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Ruedi Noser

Replik: Warum die Technologie hinter Bitcoin für die Schweiz eine Chance ist

Wir müssen die Blockchain-Technologie erst verstehen, bevor wir sie kleinreden. Denn sie führt zum Internet
des Vertrauens.

Ruedi Noser, Bild: Keystone
  • Dossier

Facebook hat uns letzte Woche geschockt: Das soziale Netzwerk ist ein mächtiger Datenkrake geworden, das die Daten der Nutzer kontrolliert. Wie wäre es, wenn es eine neue Generation des Internets gäbe, das dem Nutzer die Kontrolle zurückgibt? Wie wäre es, wenn wir im Internet ohne einen Intermediär Handel treiben und Geld tauschen könnten? Die Blockchain-Technologie bietet dieses Potenzial. Aber viele wollen diese Opportunitäten gar nicht erforschen. Sie nehmen nur die Risiken wahr und werfen den zuständigen Bundesräten, die sich mit der Technologie der Zukunft auseinandersetzen, gar Naivität vor.

Blockchain funktioniert wie eine Datenbank, die Tatsachen an verschiedenen Stellen aufzeichnet. Zum Beispiel: Wer, wem, was bezahlt hat, aus welcher Fabrik ein Produkt stammt, wem was gehört. Die Blockchain-Technologie wird das Internet in eine neue Ära bringen; es wird nicht mehr ein Internet der Daten sein, sondern ein Internet der Werte oder des Geldes. Und ein Internet des Vertrauens. Über eine solche Blockkette könnte ich Geld direkt, sicher und schnell zum Beispiel von mir zu Ruedi Strahm überweisen, ohne Bank oder Kreditkartenunternehmen.

Diese Blockkette lässt sich denn auch für viel mehr als für Kryptowährungen programmieren. Im Unterschied zum Web 2.0, auf dem Facebook & Co. basieren, werden die Daten in einer Blockchain jedoch dezentral gesichert. Ein Missbrauch, wie er bei Facebook ans Licht gekommen ist, wäre auf einer Blockchain nicht denkbar.

 

Mitten in der Schweiz erfunden
Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit Johann Schneider-Ammann und Ueli Maurer zwei Bundesräte haben, die das Potential der Blockchain-Technologie sehen und erst verstehen wollen, wie wir das zu unserem Vorteil nützen können, bevor wir es verteufeln. Die Schweiz hat sich in den letzten drei Jahren zum führenden Standort für Blockchain- und Cryptofinance-Technologie entwickelt. Im «Crypto Valley» zwischen Zug und Zürich, aber auch anderswo haben sich bereits über 350 Firmen aus dieser Branche niedergelassen. Die Blockchain-Technologie wird heute mitten in der Schweiz erfunden. Es ist nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich, dass das eine oder andere Startup im «Crypto Valley» dereinst in der Liga von Google, Facebook oder Amazon spielen wird.

Ganz bestimmt wird die eine oder andere Kryptowährung wieder im Bodenlosen versinken. Als Anlageklasse sind sie auch nicht für alle Anleger geeignet. Das haben Staatssekretär Jörg Gasser und Finma-Chef Mark Branson öffentlich klar gesagt. Deswegen müssen wir aber nicht aufhören, den Nutzen der Blockchain-Technologie zu erforschen. Das begrüssen und unterstützen die beiden obersten Regulatoren nämlich auch.

Wenn ich mich hier für die Bitcoin-Blockchain stark mache, dann orientiere ich mich nicht in erster Linie an ihren Blüten, sondern an ihren Wurzeln. Die Blockchain ist öffentlich, und jeder kann sehen, wie die Transaktionen ablaufen. Das dürfte auch Verbrechern nicht entgangen sein. Die Transparenz der Blockchain, die Zugänglichkeit, ihre Unveränderbarkeit in Bezug auf Abrechnung und Zeitstempel ermöglichen unseren Regulierungsbehörden vollständigen Einblick in das Geschehen. Die Bitcoin-Blockchain ist entgegen den Vermutungen von Herrn Strahm dabei als radikal-transparentes System aufgebaut. Zudem sind auch bei den neuen Kryptowährungen die geltenden GwG-Vorschriften jederzeit einzuhalten.

 

Die Nutzer investieren
Es ist ein politischer und ökonomischer Anachronismus, wenn Rudolf Strahm bei der (Bitcoin-) Blockchain, die als quelloffenes Geschenk an die Menschheit gedacht ist, den Intermediär Bank vermisst und beim ICO das grösste Missbrauchspotential, weil primär getrieben durch kriminelle Energie. Wer heute Kapital auftreiben muss, braucht einen langen Atem. Im Falle eines Börsengangs sind viele regulatorischen Hürden zu nehmen, was faktisch nur grosse Unternehmen können. Bei Private Equity ist der Unternehmer genötigt, bei Geldgebern Klinken zu putzen, um dann im Erfolgsfall sein Herzblut dem Investor abzutreten. Ein Initial Coin Offering (ICO) ist anders. Hier wird die eigene Community zu Investoren.

Es sind somit nicht «Finanz- und Internet-Gambler», wie Strahm schreibt, es sind die künftigen Nutzer, die von Beginn an investieren und somit fest an diesen Case glauben. Natürlich gibt es aus Käufersicht Risiken. Sie beginnen bei dem Projektteam und enden beim Wert eines Geschäftsmodells. Wir befinden uns aktuell in einer Experimentierphase. Wo die Reise genau hingeht, wissen wir nicht. Aber das wussten wir Mitte der 90er-Jahre in Bezug auf das Internet auch nicht.

Herr Strahm äussert sich ohne jegliches Verständnis und mit rudimentärem Basiswissen zu einem Thema, das in der Schweiz von Bund und Branche mit grosser Seriosität, profundem Fachwissen und mit viel Engagement bearbeitet wird, um die Chancen und Risiken zu erkennen, aber auch um das grosse Potential dann für die Schweiz nutzbar zu machen. Seine Aussagen sind destruktiv und stehen in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Vorgängen, Fakten und Gegebenheiten.

In der Bundesverwaltung gibt es eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen, die sich den regulatorischen Herausforderungen von Blockchain und ICOs annimmt. Parallel dazu hat sich aus privater Initiative eine Taskforce formiert, der über 50 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft angehören. Weil der Bundesrat die Relevanz sowohl der Materie wie auch der Taskforce-Teilnehmer anerkennt, hat er sein Patronat über die Taskforce gestellt.

Ich bin sehr froh über die unternehmerische und positive Einstellung unserer Bundesräte. Wir müssen die Blockchain-Technologie erst verstehen, bevor wir sie kleinreden. Neben dem «Crypto Valley», das sich als eigenständiges Ökosystem entwickelt, sind es genau solche Positionsbezüge der Politik, welche der Schweiz ihren Platz als offenen und innovativen Forschungs- und Technologiestandort in der Welt sichern werden.

Info: Ruedi Noser ist FDP-Ständerat und Unternehmer im ICT-Bereich. Zu seiner Noser-Gruppe gehört auch die Bieler Akros AG.

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