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Wildkatze

Die Katze, die nie zum Haustier wird

In der Schweiz ist die Europäische Wildkatze einst fast bis zur Ausrottung bejagt worden. Nun hat sich ihr Bestand wieder erholt. Ein weiterer Teil der Serie «Wildlebende Tiere im Seeland».

Die Katze, die nie zum Haustier wird, Bild: Keystone
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Heidi Flückiger

Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) ist in der Schweiz heimisch. Sie lebt in Laubmischwäldern zurückgezogen im Jura. Anhand ihrer wenig kontrastreichen gelblich-grau getigerten Fellfärbung ist sie an ihre Wildbahn angepasst und fällt kaum auf. Eines ihrer typischen Merkmale ist der dicke, mit schwarzen Fellringen gezeichnete und stumpf endende Schwanz. Die Europäische Wildkatze ist keine Baumbewohnerin. Sie lässt sich, vor allem während der Aufzucht ihrer Jungen, in kleinen Höhlen nieder.

Für die Nahrungssuche sind Wildkatzen auf ein gut vernetztes Wald- und Weidegebiet angewiesen. Sie ernähren sich hauptsächlich von Mäusen, aber auch Reptilien, Vögel, Fische, junge Hasen und Insekten stehen auf ihrem Speiseplan.

Den Jura besiedelt

Einst war die europäische Wildkatze, auch Waldkatze genannt, in der Schweiz weit verbreitet. Durch übermässige Bejagung wurde sie aber fast bis zur Ausrottung eliminiert. Heute ist sie eine geschützte Tierart und auf der roten Liste der gefährdeten Tierarten in der Schweiz als stark gefährdet aufgeführt.

Ihre Vermehrung im Jura ist wahrscheinlich kleinen Restpopulationen zu verdanken. «Anhand der grossen Waldflächen war der Jura schon historisch das wichtigste Verbreitungsgebiet der Europäischen Wildkatze», sagt Urs Breitenmoser, Projektleiter bei Kora (Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz).

Im Burgund und in tiefer gelegenen, milderen Bereichen des französischen Juras war sie immer vorhanden. Es ist möglich, dass etliche dieser Tiere in die Schweiz gekommen sind und anlässlich der milden Winter ab den späten 80er-Jahren auch die höher gelegenen Juraketten besiedelt haben.

Wie bei vielen Waldbewohnern sind die Vorkommen der Wildkatze durch die offenen Gebiete der Freiberge zweigeteilt: Einerseits hat sie sich im ganzen südlichen Teil des Juras niedergelassen, andererseits im nördlichen Teil. Erste Wildkatzen wurden auch entlang des Südufers des Neuenburgersees im Mittelland entdeckt. Grundsätzlich seien die relativ warmen und früh ausapernden Wälder der Jura-Südflanke gute Wildkatzen-Habitate, auch Nahrung – vor allem Mäuse – gebe es dort genügend, so Urs Breitenmoser.

Hybrisidiserung unerwünscht

Habitate nahe der Zivilisation und streunende Hauskatzen begünstigen die Hybridisierung. Das wiederum bedroht die genetische Vielfalt und könnte zu einer «Verwässerung» führen, das heisst zu einer Mischform von Wild- und Hauskatzen. «Einerseits sehen wir in Schottland, dass die Hybridisierung das Aussehen und den Gen-Pool der Wildkatze stark beeinträchtigen kann, andererseits lebt unsere Wildkatze seit Jahrtausenden mit Hauskatzen im gleichen Gebiet», sagt Breitenmoser.

Untersuchungen zeigten, dass im französisch-schweizerischen Jura bereits etwa 20 Prozent hybridisiert sind. «Bei den meisten liegt die Vermischung schon zwei oder drei Generationen zurück, was beweist, dass auch der Nachwuchs fruchtbar ist», sagt Béatrice Nussberger, Wildbiologin am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich.

Etwa 900 Wildkatzen

Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt wird der Bestand der Europäischen Wildkatze in der Schweiz auf etwa 900 Tiere geschätzt. Ein umfassendes Monitoring gibt es nicht. Es habe einen Pilotversuch gegeben, der aber nicht weitergeführt worden sei. «Im Rahmen des Luchs-Monitorings erfassten wir in den Fotofallen jeweils auch Tiere, die wir für Wildkatzen halten», so Urs Breitenmoser. Ob es sich dabei um rassenreine Europäische Wildkatzen oder um hybridisierte Haus/-Wildkatzen handelte, ist nicht bekannt. Um das festzustellen, hätten die Tiere eingefangen und einer molekulargenetischen Untersuchung unterzogen werden müssen.

Haus- und Europäische Wildkatzen haben wohl gemeinsame Vorfahren, ihre Entwicklungslinien verlaufen aber getrennt. Die Hauskatze stammt von domestizierten Falbkatzen der Lybischen Wildkatze ab und wird in der Regel als Unterart oder als nahe verwandte Art der Wildkatze gesehen. Diese phylogenetische Verwandtschaft macht ihnen die Hybridisierung leicht.

Rettung mit Auswilderung

Für Menschen sind Wildkatzen keine Gefahr. «Ich habe noch nie von angriffigen Europäischen Wildkatzen gehört, obwohl sie als kratzbürstig gelten», sagt Urs Breitenmoser. Normalerweise halten sich diese Katzen von der Zivilisation fern. Manchmal treibt sie aber der Hunger zu Bauernhöfen. Auf ihre Gegenwart wird man oft erst aufmerksam, wenn sie sehr geschwächt oder gar verhungert sind.

Im Berner Jura wurden im Februar 2009 zwei männliche Wildkatzen bei Bauernhöfen eingefangen, die sich an Hühner herangemacht haben. Die Kater wurden vor Ort veterinärmedizinisch untersucht und aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands zur Pflege in die Schweizer Wildstation Landshut gebracht und später wieder ausgewildert. Anhand eines koordinierten Forschungsprojekts zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz wurden sie danach während einiger Zeit von Kora radiotelemetrisch überwacht und dokumentiert.

Die Kater hielten sich oberhalb von Péry sowie in Nähe von Tavannes und Saules in einer Höhe zwischen 710 und 1319 Metern auf. Sie benutzten praktisch die gesamten Höhenlagen des Berner Juras und haben Strassen und Bauernhöfe gemieden. Das beweist, dass Wildkatzen kein Verlangen haben, mit der Zivilisation in Kontakt zu kommen, solange es ihnen gut geht.

Ein Drama

Es kommt gelegentlich vor, dass Menschen jungen Wildkatzen begegnen und diese in gut gemeinter, aber leider falschen Absicht mit nach Hause nehmen, weil sie glauben, es handle sich um verlassene Hauskatzen. Da aber eine Wildkatze nicht zähmbar ist, wird aus ihr nie eine Hauskatze werden. Zudem ist die Behändigung einer Wildkatze ein Verstoss gegen das Gesetz und ein Drama zugleich, weil der Katzenmutter die Jungen oder den Jungen die Mütter weggenommen werden.

Die Renaissance der Europäischen Wildkatze in den vergangenen 20 Jahren sei erfreulich. Sicher hätten deren Schutz, die Verbesserung der Waldstruktur und die zunehmend milderen Winter dazu beigetragen. Breitenmoser sagt: «Wie die Geschichte der Europäischen Wildkatze weitergeht, lässt sich aber nicht abschätzen.»

 

 

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Wildkatze gesehen?

Um die Vorkommen und den Bestand der Europäischen Wildkatze zu dokumentieren, nehmen Fachstellen Hinweise aus der Bevölkerung entgegen.

Beobachtungen melden beim Naturhistorischen Museum Bern, Telefon 031 350 72 80, beim Centre suisse de Cartographie de la Faune in Neuenburg, Telefon 032 724 92 95, oder bei einem Wildhüter der Region.

Todfunde melden beim Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin, Institut für Tierpathologie in Bern, Telefon 031 631 24 43. hf

Stichwörter: Katze, Wild, Tiere, Seeland, Natur, Flora, Fauna

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