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Nationalrat

Werbung darf weiterhin übersprungen werden

Die Drohkulisse von Telecomfirmen und Konsumentenschutz hat gewirkt: Die grosse Kammer hat gestern die umstrittenen Regeln zu Replay-TV gekippt.

Wer beim zeitversetzten Fernsehen die Werbung wegzappen will, dem werden auch in Zukunft keine technischen Hindernisse in den Weg gelegt. Bild: Keystone

Jon Mettler

Das politische Seilziehen um Replay-TV ist zugunsten der Konsumenten ausgefallen. Die grosse Kammer als Erstrat lehnte es gestern mit 182 zu 6 Stimmen und bei 9 Enthaltungen ab, beim zeitversetzten Fernsehen ein Werbespulverbot im dafür vorgesehenen Urheberrechtsgesetz zu verankern. Der Nationalrat vollzog damit eine Kehrtwende.


«Bonanza» verpasst
Der Aargauer Grünliberale Beat Flach stellte in der Debatte fest, für die Jungen sei lineares Fernsehen etwas von vorgestern. Sie wüssten gar nicht, mit welchen Schmerzen das früher verbunden gewesen sei, wenn man damals eine Folge von «Bonanza» verpasst habe.

Noch Ende Oktober hatte die nationalrätliche Rechtskommission mit 12 zu 9 Stimmen und bei 3 Enthaltungen empfohlen, Regeln zu Replay-TV ins Gesetz zu schreiben. Vor allem die Geschlossenheit von Mitgliedern der SP und SVP sorgte für dieses Resultat. Die Nationalräte folgen oftmals den Empfehlungen der vorberatenden Gremien.

Ein Streitpunkt war der Vorschlag der Rechtskommission, wonach die Fernsehanbieter mit den Sendeanstalten einzeln darüber verhandeln müssen, ob der Zuschauer bei Replay-TV Reklame überspulen kann.

Die Lobby der gebührenfinanzierten und privaten TV-Stationen befürchtete sinkende Werbeeinnahmen. Sender wie die SRG und RTL drangen in Bern mit ihrem Anliegen durch, dass die Ersteller von Inhalten auch darüber bestimmen können, wie diese verbreitet werden.

Dagegen regte sich Widerstand der Telecomverbände und der Stiftung für Konsumentenschutz. Sie rechnen mit höheren Gebühren für die Zuschauer, wenn sich die Sendeanstalten das Überspulen von Werbung fürstlich entgelten lassen. In einem ungewöhnlichen Schulterschluss drohten Konsumentenschutz und Verbände mit einem Referendum, sollte das Parlament die Regelung im Gesetz verankern.

Der Konsumentenschutz ging sogar noch weiter: Die Organisation kündigte mit Blick aufs Wahljahr 2019 an, das Abstimmungsverhalten der Parlamentarier bei Replay-TV transparent zu machen.

Diese Drohkulisse hat die Politiker aufgeschreckt. Im Hintergrund wurde daran gearbeitet, die Lage zu entschärfen. ­Ausschlaggebend für den Meinungsumschwung im Nationalrat war ein Gesprächsangebot von Suissedigital. Damit sei ein Ziel der Kommissionsmehrheit erreicht worden, sagte der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer im Rat. Er ist der Sprecher der Rechtskommission.


«Bevormundende Regelung»
Der Verband der Kommunikationsnetze mit Mitgliedern wie UPC und Quickline signalisierte Anfang Monat Bereitschaft, mit den Fernsehstationen über «gemeinsame Werbeformate» zu verhandeln. Im Gegenzug solle die «Guillotine für Spulfunktionen» bei Replay-TV wegfallen.

Suissedigital und der Konsumentenschutz begrüssen den Entscheid des Nationalrats. Er habe deutlich Nein gesagt zu einer «realitätsfernen und bevormundenden Regelung», so der Konsumentenschutz. Laut Suissedigital hat der Nationalrat «mit Augenmass» entschieden. Als Nächstes befasst sich nun der Ständerat mit dem Urheberrechtsgesetz.

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