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Kevin Chesham

Er will einfach spielen

An der Jazzwerkstatt Bern tritt der Bieler Schlagzeuger Kevin Chesham gleich zweimal auf. Er spielt Rock so gerne wie improvisierte Musik. Porträt eines Hyperaktiven.

Er ist unberechenbar, aber Kevin Chesham kommt dabei nie der Musik in die Quere. Bild: Eve Lagger/Bee-Flat

Tobias Graden

Kevin Chesham, in wievielen Bands und Projekten spielen Sie denn zurzeit?

Nun gerät er ins Grübeln, dieser junge, entspannte Mann. Er blickt nach oben, kneift die Augen zusammen und murmelt: «Dass ich jetzt bloss niemanden vergesse...» Chesham zählt Namen auf, von Bands und einzelnen Musikern, es dauert, bis er schliesslich sagt: «So etwa zehn müssten es sein.»

Und überall, das zu betonen liegt ihm am Herzen, spielt er mit Lust und Freude mit. Blosse Brotjobs gibts bei ihm im Moment nicht.

 

Verspielt, kraftvoll, frisch

Kevin Chesham wollte Schlagzeug spielen, seit er denken konnte. Ein naheliegender Wunsch für einen wie er, der ein «hyperaktives Kind» gewesen ist. Die Eltern aber liessen ihn erst ein bisschen zappeln. Der grosse Bruder hatte den gleichen Wunsch gehabt, die Eltern besorgten ein Schlagzeug, doch nach kurzer Zeit verging dem Bruder die Lust. Da musste der kleine Kevin die Konstanz seines Willens erst beweisen, bis er schliesslich erlöst wurde: «Mit elf durfte ich endlich beginnen.» Drei, vier Jahre später sagte sein Lehrer: «Du gehörst an die Jazzschule.»

Ein Glück für jene, die heute mit ihm zusammenarbeiten.

Der Sound des Schlagzeugs mache die Hälfte des Sounds einer Band aus, heisst es gemeinhin. Cheshams Sound ist geprägt durch drei Faktoren: Er ist verspielt, er ist rhythmisch tight, und er hat Kraft - es sei ihm gar eine gewisse Punk-Attitüde eigen. «Das klingt unvereinbar, aber Kevin Chesham vereint dies in einer Person», sagt Marc Stucki, Mitorganisator der Jazzwerkstatt. Stucki ist Saxophonist und Bassklarinettist, spielt selber in mehreren Formationen und bildet mit Chesham und dem Bieler Pianisten Manuel Engel das Trio Meta Marie Louise. Am Freitagabend spät tritt dieses an der Jazzwerkstatt Bern auf (vgl. Zweittext). Unberechenbar sei Chesham, so Stucki weiter, auf eine schöne und zugleich musikalische Art, nie komme er der Musik in die Quere. Bei Domi Chansorn etwa spiele Chesham nicht Jazz, sondern eher Pop, auch dank seiner Spielweise aber klinge die Band überaus frisch.

 

14 Jahre Wildes Heu

Chesham selber ist solches Lob fast unangenehm. Der Artikel über ihn möge doch nicht zu gross ausfallen, hat er gebeten. Er will einfach spielen. Und er tut dies mit grosser Offenheit gegenüber allerhand Stilen. Bei Meta Marie Louise geht es um improvisierte Musik, um «instant composing». Im Projekt Menschmaschine spielt er mit dem Pianisten Oli Kuster Kraftwerk-Songs auf jazzige Art. Er spielt mit Jazzpianisten aus verschiedenen Gegenden der Schweiz: Christoph Stiefel, Thierry Lang, Stewy von Wattenwyl. Im Ueli Kempter Trio spielt er Jazz mit Anleihen aus Pop und Funk, bei AEIOU Elektro-Pop, für das Stadttheater Bern war er an Theaterprojekten beteiligt, und mittlerweile steckt er in den Aufnahmen für das nächste Album der Bieler Rockband Death By Chocolate.

Und dann ist da noch jene Formation, der er seit 14 Jahren die Treue hält: Wiuds Höi, eine Seeländer Unterhaltungs-Bigband, die Coverversionen zum Besten gibt, von Tina Turner über «Fiesta Mexicana» bis zu Swing. Mit zwölf Jahren ist er dort eingetreten, es war die erste Banderfahrung, und heute wundern sich die Mitmusiker, es sind Amateure, warum er immer noch dabei ist, er sei doch zu gut für sie. «Weil es Spass macht», lautet seine Antwort.

Wegen seiner Offenheit, der Lust an der Improvisation und der eigenen Sprache tritt Chesham am Samstag ein zweites Mal auf: im Projekt Drummer's Corpse des US-Schlagzeugers Mike Pride. Zehn Musiker sind dabei auf der Bühne, sechs davon als Schlagzeuger, Chesham weiss nicht, was ihn erwartet, zum ersten Mal wird am Samstagnachmittag gemeinsam - und öffentlich - geprobt.

 

Wie solls klingen?

Ein eigenes Projekt, in dem er den Ton angibt, würde Chesham gerne mal führen, aber es eilt ihm nicht damit. Im Moment könnte er sich gar nicht entscheiden, wie ein solches klingen soll. Sein Ziel? So weitermachen können. Das Privileg geniessen, Musik machen zu können. Mit vielen guten Leuten spielen. Chesham lächelt und sagt: «Mehr brauche ich gar nicht.»

 

Werkstatt des Jazz

 

Etwas kreieren, das sonst nicht entstehen würde: Das ist der Grundgedanke der Jazzwerkstatt Bern in der Turnhalle Progr, die noch bis Sonntagabend dauert. Das Festival ist Plattform, Austausch und Experimentierfeld - in Formationen, die eigens für ein Konzert gebildet werden, treffen Musiker unterschiedlicher Couleur aufeinander. Eine Hommage an die Beastie Boys hat ebenso Platz wie ein kammermusikalisches Werk für Klarinette, Viola und Violoncello. Die Konzerte beginnen um 20 Uhr, um 15 Uhr gibt es gratis öffentliche Proben.

 

Link: www.jazzwerkstatt.ch

Stichwörter: Jazz, Improvisation

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