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"Canal 3"

Chaotische und euphorische Pioniere

Vor 30 Jahren ist in Biel das Lokalradio «Canal 3» gegründet worden. Viel Enthusiasmus, wenig Geld und sogar ein Nervenzusammenbruch gehörten zur Anfangszeit.

1988 startet Matthias Gebel (l. ) als Journalist und Moderator bei Canal 3. Bild: zvg

Rebecca Gangl

«Radio Canal 3, das Radio von Biel und dem Seeland, ist erstmals auf Sendung.» Mit diesen Worten wurden die Radiohörer der Region auf dem neuen Sender begrüsst. Wir schreiben den 29. Februar 1984, ein Schaltjahr. Es ist Punkt 18 Uhr, die Geburtstunde von «Canal 3».
«Es war ein unglaubliches Gefühl. Alles, was vorher Projekt war, war nun Realität: Wir waren überall zu hören!», erzählt Bernhard Weissberg, einer der Gründer des Radios. «Es war sehr aufregend», sagt Margreth Noth, die ebenfalls von Anfang an dabei war. Das ganze Team sei anwesend gewesen und den Radiohörern durch den Abend hinweg vorgestellt worden. Zudem sei die Redaktion des Radios offen gewesen, viele Gäste hätten vorbeigeschaut. «Die Stimmung war, wie bei allen Projekten mit grossem Pioniercharakter, euphorisch», erinnert sich Christoph Gebel, ebenfalls Mitgründer des Radios.


Eine einmalige Chance
Die Konzession für den Sender hatte der Bundesrat im Herbst zuvor erteilt. Die Vorbereitungen für den neuen Radiosender hätten unentgeltlich stattgefunden. «Wir waren Journalisten, wir hatten kein Geld», sagt Noth. Doch der Enthusiasmus und die Freude für die Vorbereitungen für «Canal 3» seien gross gewesen, sagt sie. «Ich war 23 Jahre alt, voll motiviert und hatte eine einmalige Chance, bei einem so tollen Projekt dabei zu sein», erklärt Christoph Gebel seinen Enthusiasmus.
Anfangs 80er-Jahre gab es in Biel nur zwei Medien: Vom Unternehmen Gassmann das «Bieler Tagblatt» und das «Journal du Jura», und vom Büro Cortesi die Wochenzeitung «Biel Bienne». «Mit dem günstigen Medium Radio konnten wir ein neuer, unabhängiger Kanal sein», erzählt Weissberg. Daher kommt auch der Name «Canal 3», welcher deutsch und französisch verständlich ist.


«Lebten für das Radio»
Die zehn Gründer betrieben das Projekt mit Herzblut. «Wir haben nur noch für das Radio gelebt, es war quasi das einzige Thema in unserem Leben», erzählt Noth. Das sei aber herausfordernd gewesen. Sie selber habe sich wegen ihrer Familie nicht zu sehr von dieser Stimmung anstecken lassen dürfen. Einige Kollegen hätten nach einem Jahr sogar einen Nervenzusammenbruch gehabt.
Diese chaotische Pionierphase hat sich laut Weissberg nach zwei Jahren etwas gelegt. Matthias Gebel, der Bruder von Christoph Gebel, kam 1988 dazu. Doch auch vier Jahre nach der Gründung erlebte er eine leidenschaftliche Stimmung: Niemand hätte auf Stundenzahlen oder Überstunden geachtet.  


Technischer Wandel
«Eine der grössten Veränderungen zu heute ist der technische Wandel», meint er. Das bedeutete viel mehr Aufwand bei den Aufzeichnungen. Mittags waren beispielsweise immer zwei Leute im Studio. Einer als Nachrichtensprecher, der andere als «DJ» und Moderator, der eigenhändig die Schallplatten und Revoxbänder wechseln musste. Auf den Revoxbändern waren die geschnittenen Beiträge und Interviews aufgenommen. Was heute per Computer geschieht, wurde in dieser Zeit mit Schere und Kleber zusammengefügt.
Aussenaufnahmen wurden mithilfe eines Reportofons gemacht, einem Gerät, das wie ein mobiles Telefon funktionierte. Nur steckte man statt Telefonhörer ein Mikrofon und Kopfhörer ein. Durch die technischen Geräte, die viel Platz gebraucht hätten, sei es an der Sesslerstrasse, wo «Canal 3» früher war, immer eng gewesen. «Wir haben mit einfachen Mitteln gearbeitet und viel improvisiert», sagt Gebel. Dennoch habe man viel erreicht.
«Die Zuschauer haben uns mit offenen Armen empfangen», sagt er. Man habe den Bonus gehabt, ein neues Radio für die Region zu sein. So sei von Anfang an viel draussen bei den Leuten gearbeitet worden, zum Beispiel mit der Sendung «Aperotonde». Einmal im Monat traf er sich im «Rotonde» vor Pulikum mit Gästen. Das Gespräch wurde dann live übertragen.  
«Obwohl wir ja Radio-Novizen waren und das Radio zwischendurch mal so tönte, konnten wir eine Bindung zur Bevölkerung schaffen», sagt Weissberg. Deswegen sei der Sender nie in all zu grosse finanzielle Schwierigkeiten geraten. Er erklärt dies damit, weil die Löhne tief waren, man sehr viel arbeitete und sorgsam mit dem Geld umgegangen sei.


Kampf ums Geld
Doch ganz ohne finanzielle Probleme ging es nicht. Ende der 80er-Jahre unterzeichneten 15'000 Seeländer eine Petition, in der Unterstützungsgelder für das Lokalradio gefordert wurden. «Wir mussten immer kämpfen», erinnert sich Noth. Doch dadurch, dass man nicht nur einen einzigen Geldgeber im Rücken hatte, hätte man viele Freiheiten gehabt.
 «Rückblickend glaube ich, dass es einfach wichtig war, dass wir für das Projekt gekämpft und alles gegeben haben. Sonst hätte es wohl nicht lange ein Radio in Biel gegeben», meint Bernhard Weissberg. Er denke noch heute gerne an die Begeisterung, den Willen, das Vergnügen zurück. «Wenn ich heute Ex-Mitarbeiter treffe, erzählen sie immer noch mit glänzenden Augen von jener Zeit.»

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