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Seeland

Dauerknatsch im Wald

Wanderer und Mountainbiker sind oft auf schmalen Pfaden unterwegs. Auch auf den Waldwegen oberhalb von Biel kommt es immer wieder zu Konflikten. Ein Problem – die rechtliche Unsicherheit: Das Biken auf Wald- und Wanderwegen gilt als Grauzone.

Bei der Talstation der Magglingenbahn haben sich Fussgänger bereits an die Anwesenheit von Mountainbikern gewöhnt. Bild: Tanja Lander
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von Florin Rüdisühli

Die warmen Sommertage locken Erholungssuchende jeder Couleur aus ihren Löchern: Spaziergänger, Jogger, Wanderer, Hundehalter und Biker – sie alle wollen von dem schönen Wetter profitieren. Die logische Konsequenz: Mehr Verkehr auf fast allen Wald- und Wanderwegen der Region. Es erstaunt deshalb nicht, dass sich die unterschiedlichen Waldbenutzer immer wieder in die Quere kommen.

Alexander Luczy, ehemaliger Verkehrsingenieur bei der Stadtpolizei Biel, hat solche Situationen selbst miterlebt. In einem öffentlichen Leserbrief an die Wochenzeitung «Biel Bienne» beklagt er sich über rücksichtslose Radfahrer auf den Wanderwegen der Region – und schreibt: «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir tödliche Unfälle von Unschuldigen haben.»

Marc Rössner, Präsident der Biel-Bienne Bikers, kontert, indem er auf sogenannte Bikeblockaden aufmerksam macht. Dabei würden Felsbrocken, Äste, Zweige oder Dornengestrüpp auf Wegen platziert, mit der Absicht, die Passagen für Biker unpassierbar zu machen. «Ich denke, ein solches Verhalten ist nicht kooperativ und hoffe, dies in Zukunft weniger zu beobachten», sagt Rössner gegenüber dem Bieler Tagblatt.

Realität oder Hirngespinst?

Seitens der Berner Wanderwege sieht man die Schuld für die Konflikte klar bei den Bikern: «Es sind nicht die Wandernden, die plötzlich auf den Bike-Pisten auftauchen, sondern umgekehrt», schreibt Geschäftsführer Bernhard Schmidt auf Anfrage. Konflikte zwischen Bikern und Wanderern seien keine Kopfsache, sondern Realität. Das würden entsprechende Rückmeldungen von Betroffenen bestätigen.
Fakt sei, dass beim Aufeinandertreffen von Biker und Wanderer der Wanderer der Schwächere ist. Die Zahl der Beschwerden ist in letzter Zeit deutlich angestiegen, so Schmidt.

Die Sorge der Wanderer ist zwar legitim, sagt Samuel Hubschmid, Präsident des Bikernetz-werks Trailnet. Das Geräusch eines vorbeifahrenden Mountainbikes sei im Wald noch ungewohnt. «Biker und Wanderer müssen sich erst noch kennenlernen.» Den Biker allerdings als Alleinschuldigen an den Pranger zu stellen, das sei fahrlässig, sagt Hubschmid. Es seien grundsätzlich immer mehr Leute im Stadtwald unterwegs. Dadurch werde der Raum für alle Waldbenutzer enger.
Ausserdem sei ihm keine Statistik bekannt, die Anhaltspunkte auf Unfälle zwischen Fussgängern und Bikern liefert. «Der Konflikt existiert nur in den Köpfen», sagt Hubschmid.

Tatsächlich gibt es gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) keine Statistik zu Unfällen zwischen Bikern und Wanderern. Auch in der Statistik der tödlichen Sportunfälle ist kein solcher Unfall verzeichnet.

Der Schweizer Alpen-Club (SAC) bestätigt diesen Umstand. Ulrich Mosimann, Fachverantwortlicher Sicherheit im Bergsport, schreibt auf Anfrage:«Der SAC erfasst in seiner Bergnotfallstatistik auch Bike-Unfälle. Es ist kein einziger Vorfall bekannt, der auf einen Zusammenstoss zwischen Bikern und Wanderern zurückzuführen ist.» Klar gebe es Fälle, wo rücksichtslose Biker die Wanderer erschrecken, oder militante Wanderer sich in den Weg stellten, schreibt Mosimann weiter. Aber das seien eben wirklich nur Einzelfälle.

Gesetzliche Grauzone

Uneinig ist man sich derweil über die Legalität des Bikens auf Schweizer Wald- und Wanderwegen. Im 1958 erlassenen Artikel 43 des Schweizer Strassenverkehrsgesetzes heisst es: «Wege, die sich für den Verkehr mit (...) Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind, wie Fuss- und Wanderwege, dürfen mit solchen Fahrzeugen nicht befahren werden».
Dieser Artikel sei veraltet, argumentiert die Bikerlobby, er stamme aus einer Zeit, in der man Mountainbikes noch gar nicht kannte.

In den verschiedenen Kantonen wird das Gesetz unterschiedlich strikt interpretiert. Während Biker, die Wanderwege in Basel oder im Appenzell befahren, mit einer Busse rechnen müssen, sind die Behörden in den Kantonen Wallis und Graubünden deutlich liberaler. Im Kanton Bern gilt: Mountainbiker dürfen all die Wege befahren, die auch für sie vorgesehen sind. So zum Beispiel der 2008 in Betrieb genommene «Biel Trail» von Magglingen nach Biel. «Das schliesst Wanderwege per se nicht aus», sagt Peter Lerch, Bereichsleiter Planung und Verkehr beim Tiefbauamt des Kanton Berns. Bei fehlender Signalisation durch die Gemeinden sei es für den Biker jedoch oftmals schwierig zu erkennen, ob ein Weg für ihn gedacht sei oder nicht.

In den Wäldern der Burgergemeinde Biel scheint die Sache klar: Hier gilt ein richterlich erlassenes allgemeines Fahrverbot. Somit ist auch das Befahren der Waldwege mit Velos verboten. «Viele Leute wissen das gar nicht», sagt Bernhard Hadorn, der als Revierförster für die Burgergemeinden Biel, Bözingen und Evillard tätig ist. Vergehen gegen das Fahrverbot würden jedoch nicht geahndet. «Das ist schlicht nicht umsetzbar», sagt Hadorn.

Friedliches Nebeneinander

Inwiefern das Strassenverkehrsgesetz veraltet ist, spielt für Samuel Hubschmid von Trailnet keine Rolle. Er ist überzeugt, dass auch eine angepasste Gesetzgebung der Herausforderung, die Konflikte zwischen Bikern und Wanderern zu mindern, nicht dienlich wäre: «Dadurch wird nicht mehr Platz geschaffen. Die Menschen müssen lernen, aneinander vorbei zu kommen.»

Hubschmid glaubt an das Prinzip der friedlichen Koexistenz von Bikern und Wanderern. Er erinnert sich, wie seine Grosstante einmal sagte: «Ich gehe nicht mehr in den Wald. Ich fürchte mich vor den sogenannten Joggern, die neuerdings auf allen Waldwegen unterwegs sind.» Heute haben sich Spaziergänger und Jogger aneinander gewöhnt. «Mit den Mountainbikern wird es genauso sein», so Hubschmid.

Ähnlicher Meinung ist der Schweizerische Radfahrer-Bund Swiss Cycling. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzergruppen könnten vor allem durch gute Kommunikation der Verhaltensregeln gemindert werden. Einen Schritt weiter gehen die Berner Wanderwege. Geschäftsführer Bernhard Schmidt schreibt: «Das Zauberwort lautet ‹Entflechtung›. Koexistenz nur da, wo nicht anders möglich.»

Was auch immer die Zukunft bringen mag, seien dies neue Anlagen für Biker, striktere Gesetze oder gar ein Aufkommen der neuen elektronisch angetriebenen E-Mountainbikes – solange sich Einzelne nicht an die allgemeingültigen Verhaltensregeln halten, solange werden sich gewisse Wanderer und Biker in den Haaren liegen.

«Es liegt in der Natur der Sache, dass gegenseitige Akzeptanz und Rücksichtnahme aller Beteiligten nötig sind, um Konflikte zu vermeiden», sagt Marc Rössner von den Biel-Bienne Bikers.
Und der Autor des Leserbriefs, Alexander Luczy, betont gegenüber dem BT: «Es geht hier um ‹savoir vivre›. Die Devise lautet: Leben und leben lassen.»

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Kommentare

cisco

Die Regeln sind ganz klar. Fahrverbot im Wald (auch für Zweiräder) wo es nicht ausdrücklich erlaubt ist (Bikerpisten). Und trotzdem muss man sich von einigen (wenigen) anpöbeln lassen.


neffherren

Biker -, Reiter und Radfahrer sind nicht nur störend , sie machen die Wanderwege kaputt. In den Rad -, und Hufspuren bleibt das Wasser liegen. Wir Wanderer leisten zudem ein Beitrag an die Wanderwege.


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