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Migros Aare

«Wir kommen wohl mit einem blauem Auge davon»

Die Einkaufszentren Shoppyland und Westside verzeichnen wegen Corona Umsatzrückgänge, sagt Anton Gäumann, Chef der Migros Aare. Noch stärker ist die Welle 7 betroffen.

"Die Umsätze in den Supermärkten sind zwar gut, in anderen Bereichen aber müssen wir empfindliche Einbussen hinnehmen." Anton Gäumann am Hauptsitz der Genossenschaft in Schönbühl. Bild: Adrian Moser

Rahel Guggisberg

Anton Gäumann, ist die Migros Aare Gewinnerin oder Verliererin der Krise?

Anton Gäumann: Die Migros Aare ist weder Verliererin noch Gewinnerin dieser Krise. Nach wie vor befinden wir uns in einer ausserordentlichen Situation. Die Migros Aare hat diese Entwicklung früh erkannt. Unser Krisenstab ist immer noch im Einsatz. Er hatte seine Arbeit bereits Anfang Februar 2020 aufgenomen. Die Umsetzung der Schutzkonzepte, wie Zählsysteme und Plexiglaswände, waren und sind immer noch mit einem enormen Mehraufwand verbunden.

 

Welche Folgen hatte die Pandemie für die Mitarbeitenden?

Alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren während des gesamten letzten Jahres stark gefordert. Insbesondere jene in den Filialen und in der Logistik. Denn besonders die Nachfrage nach Produkten des täglichen Bedarfs war während des Lockdown zeitweise bis doppelt so gross wie normalerweise. Somit sind die Umsätze in den Supermärkten zwar gut, in anderen Bereichen aber müssen wir empfindliche Einbussen hinnehmen.

 

Wo denn?

In den grossen Einkaufszentren wie dem Shoppyland in Schönbühl beispielsweise gehen die Umsätze zurück. Wir stellen fest, dass viele Kundinnen und Kunden lieber in kleineren Filialen in der Nähe ihres Wohnortes einkaufen. So haben wir beispielsweise in der Migros Marktgasse in Bern, unserer Innenstadt-Filiale, je nach Phase bis zu 30 Prozent an Umsatz eingebüsst. Ausserdem spüren wir auch die Folgen von Quarantäne-Massnahmen. Mitarbeitende können plötzlich nicht mehr zur Arbeit kommen. Alle diese Aufwände fallen bei rund 150 Filialen und 12 000 Mitarbeitern in der Region der Migros Aare – den Kantonen Bern, Solothurn und Aargau – ins Gewicht. Fast auf null gefallen ist der Umsatz in den Restaurants. Das schmerzt besonders. Denn es gehört zum Einkaufserlebnis dazu, zuerst Lebensmittel zu erwerben und dann noch im Restaurant einzukehren. In den Fachmärkten können wir den Umsatz einigermassen mit Onlineangeboten auffangen. So erfreut sich auch unsere Videoberatung zunehmender Beliebtheit. Dabei werden die Kundinnen und Kunden von unseren Fachmitarbeitenden live beraten und haben so ein Einkaufserlebnis fast wie im Laden.

 

Hat die Migros Aare im vergangenen Jahr wegen Corona rote Zahlen geschrieben?

Die Migros Aare schliesst das Jahr 2020 leicht positiv ab. Die genauen Zahlen publizieren wir Ende März. Wir kommen wohl mit einem blauen Auge davon und können all die Zusatzkosten für die Schutzkonzepte und die Umsatzausfälle in den Fachmärkten und der Gastronomie knapp auffangen.

 

Gibt es Unterschiede zum ersten Lockdown?

Im Frühling hatte die Bevölkerung ein grosses Verständnis für die Massnahmen. Inzwischen ist allgemein eine gewisse Corona-Müdigkeit spürbar. Dennoch halten sich unsere Kundinnen und Kunden grösstenteils gut an die Schutzmassnahmen. Ein grosser Unterschied ist sicher, dass im ersten Lockdown keine Maskenpflicht gegolten hat.

 

In diesem Lockdown dürfen mehr Non-Food-Produkte verkauft werden wie zum Beispiel Pfannen. Oder auch braune Strumpfhosen dürfen angeboten werden, schwarze aber nicht. Was bedeuten diese Regeln für die Migros?

In der ganzen Pandemie braucht es immer wieder viel Flexibilität. Manchmal ändern diese Regeln sehr rasch. Zum Beispiel hiess es einmal, man dürfe Osterartikel verkaufen, am nächsten Morgen galt das schon wieder nicht mehr. Wir machen diesen Verkauf nach bestem Wissen und Gewissen und halten uns dabei an die Regeln von Bund und Kantonen.

 

Ganz ehrlich, ärgern Sie diese Regeln?

Nein. Es geht darum, diese Pandemie so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen. Wir unterstützen alles, was dazu nötig ist. So haben wir uns jederzeit an die Vorgaben des Bundes gehalten. Sich aufzuregen, ist keine gute Strategie.

 

Gab es wieder Hamsterkäufe?

Vereinzelt. Die Leute wussten aber aus dem ersten Lockdown, dass wir den Versorgungsauftrag erfüllen können. Hefe und Backpulver sowie Dosentomaten sind aber wie beim ersten Lockdown wieder stark nachgefragt.

 

Die Migros wollte eigentlich ihren Mitarbeitenden in Kurzarbeit ab Anfang 2021 nicht mehr den vollen Lohnausgleich bezahlen. Nun macht sie es doch. Wieso diese Kehrtwende?

Dieser Entscheid wurde in nationaler Übereinstimmung getroffen, und ich unterstütze ihn voll und ganz. Unser Ziel ist es, so viele Mitarbeitende wie möglich aus den geschlossenen Formaten in anderen Bereichen des Unternehmens einzusetzen. Wir haben aber mehr Ressourcen zur Verfügung, als wir benötigen, Kurzarbeit lässt sich in den Bereichen Freizeit und Bildung sowie in der Gastronomie leider nicht vermeiden.

 

Wie läuft die Welle 7 beim Bahnhof Bern?

Es ist derzeit ein schwieriger Standort: Die Welle 7 ist mehrfach von der Krise betroffen. Die Klubschule ist geschlossen, es gibt keine Meetings, und die Pendler fehlen. Der Supermarkt wird trotzdem so lange wie möglich offenbleiben.

 

Es ist zu hören, dass ein 
Ärztezentrum in die Welle 7 ziehen wird.

Die Lage am Bahnhof ist sicher sehr attraktiv und prädestiniert für ein solches Angebot. Im Moment ist allerdings noch nichts spruchreif.

 

Werden Sie Läden schliessen, die nicht laufen?

Es ist unser Ziel, dass wir alle Läden offenlassen, solange wir das können, auch unter erschwerten Bedingungen. Dafür haben wir entsprechende Vorbereitungen getroffen, indem wir bereits im Frühling einen Ressourcenpool aufgebaut haben, aus welchem Mitarbeitende schnell und unkompliziert in betroffenen Filialen eingesetzt werden können.

 

Die Warenhauskette Globus
ist im Januar im Westside ausgezogen. Auf einem Teil
der Fläche ist nun Decathlon eingemietet. Was passiert auf der Restfläche?

Die Situation im Westside ist zurzeit herausfordernd, weil Kino und Bernaqua geschlossen sind. Der Supermarkt dort läuft aber gut. Auf der Fläche des Globus werden in den nächsten Monaten neue Mieter einziehen, das werden wir dann bei der Wiederöffnung kommunizieren. So konnte beispielsweise Ullrich Weine, der bislang als Pop-up-Store im Westside befristet eingemietet war, nun für einen langfristigen Mietvertrag gewonnen werden. Damit wird die bisherige Weinkompetenz von Globus erfolgreich weitergeführt. Wir achten also bei neuen Mietern darauf, dass die ganze Vielfalt des bisherigen Angebots auch weiterhin bestehen bleibt.

 

Sie wollen die Filiale in der Berner Marktgasse umbauen. Und die Stadt hat mit Marieke Kruit eine neue Verkehrsdirektorin. Gibt es da Neuigkeiten?

Ein Treffen mit der Stadt sollte voraussichtlich im März stattfinden.

 

Also es herrscht Stillstand?

An der Vision, die Liegenschaften zukunftsweisend zu gestalten, um den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, hält die Migros Aare weiterhin fest. Verschiedene Aspekte, wie zum Beispiel die Prüfung neuer Anlieferungsmöglichkeiten mit weiteren Restriktionen oder eingeschränkte Parkmöglichkeiten, verlangen jedoch eine vertiefte Prüfung des Vorhabens. Die ehemaligen Räume der Klubschule haben wir zwischenvermietet, beispielsweise an Fielmann, der momentan seinen Standort umbaut.

 

Die Migros Aare hat in Grenchen einen Voi Cube eröffnet, einen Miniladen ohne Personal. Wie ist das Geschäft angelaufen?

Wir sind mit dem Start sehr zufrieden, das Konzept gefällt grösstenteils. Es gibt sogar Sprinter, die messen, wie rasch sie ihr Sandwich kaufen können. Der Beste hat das in 38 Sekunden geschafft.

 

Wo planen Sie die nächsten Voi-Cube-Filialen?

Wir werten in den nächsten Monaten die ersten Erfahrungen aus, dann wird entschieden, wie und wo wir mit dem Voi Cube weiterfahren.

 

Was sind Ihre nächsten Vorhaben mit der Migros Aare?

Wir haben schon vor der Pandemie eine zunehmende Dynamik im Bereich des Onlinehandels mit Lebensmitteln festgestellt und verschiedene Initiativen gestartet. Durch die Pandemie wurde die Entwicklung beschleunigt. Wichtiger ist aber die Verschmelzung von stationär und online. Wir werden immer dort sein, wo unsere Kunden sind. Unser Ziel ist ein Ansatz, mit dem wir unseren Kundinnen und Kunden über alle Kanäle hinweg ein Einkaufserlebnis bieten. Dafür investieren wir ins Onlinegeschäft, ins bestehende Filialnetz wie auch in neuartige Filialkonzepte.

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