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Elektrotechnik

Wenn Forschen zum Hobby wird

Die Bieler Florian Baumgartner und Luca Jost sind für den nationalen Wettbewerb «Schweizer Jugend forscht» nominiert. «SmartDigi» heisst das Gerät, das sie in ihrer Freizeit entwickelten.

Digitale Einkaufsliste erstellen: Florian Baumgartner und Luca Jost mit ihrer Erfindung. Bild: Peter Samuel Jaggi

Manuela Schnyder

Einfach den Strichcode des leeren Milchbeutels, des Joghurts oder der Cornflakespackung an das Gerät halten und die Produkte erscheinen auf dem Display. Anschliessend kann man die digitale Liste per Knopfdruck ausdrucken oder sich per SMSaufs Handy schicken lassen. Das Gerät heisst «SmartDigi» und soll den Alltag erleichtern. Anstatt mühsam von Hand eine Einkaufsliste zu erstellen, können die aufgebrauchten Lebensmittel vor dem Entsorgen beim «SmartDigi» eingescannt werden.

«Wir haben uns von den elektronischen Kassen in den Supermärkten inspirieren lassen», erklärt Florian Baumgartner, der den Apparat zusammen mit Luca Jost in der Freizeit während ihrem vierten Lehrjahr an der technischen Fachschule BBZ in Biel entwickelte. Sie hätten sich gefragt, ob so eine digitale Lösung nicht auch für die Einkaufsliste möglich sei. Die Strichcodes seien in einer öffentlichen Datenbank hinterlegt und würden per Scan von dort abgerufen. Für Früchte, Gemüse oder Brot, die keinen Strichcode haben, haben die Studenten eine Sprachsteuerung eingebaut. Nun steigt «SmartDigi» ins Rennen um den ersten Platz beim nationalen Wettbewerb 2019.

«Das sind schon Cracks»
Die technische Fachschule BBZ in Biel ist sichtlich stolz auf ihre ehemaligen Ausnahmeschüler:In einer Glasvitrine sind ihre Forschungsarbeiten ausgestellt. Auf einem Tablar der Flugkörper von Luca Jost, den er einst für einen Wettbewerb der Europäischen Weltraumorganisation ESA (European Space Agency) entwickelte, auf einem anderen Tablar die Auszeichnung von Florian Baumgartner von den Swiss Skills, bei denen er 2016 Silber und 2018 Gold holte. Damit gewann er das Ticket zur Teilnahme an den diesjährigen WorldSkills in Kazan. «Das sind schon Cracks», sagt Claude Rieder, Lehrmeister an der Schule. Die jährlichen schulinternen Wettbewerbe hätten sie drei Jahre hintereinander für sich entschieden, entweder gemeinsam oder in anderen Teams. Die Jungs arbeiteten oft abseits der Schule an ihren Ideen oder auch in der Lehrstätte, wenn sie früher mit den Schulaufgaben fertig waren.

Vielleicht Coop oder Migros?
Ob man die digitalisierte Einkaufsliste nicht auch direkt an die Supermärkte schicken und die Waren bestellen könne? «Ja, das wäre theoretisch möglich und die logische Weiterentwicklung», sagt Baumgartner. Sie hätten dafür eine Website eingerichtet, auf der man die Einkaufsliste abrufen könne. Der Wettbewerb werde zeigen, ob die Idee ankomme und vielleicht auch Migros oder Coop Interesse hätten. Allerdings wird «SmartDigi» von zahlreichen Apps konkurrenziert, auf denen ebenfalls elektronische Einkaufslisten erstellt und geteilt werden können. Wie Jost erklärt, ist ihre Idee aber praktikabler. Die Hürde sei grösser, das Handy zu zücken, die App zu öffnen und den Artikel zu scannen, als ihn kurz ans Gerät zu halten, bevor man ihn wegwirft. Das Gerät könne in der Küche an der Wand festgemacht werden und sei damit vor allem für Wohngemeinschaften und Familien ein perfektes Hilfsmittel, weil es alle eingescannten Artikel der Mitbewohner zusammenträgt. Auch für Hausfrauen und -männer, die noch gerne mit einem Zettel einkaufen gehen, sei das eine gute Lösung, weil man die Einkaufsliste wie eine Quittung direkt im Gerät aus drucken könne.

An «SmartDigi» haben die Jugendlichen in ihrer Freizeit gearbeitet. Sie könnten nicht mehr sagen, wie viele Stunden sie gebraucht hätten, aber sicher mehrere hundert, sagt Jost. Die Aufgabenteilung zwischen den beiden Freunden war klar: Jost ist der Programmierer und hat für das Gerät mehrere tausend Zeilen Programmcode geschrieben, während Baumgartner für die Hardware, also für das Konzipieren des Geräteaufbaus, das Entwickeln der Elekrtonik sowie das Zusammenbauen der Einzelteile zuständig war.

Ein eingespieltes Team
Die jungen Bieler sind ein eingespieltes Team, haben schon mehrere Projekte zusammen realisiert, viele davon in ihrer Freizeit, und sie tun das immer noch. So ist das Projekt «SmartDigi» nur wegen des Wettbewerbs noch aktuell. Sie hätten sich eigentlich für letztes Jahr angemeldet, aber die Frist verpasst, erklärt Baumgartner. Nun seien sie schon im ersten Studienjahr an der Hochschule für Technik in Rapperswil (HSR) und würden dort in ihrer Freizeit bereits an einem anderen Projekt arbeiten: Einem Bartisch aus intelligenten LED-Lampen, die Animationen zeigen oder reagieren, wenn man ein Glas abstellt. In ihrer Wohnung stehe bereits ein ähnlicher Tisch, auf dem sie «Flipper» spielten.

Die beiden Studenten erinnern ein bisschen an die amerikanische Sitcom «Big Bang Theory»: Sie sind gute Freunde, leben in einer Wohngemeinschaft und tüfteln auch abseits der Schule gemeinsam an Forschungsprojekten und nehmen an Wettbewerben teil. Ob sie auch noch andere Hobbies haben, als an ihren Projekten zu forschen? «Ja schon», sagt Baumgartner. Allerdings sind auch die Hobbies äusserst technisch: Baumgartner produziert elektronische Musik und ist als DJ Fleox ab und zu auf Parties. Jost hingegen ist der Raumfahrt zugetan und bastelt zudem an Drohnen, mit denen er regelmässig an Drohnen-Rennen teilnimmt.

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