Sie sind hier

Abo

Migros

Wird der Leader entthront?

Sie sind die Königinnen der Küchenschränke: die Ravioli. Zusammen mit den Kunden hat Migros nun ein Dosengericht erfunden, das den Ravioli Konkurrenz machen soll - die Döner-Büx.

Die Döner-Büx: Wird sie so beliebt wie die Ravioli? Noch sieht es nicht danach aus. Bild: zvg

Lotti Teuscher

Gestern, um 11.17 Uhr, hat «20 Minuten Online» die Nachricht aufgeschaltet, um 14.31 Uhr sind bereits 127 Kommentare aufgeschaltet, weitere 80 warten auf die Veröffentlichung. «Absolut eklig», «würd ich nicht mal für meinen Hund kaufen», «mir wird schlecht», «kulinarisch im Keller angekommen», schreiben die User. Zwischen geharnischten Stimmen versucht eine Kommentatorin zu beschwichtigen: «Erst probieren, dann meckern.»

Was, um Himmels willen, hat die User derart in Rage gebracht? Eigentlich etwas Harmloses: Poulet-Kebab, Kartoffeln, Peperoni, Joghurt, Kabis, Zwiebeln und ein wenig Paprika. Die Zutaten landen gemeinsam in einer Büchse, der Döner-Büx, die von Migros analog zur Döner-Box entwickelt wird.

Nun denn: Die Döner-Box, ein Karton, gefüllt mit Pommes frites, Kebabfleisch, Rotkabis, Rübli, übergossen mit ganz viel Sauce, wirkt auch nicht gerade appetitlich. Wer aber in die Gesichter der Essenden schaut, sieht grosse Zufriedenheit, manchmal sogar ein Strahlen - dieses Gericht scheint für manche eine Art Seelennahrung zu sein.

Vielleicht kommt der Zorn daher. Migros greift sich die Seelennahrung und verändert sie.

 

6000 User entschieden

Dafür ist die Genossenschaft allerdings nicht allein verantwortlich; vielmehr sind es die Kunden. 6000 User hatten auf Migipedia.ch entschieden, dass die Döner-Büx ins Sortiment aufgenommen wird. Zweitplatzierte war die Dose mit Fajita-Füllung mit einem hauchdünnen Rückstand von 1,2 Prozent, gefolgt von der weit abgeschlagenen, vegetarischen Chinapfanne.

Keine Chance hatten Fertiggerichte wie Currywurst, Bohnentopf mit Würstchen oder Pot au Feu - insgesamt 18 Gerichte, die von Migros-Kundinnen vorgeschlagen worden waren.

 

Ravioli, die Nummer eins

Der Wettbewerb um das neue Dosengericht hat ein Ziel: «Die Ravioli vom Platz Nummer eins im Küchenschrank zu stossen», sagt Migros-Sprecherin Irene Rolli. Denn die Ravioli Napoli sind seit Jahrzehnten die unbestrittene Nummer eins unter den Dosengerichten. Früher war das Sortiment schmaler, mittlerweile sind sogar vegetarische Ravioli-Varianten erhältlich. «Beliebt in der Büchse sind zudem Linsen mit und ohne Speck sowie weisse Bohnen», sagt Irene Rolli.

Die ersten Büchsenravioli kamen in der Schweiz ab 1946 in die Regale, hergestellt werden sie von der Bischofszell Nahrungsmittel AG im Kanton Thurgau. Damit waren die Schweizer Pioniere.

 

Der Ravioli-Skandal

Denn in Deutschland wurden die mit Paniermehl und Schweinefleisch gefüllten Maggi-Ravioli in Tomatensauce erst zwölf Jahre später lanciert; eine Reaktion auf den beginnenden Massentourismus nach Italien. Allein in Deutschland werden pro Jahr rund 40 Millionen Ravioli-Büchsen geöffnet.

So, wie heute die Döner-Büx auf Widerwillen stösst, erlebten auch die Ravioli harte Zeiten. 1978 machte der «Kassensturz» mit dem «Ravioli-Skandal» erstmals grosse Schlagzeilen. Das Konsumentenmagazin deckte auf, dass für Büchsenravioli auch Innereien und Schweinsköpfe verarbeitet wurden. Der Verkauf des «ekligen Billigproduktes» brach ein.

In der Folge machten immer üblere Gerüchte die Runde. Für die Füllung würden Tieraugen verwendet, erzählten sich die Konsumenten, auch Katzenfleisch werde zu Ravioli verarbeitet. Für einen Bieler Wirt hatte die Gerüchteküche besonders üble Folgen: Man munkelte, dass er die Ravioli-Sauce mit Hundefutter strecke. Manche Stammgäste mieden danach für lange Zeit das Lokal.

Tempi passati. Heute ist der Skandal aus dem kollektiven Erinnerungsvermögen verschwunden. Die Raviolibüchse ist wieder Königin des Küchenschranks.

 

Die Erfindung der Büchse

Bevor die Ravioli in die Büchse kamen, musste allerdings die Konservendose erfunden werden. Anstoss dazu gab Napoleon Bonaparte, der eine Belohnung von 12 000 Gulden versprach für den Erfinder eines Verfahrens, mit dem man Nahrungsmittel haltbar machen konnte. Denn bis dahin gingen die Soldaten plündern, um genug zu essen zu haben.

Die Idee, Nahrungsmittel in luftdicht verschlossenen Behältern zu erhitzen und dadurch zu konservieren, kam dem Pariser Konditor Nicolas Appert. Für die Erfindung des Konservenglases erhielt er im Jahr 1810 die versprochene Belohnung.

Im gleichen Jahr erfand der britische Kaufmann Peter Durand die Konservendose aus Weissblech, die um einiges leichter ist. Während Jahren wurden die Konserven mit Meissel und Hammer geöffnet, 1855 erfand ein Brite den Dosenöffner.

Nun war der Weg frei für die Ravioli. Ob die Italienerin nun von der Türken-Büx vom Sockel gestossen wird, bleibt offen. Ein spannendes Duell wird es aber auf jeden Fall.

Nachrichten zu Wirtschaft »