.
Im Grossen Rat hiess es immer, man brauche ein «Leuchtturmprojekt». Doch um es mit einem Vergleich mit der Autowelt zu sagen: Wir brauchen einen Skoda Kombi mit einem guten Motor, aber keinen Rolls Royce. Darum konnten wir auf das Eine oder Andere verzichten, die BFH hat dazu Hand geboten. Das ist auch bei der Fassade so: Sie funktioniert auch zweiteilig, sie muss nicht zwingend dreiteilig sein. Wir haben alles kritisch hinterfragt, aus den Blickwinkeln Architektur, Wirtschaftlichkeit und Bildung. Diese drei Elemente haben wir miteinander verschmolzen.

Der präsentierte Zeitplan rechnet im Best-Case-Szenario mit einer Klärung der laufenden Rechtsfragen noch in diesem Jahr. Haben Sie Anzeichen dafür, dass der sich mit allen juristischen Mitteln wehrende Hausbesitzer einlenken wird?
Ich hoffe es. Doch was genau passieren wird, wird die Zeit weisen.

Er hat bislang jede Möglichkeit zur Verzögerung genutzt.
Das ist so. Mehr kann ich nicht sagen, diese Frage muss man ihm stellen.

Sie haben betont, in Biel hätten «alle Beteiligten – nicht nur meine Leute – Fehler gemacht». Wen meinen Sie damit?
Ich meine damit die Planer, eben nicht nur jene im AGG, sondern auch die externen; die Büros, welche die Kosten berechnet haben – es halfen diverse Akteure mit, dass es in die falsche Richtung ging.

Und die Stadt Biel? Was die Parkplätze betrifft, hat sie sich offenbar mit Coop überworfen?
Dazu kann ich nichts sagen.

Beim Holz hat man nun die Herkunftsanforderungen abgeschwächt. Bedeutet dies, dass kaum mehr Holz aus dem Kanton Bern verwendet werden wird, wenn die Kosten im Griff behalten werden sollen?
Das stimmt so nicht. Die Frage ist einfach, zu welchen Konditionen die Berner Anbieter offerieren werden. Ob sie konkurrenzfähig sind, hängt davon ab, wie viel Holz auf dem Markt verfügbar ist. Wir werden aber sicher nicht jeden einzelnen Stamm am Waldrand abholen und erst in die Sägerei und dann nach Biel fahren können.

Dieser Punkt ist also ein Druckmittel gegenüber den Berner Anbietern – wenn sie verkaufen wollen, müssen sie dies zu Preisen tun, die man auch anderswo angeboten kriegt.
Wir drücken nicht, sondern wir schaffen Transparenz. Wir zeigen genau auf, was Berner Holz kostet und welche Konsequenzen es hat, wenn man es anderswo kauft. Berner Holz ist dem Grossen Rat offenbar viel wert, also will ich den genauen Preis wissen.

Es ist eine der Lehren aus dem Campus-Debakel, dass das AGG aufgestockt werden soll. In welchem Umfang?
Da sind wir noch in den Diskussionen, der Regierungsrat wird auch noch die anstehenden Projekte priorisieren müssen. Das AGG ist bereits mit den bestehenden bis über den Hals mit Arbeit eingedeckt. Im Budgetprozess werden wir definieren, wie sehr wir das Personal ausbauen können. Das hängt aber eben auch davon ab, was im Kanton zusätzlich gebaut werden soll.

Nach der Coronakrise wird die Finanzlage des Kantons nicht besser sein als heute. Werden nachträglich weitere Einsparungen nötig sein bei den weiteren Projekten in Bern und Burgdorf?
Der Staat hat stets auch in die Infrastruktur zu investieren, in die Bildung, die Sicherheit und die Verkehrsinfrastruktur. Das Parlament wird zu entscheiden haben, was uns dies wert ist. Der Kanton Bern wird dieses Jahr um mehrere hundert Millionen Franken im Minus sein.
Interview:tg
 

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