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100-Tage-Bilanz

So will der neue BLS-Chef Baustellen anpacken

Daniel Schafer will die zahlreichen Probleme des Bahnunternehmens BLS angehen. Doch seine Auslegeordnung nach seinen ersten 100 Tagen im Amt lässt einiges offen.

Daniel Schafer, Bild: Christian Pfander

Carlo Senn

Daniel Schafer steht nun seit 100 Tagen an der Spitze des krisengeschüttelten Berner Bahnunternehmens BLS. Der ehemalige Chef des Stadtberner Energieunternehmens Energie Wasser Bern (EWB) folgte auf Bernard Guillelmon, der im Oktober 2020 zurückgetreten war. Übergangsweise hatte Vizechef Dirk Stahl das Unternehmen geführt.

Die Liste der Baustellen des neuen Chefs ist lang. Die unschöne Subventionsaffäre, der schwelende Blausee-Skandal, Kostenexplosion beim Lötschbergtunnel, Widerstand gegen eine Werkstatt im Berner Chlyforst. Zudem führt die Coronakrise beim Berner Bahnunternehmen zu grossen Einbrüchen bei der Auslastung der Züge.

Gestern hat sich Schafer in einer Videokonferenz vor Journalisten dazu geäussert, wie er die Probleme angehen will.

 

Rasche Klärung des Subventionsskandals

Die Leitung des Berner Bahnunternehmens hat gegenüber dem Bund und mehreren Kantonen während mehrerer Jahre nicht alle Halbtax-Einnahmen im Libero-Tarifverbund offengelegt. Damit erhielt das Unternehmen zwischen 2012 und 2019 rund 40 Millionen Franken zu viel an Subventionen. Der vorherige BLS-Chef begründete seinen Abgang direkt mit dieser Affäre. Schafer möchte dieses Kapitel nun so rasch als möglich abschliessen und das zu viel bezogene Geld zurückzahlen, wie er sagt. Er sei froh, dass man dieses «düstere Kapitel» hinter sich lassen könne.

Es soll auch nicht wieder vorkommen. «Die BLS hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt», sagt Daniel Schafer. Konkret setzt die BLS künftig auf mehr Kontrolle. Insbesondere ein neues technisches System soll bei der Berechnung der Offerten genauer überprüfbar sein. Das neue System soll 2022 greifen.

Der Subventionsskandal nahm mit Postauto seinen Anfang und hat mittlerweile neben der BLS auch noch weitere öffentliche Verkehrsunternehmen erfasst: Die Freiburgischen Verkehrsbetriebe, die Bus Ostschweiz AG und die Standseilbahn St-Imier–Mont-Soleil im Berner Jura haben unberechtigte Subventionen bezogen.

 

Blausee-Skandal ist in Aufarbeitung

Letztes Jahr machten Journalistinnen und Journalisten der «Berner Zeitung» und der SRF-«Rundschau» den Umweltskandal beim Blausee publik. Tonnenweise lag teils giftiger Altschotter aus der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels illegal im Steinbruch. Der Skandal ist nicht aufgearbeitet, dies sei jedoch in Arbeit, so Schafer: «Derzeit findet ein runder Tisch mit allen Beteiligten statt.» Man habe sich darauf geeinigt, sich im ersten Quartal 2022 zu äussern.

Das Bahnunternehmen will weiterhin eine Werkstatt im Berner Chlyforst-Nord bauen. Der Standort in einem Waldgebiet westlich von Bern ist insbesondere bei Anwohnern und Landschaftsschutz-Organisationen sehr umstritten. Nun drängt die Zeit: «Wenn wir bis 2027 keinen Neubau haben, geraten wir in eine Service- und Reparaturlücke», so Schafer.

Es gebe derzeit zwar eine Übergangslösung, diese sei aber nicht langfristig möglich. Man habe zwar versucht, die Stadt Bern und die verschiedenen Interessengruppen mit einzubeziehen, sagt Schafer. «Wir spüren jedoch weiterhin einen grossen Widerstand gegen das Projekt», hält er fest. Die BLS möchte somit im Dialog bleiben und glaubt, dass eine Realisierung weiterhin möglich ist.

 

Fernverkehr soll Gewinn abwerfen

Die Fernverkehrsverbindungen der BLS bringen dem Unternehmen derzeit noch keinen Gewinn. Dies räumte Schafer auf Nachfrage ein. In Zukunft soll sich das ändern. Die BLS betreibt die Strecken Bern–Biel, Bern–Burgdorf–Olten, Bern–Neuenburg und Neuenburg–La Chaux-de-Fonds.

Die SBB waren vor zwei Jahren noch ein erbitterter Konkurrent im Kampf um den Fernverkehr. Dies hat sich geändert, seit sich die beiden Bahnunternehmen geeinigt haben. «Wir werden keinen Kampf mehr um Konzessionen führen», so Schafer. Weiterhin gibt es nur eine Konzession für den Fernverkehr, nämlich die der SBB. Diese Zusammenarbeit anstelle von Konkurrenz favorisiert auch der Bundesrat.

 

Totalsanierung am Lötschberg

Die BLS will den gesamten Lötschberg-Bahntunnel zwischen Kandersteg und Goppenstein sanieren. Die Erneuerung des alten Scheiteltunnels wird deutlich teurer als angenommen. Anstelle von gesamthaft 105 Millionen Franken dürfte sie nun 158 Millionen kosten. Aus Spargründen wollte die BLS eigentlich vorläufig auf die Erneuerung eines Teils des doppelspurigen Tunnels verzichten.

 

Anpassung an veränderte Reisegewohnheiten

Mitte Mai verkündete die BLS noch stolz die Beschaffung der neuen Mika-Züge. Die 58 einstöckigen Niederflurzüge von Stadler Rail (Kostenpunkt 650 Millionen Franken) ersetzen schrittweise die älteren Modelle.

Derzeit sind jedoch wegen der Pandemie weder die alten noch die neuen Züge der BLS ausgelastet. Deshalb ist das Unternehmen laut Schafer weiterhin auf staatliche Finanzhilfen angewiesen. Ende November 2021 habe die Auslastung etwa 80 Prozent des Niveaus von 2019 betragen. Klar ist, dass Massnahmen einen starken Einfluss auf das Reiseverhalten der Bevölkerung haben.

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