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BLS-Werkstätte

Harsche Kritik am Verfahren und am Standort Chliforst-Nord

Bund und Kanton hätten den Standort Chliforst-Nord nicht ohne die Regionalkonferenz wählen dürfen, schreibt der emeritierte Rechtsprofessor Enrico Riva in einem Gutachten.

Umstritten: So stellt sich die BLS ihre neue Werkstätte im Gebiet Chliforst-Nord vor. Bild: PD

Stephan Künzi

Bund und Kanton haben bei der Standortwahl für die umstrittene BLS-Werkstätte gleich mehrfach geltendes Recht verletzt. Diesen Schluss zieht Enrico Riva, emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Uni Basel, in einem Gutachten.

Die Regionalkonferenz Bern-Mittelland hatte die Expertise im Namen ihrer 79 Mitgliedsgemeinden in Auftrag gegeben, weil sie mit dem geplanten Neubau auf der grünen Wiese im äussersten Westen der Stadt Bern alles andere als glücklich ist. Es könne nicht sein, dass das in der regionalen Planung als wertvolle Natur-, Gewässer- und Kulturlandschaft bezeichnete Gebiet Chliforst-Nord nun hinterrücks mit einem solchen Projekt belastet werde, monierte sie schon im Sommer.

Entsprechend fühlt sie sich bestätigt in ihrer Kritik, wie Thomas Hanke als Präsident der Geschäftsleitung festhält. Das Gutachten zeige auf, dass die Regionalkonferenz eng ins Verfahren hätte eingebunden sein sollen. Stattdessen sei sie aussen vor geblieben. Riva, betont Hanke noch, sei ein renommierter Fachmann auf seinem Gebiet. «Von einem Partei- oder gar Gefälligkeits gutachten kann man sicher nicht reden.»

Ein Interessenkonflikt
In seinem 28-seitigen Papier weist Riva zuallererst auf die besondere Rolle der Regionalkonferenz hin. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft sei sie für die gemeindeübergreifende Raumplanung in ihrem Gebiet zuständig. Dass sie in die Suche nach dem Werkstättenstandort nicht mit einbezogen worden sei, widerspreche dieser Bestimmung genauso wie die Tatsache, dass sie später mit ihrer Kritik an der Lösung Chliforst-Nord nicht gehört worden sei. Man werde den Eindruck nicht los, dass Bund und Kanton den von der BLS gefällten Entscheid mehr oder weniger durchgewinkt hätten. Damit sei «das Wesensmerkmal einer Planung – die prinzipielle Offenheit des Ergebnisses – verletzt worden».

Diesen Verdacht schöpft der Experte unter anderem aus dem Bericht, in dem der Kanton das Echo aus der Mitwirkung zusammengefasst hat. Die geballte Kritik sei nur in «äusserster Kargheit und Kürze» wiedergegeben worden. Das hinterlasse den Eindruck, man habe «die deutlich überwiegende Ablehnung des Vorhabens so unscheinbar wie möglich zur Darstellung bringen und jede Publizität darüber vermeiden wollen».

Gleichzeitig bekommt auch der Bund sein Fett ab. Er habe es unterlassen, sich ein eigenes Bild zu machen, was angesichts der deutlichen Kritik der Regionalkonferenz zwingend gewesen wäre. Dass er sich stattdessen die Meinung des Kantons zu eigen gemacht habe, sei noch aus einem anderen Grund problematisch: Als Schirmherr über die Raumplanung auf der einen und Mehrheitseigner der BLS auf der anderen Seite befinde sich der Kanton «in einem offenkundigen Interessenkonflikt».

Weitere Kritikpunkte sind eher inhaltlicher Art. So bemängelt Riva, Fragen der Erschliessung seien nur rudimentär oder gar nicht angeschnitten worden. Wasser- und Abwasserleitungen kämen im Verfahren überhaupt nicht vor – dabei werde in einer Werkstätte, in der Züge gewaschen würden, der Wasserverbrauch sicher hoch sein.

Dann erinnert er noch an das neue, schärfere Raumplanungsgesetz, das Bauvorhaben auf der grünen Wiese nur noch als Ausnahme zulässt. Ein Schienenstrang, der von A nach B führe, sei an den Standort gebunden und damit weiterhin möglich. Anders lägen die Dinge bei einer Werkstätte. Es reiche nicht mehr aus, den Standort Chliforst-Nord allein mit tiefen Kosten oder einer leichten Verfügbarkeit des Bodens zu begründen. Und dass sich Bern am Alternativstandort in Niederbottigen eine allfällige Stadterweiterung nicht verbauen wolle, zähle als Argument ebenfalls nicht mehr.

Nun die Einsprache?
Wie die Kritik bei den Angesprochenen ankommt? Gar nicht. Der Kanton weise sie zurück, schreibt SP-Regierungsrätin Evi Allemann. Riva komme nämlich trotz allem zum Schluss, dass die Standortwahl «mehrheitlich korrekt» verlaufen sei. Dem Gutachter hält sie entgegen: Der Regionalkonferenz komme im Verfahren zwar ein Mitwirkungs-, nicht aber ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Mitwirkung sei ausreichend dokumentiert und die Standortgebundenheit nachgewiesen worden. Die Details zu den Wasser- und Abwasserleitungen schliesslich müssten erst im Baubewilligungsverfahren geregelt werden.

Auch der Bund will von der Kritik nichts wissen, und auch er verweist für die Details auf dieses Verfahren, das erst noch bevorsteht. Ob die Regionalkonferenz dann Einsprache machen wird, ist noch offen.

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