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Steuerkonferenz

«Wir befinden uns im Blindflug»

Welche Folgen hat die kommende Steuerreform für die Gemeinden und Unternehmen? Die Bieler Omnitax hat sich dem Thema zu ihrem Jubiläum angenommen.

Robin Luisi, Erich Fehr, Beat Kappeler, Bruno Knüsel, Patrik Hoffmann und Etienne Junod (v.l.) - Anita Vozza

von Esthy Rüdiger


Es sei die wohl grösste Steuerreform, welche die Schweiz je gesehen hat, eröffnet Etienne Junod am Dienstagabend die Steuerkonferenz der Firma Omnitax. Rund 140 Gäste sind der Einladung ins Residenz Au Lac in Biel gefolgt. «Wir sind vom Publikumsaufmarsch überwältigt», so die beiden Omnitax-Partner Etienne Junod und Robin Luisi. Die Konferenz zum 10-Jahr-Jubiläum der Firma stand unter dem Thema «Unternehmenssteuerreform III»(USR III). Ein Thema, das Kantone, Gemeinden und Unternehmen noch lange beschäftigen wird.

Vom Bundesrat beschlossen, steht nun die exakte Ausarbeitung im Parlament bevor – ein komplexes Unterfangen.   Die Redner beleuchten das Thema von vier Seiten: Bruno Knüsel als Steuerverwalter des Kantons Bern, Biels Stadtpräsident Erich Fehr, Volkswirtschaftler Beat Kappeler und Patrik Hoffmann, CEO von Ulysse Nardin.

Die bevorstehende Steuerreform habe in erster Linie das Ziel, den Unternehmensstandort Schweiz zu stärken, so Knüsel. Dazu gehört unter anderem, internationale Konzerne steuertechnisch nicht mehr privilegiert zu behandeln. Um aber Wegzüge zu vermeiden, werden wohl diverse Kantone die Kapitalsteuern für Unternehmen generell senken. Denn:Die Reform wird zwar auf Bundesebene beschlossen, die Umsetzung liegt aber bei den Kantonen. Damit könnte ein verstärkter Steuerwettbewerb losgetreten werden.

Biel drohen Steuereinbussen

Davor ist auch der Kanton Bern nicht gefeit. «Bern wird die Gewinnsteuer in Richtung des interkantonalen Durchschnitts senken müssen», sagt Bruno Knüsel. Dies könnte ein Loch in die Steuereinnahmen reissen.

Ein weiteres Anliegen der Reform:Der Entwicklungsstandort Schweiz soll gefördert werden – mit erhöhten Abzügen für Forschung und Entwicklung. Wie hoch diese ausfallen werden, ist wiederum den Kantonen überlassen. Knüsel sieht auch da ein Problem:«‹Forschung und Entwicklung› ist nicht klar definiert.»
Nachdem er die wichtigsten Reform-Punkte erläutert hat,  schlussfolgert Bruno Knüsel:«Wir befinden uns weitgehend im Blindflug, die Folgen sind nicht absehbar. Wir müssen schauen, aus dem Nebel zu kommen.»

Erich Fehr geht genauer auf die Situation der Stadt Biel ein. Die Stadt wird speziell von der Reform betroffen sein:Der Anteil von juristischen Personen ist in Biel zehn Prozent höher als im kantonalen Durchschnitt. Zudem schwanken die Einnahmen der Gemeindesteuern bereits heute stark. Denn:In Biel sind viele Produktionsfirmen ansässig und diese wiederum stark vom Export abhängig. Das schlägt sich auch in den Steuereinnahmen nieder.

Auch der Kapitalsteuersenkung sieht Fehr kritisch entgegen. In Biel hätte das grosse Steuereinbussen zur Folge. «Die Erträge brechen weg ohne dass die Gemeinde etwas entscheiden kann», so Fehr. Im Einzelfall könne dies dramatisch sein. Der Bund und der Kanton sollten deshalb endlich ernsthafte Kompensationen anstreben, sagt Fehr, sonst drohe ein Scherbenhaufen. «Biel wehrt sich nicht dagegen, aber wir sind in einer sehr schwierigen Situation», schliesst Fehr ab.

«Eine Chance, keine Gefahr»

Stellvertretend für die Unternehmen und damit als Exot in der Runde sprach Ulysse-Nardin-CEO Patrik Hoffmann. Steuern zu bezahlen sei für sein Unternehmen in erster Linie Aufwand. «Es schlägt auf die Bilanz und beeinträchtigt die liquiden Mittel.» Er selbst hat es bei Ulysse Nardin erlebt, was es heisst, von einem internationalen Konzern aufgekauft zu werden. «Die Familienunternehmen sind fast ganz aus der Uhrenbranche verschwunden.» Und dennoch zeigt sich seiner Meinung: «Wer innovativ bleibt, überlebt.» Genau diese Innovationskraft soll mit der USR III künftig auch steuertechnisch belohnt werden.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht betont Beat Kappeler hingegen die Wichtigkeit des Steuerwettbewerbs. «Wenn er denn alle Steuersubjekte gleich behandelt.» Sein Vorschlag, die drohenden Einbussen zu kompensieren: Der Bund solle selbst zurückstehen und seine Besteuerung senken. Dies gäbe den Kantonen Spielraum.

Gesamtwirtschaftlich werde aber die Schweiz international deutlich wettbewerbsfähiger. Sein Fazit fällt positiv aus:«Es ist eine Chance, nicht eine Gefahr.» Und schmunzelnd fügt er an: Wir müssen nicht unerbittlich gut sein, nur besser als die anderen!»

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«Moralvorstellungen haben sich stark verändert»

Blicke man auf die letzten zehn Jahre zurück, sei das Steuergeschäft immer anforderungsreicher geworden, sagt Robin Luisi, einer der beiden Partner von Omnitax. Verhilft dieser Umstand der Firma für Rechts- und Steuerberatung denn nicht auch zu Kunden? Womöglich. «Tatsächlich ist dies aber auch für uns eine grosse Herausforderung», sagt Etienne Junod. Die regulatorischen Anforderungen würden immer komplexer und umfangreicher. «Kaum ist etwas umgesetzt, kommt schon das nächste.» Luisi nennt es eine «Veramerikanisierung»:Alles «überregulieren» zu wollen, damit jemand haftbar gemacht werden könne. «Das kann nicht im Interesse der Wirtschaft sein.»

Auch die moralischen Vorstellungen, was Besteuerung angeht, hätten sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Was um die Jahrtausendwende den damaligen gesetzlichen Grundlagen und geltenden Steuerpraxis entsprochen habe, gelte heute nicht mehr. «Da hat ein riesiger Wandel in der Gesellschaft und der Gesetzgebung stattgefunden. Daran passen wir auch unsere Beratungen an», sagt  Junod.

Auch haben sie festgestellt, dass man heute früher, etwa zu Beginn einer Umstrukturierung, Rechts- und Steuerberatung einbezieht, um unnötige Steuerfolgen auszuschliessen. Das Bedürfnis von internationalen Unternehmen an Steuerberatung sei  immer schon gross gewesen. Im heutigen wirtschaftlichen Umfeld dürfe dies aber auch von kleineren Firmen nicht mehr vernachlässigt werden.

 

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