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Chasseral

Viel Arbeit, Freude und ein Kugelblitz

Seit 40 Jahren bewirtschaftet die Familie Kämpf die Métairie Mörigen. In einer idyllischen Landschaft leistet die Milchbauern harte Arbeit und freut sich an den Gästen, die einkehren. Die Geschichte einer Famile, die mit Generationenkonflikten umgehen kann, ein Drama erlebte und ein sehr seltenes Naturphänomen gesehen hat.

  • 1/17 Métairie Mörigen: Seit 40 Jahren wird sie von der Familie Kämpf bewirtschaftet. Peter Samuel Jaggi
  • 2/17 Métairie Mörigen: Seit 40 Jahren wird sie von der Familie Kämpf bewirtschaftet. Peter Samuel Jaggi
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  • 7/17 Métairie Mörigen: Seit 40 Jahren wird sie von der Familie Kämpf bewirtschaftet. Peter Samuel Jaggi
  • 8/17 Métairie Mörigen: Seit 40 Jahren wird sie von der Familie Kämpf bewirtschaftet. Peter Samuel Jaggi
  • 9/17 Aus der Bergmilch vom Mörigenberg wird Tete de Moine mit dem Label AOC hergestellt. Peter Samuel Jaggi
  • 10/17 Aus der Bergmilch vom Mörigenberg wird Tete de Moine mit dem Label AOC hergestellt. Peter Samuel Jaggi
  • 11/17 Aus der Bergmilch vom Mörigenberg wird Tete de Moine mit dem Label AOC hergestellt. Peter Samuel Jaggi
  • 12/17 Aus der Bergmilch vom Mörigenberg wird Tete de Moine mit dem Label AOC hergestellt. Peter Samuel Jaggi
  • 13/17 Métairie Mörigen: Seit 40 Jahren wird sie von der Familie Kämpf bewirtschaftet. Peter Samuel Jaggi
  • 14/17 Drei Generationen (von links): Christophe, Ellyn, Ueli, Yan, Isabelle und Germeine Kämpf. Peter Samuel Jaggi
  • 15/17 Isabelle Kämpf. Peter Samuel Jaggi
  • 16/17 Krankenstall: Hier wurden früher Kühe isoliert. Peter Samuel Jaggi
  • 17/17 Métairie Mörigen: Seit 40 Jahren wird sie von der Familie Kämpf bewirtschaftet. Peter Samuel Jaggi
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Lotti Teuscher

Es ist ein einladendes Jurahaus, das auf einer Anhöhe auf der Nordseite des Chasserals steht. Ein gepflegter Hof, umgeben von weiten Weiden mit Kühen und alten Bergahorn, vor einem Hang, dessen oberer Teil von Wald bedeckt ist. Ein Weg voller Schlaglöcher führt zur Métairie Mörigen, demnächst soll er mit einem Hartbelag versehen werden.

Am Küchentisch sitzen Ueli und Germaine Kämpf, sie rüsten Geschwellti für die Rösti und grüne Bohnen vom Bauernhof unten in Villeret. Isabelle Kämpf, die Schwiegertochter, steht am Herd neben einem Korb voller Eier der  hofeigenen Hühner. Christophe Kämpf, ihr Mann, der die Sennerei von seinem Vater Ueli übernommen hat, ist auf den Weiden unterwegs.

Es scheint ein beschauliches Leben zu sein, das die Familie Kämpf seit bald 40 Jahren auf dem Mörigenberg führt. Wären da nicht die langen Arbeitstage, die spätestens um 6.30 Uhr beginnen und oft bis Mitternacht dauern, wenn die Gäste lange sitzenbleiben. Wäre da nicht der Nebel, der manchmal eine Woche lang auf der Höhe der Sennerei festsitzt und den Blick durch die Fenster  versperrt. Auch Schnee fällt im Sommer immer wieder, auch wenn er nie lange liegen bleibt. Oder, wie Germaine Kämpf sagt: «Wer hier oben arbeitet, muss immer auch Winterkleider mitnehmen.» Und wäre da nicht ein Drama, das die Familie nie vergessen wird.

Hier trifft man sich

Nicht dass sich die Kämpfs beklagen, im Gegenteil: Alle Familienmitglieder  betonen, dass sie Frühling, Sommer und Herbst gerne auf 1300 Meter über Meer verbringen.  Nicht nur wegen der intakten Natur, sondern auch der Gäste wegen. In der gemütlichen Gaststube oder in der grossen Küche sitzen Büezer neben Ärzten, Schweizer neben Franzosen und diskutieren. Diese unterschiedlichen Leute kennen zu lernen mit ihren verschiedenen Horizonten, scheint eine Passion der Familie Kämpf zu sein.

Einst gehörte die Sennerei auf dem Land von Courtelary dem Bistum von Basel. Irgendwann wurde sie an die Edelknechte von Mörigen verschenkt, daher der Name «Mörigen» oder auf Französisch «Meuringue».  Edelknechte waren adlige Ritterbürger, die noch nicht zum Ritter geschlagen worden waren.

Lückenhafte Biografie

Es folgt eine lange Lücke in der Biografie der Sennerei. Fritz Landolf, pensionierter Bauer aus Epsach, Präsident der Berggesellschaft Mörigenberg und Bergvogt in Personalunion, versucht, diese Lücke zu schliessen. Irgendwo gebe es vermutlich zwei Kisten mit alten Unterlagen, sagt Landolf. Doch gefunden hat er sie bislang nicht.

Dass Landolf ein Bergvogt ist, lässt Böses ahnen. Im Mittelalter regierte und richtete der Vogt als Vertreter eines Feudalherrschers – meist mit ausgesprochen harter Hand. Landolf tut das Gegenteil: Er setzt sich für die Belange der Métairie ein.
Belegt ist, dass der Mörigenberg 1921 von einem gewissen Zeller aus Sigriswil übernommen wurde. Damals stand der Hof auf einem anderen Hügel, etwa 200 Meter von der heutigen Métairie entfernt. Bis heute steht dort eine kleine Hütte, einst war sie ein Krankenstall: Bevor das Penizillin erfunden wurde, hatte man Kühe mit Grippe in der Hütte isoliert.

50 Jahre lang bewirtschaftete Senn Zeller die Métairie; zwischen 1941 und 1945 baute er den Hof am heutigen Standort. 1976 übernahm Ueli Kämpf den Berghof. Auch seine Vorfahren, ebenfalls Bauern, stammen aus Sigriswil. Obwohl die Familie Kämpf nun schon seit Jahrzehnten im französischsprachigen Villeret und auf der Métairie Meuringue lebt, hat sie die deutsche Sprache bewahrt. Auf die Frage, ob er nun Romand oder Deutschschweizer sei, überlegt Christophe Kämpf ein paar Sekunden lang: «Das ist eine gute Frage.» Kämpf spricht zwar akzentfrei Deutsch, hat einen grossen Wortschatz, doch wenn er rechnen muss, tut er dies auf Französisch. So wie später seine Kinder, hat er zu Hause Deutsch gesprochen, aber eine französische Schule besucht.

Der Brand

Es war im Jahr 1982, als Christophe Kämpf bemerkte, dass Flammen aus dem Hof schlugen. Der 14-Jährige rannte zum Auto, startete den Motor und holte seinen Vater Ueli. Es dauerte lange, bis die Feuerwehr vom St.-Immer-Tal auf der kurvenreichen Strasse den Mörigenberg erreichte. Dort gab es keinen Wasserhydranten, der Hof brannte komplett ab. Bis heute ist der Familie anzumerken, wie sehr das Unglück schmerzt. «Gottseidank kamen weder Menschen noch Tiere ums Leben», sagt Germaine Kämpf.

Da die alten Pläne noch existierten, wurde die Métairie detailgetreu wieder aufgebaut. Zumindest äusserlich: Der Brandschutz im Innern wurde verbessert.

Das Blitzphänomen

Im Jahr danach wohnte die Familie Kämpf in einer Baracke. Während eines heftigen Sommergewitters schlug der Blitz in eine Tanne nebenan ein. Danach geschah etwas, was die Familie ebenfalls niemals vergessen wird. Eine leuchtende Kugel drang in die Baracke ein und zerfloss wie Quecksilber. Christophe Kämpf, der unter der gerade Dusche stand, erhielt einen heftigen Stromschlag, «stärker als von jedem Viehhüter», wie er sich erinnert. «Um zu glauben, dass es eine solche Erscheinung gibt, muss man sie sehen», sagt Germaine Kämpf.

Auf den Wiesen des Mörigenbergs werden jedes Jahr 75 bis 80 Gusti gesömmert. Sie werden gehören Bauern im Seeland; einige wenige Gustis stammen noch immer aus Mörigen. Weiter besitzt die Familie 25 bis 30 Milchkühe. Vater Ueli Kämpf hat noch Bergkäse gemacht. Seit die Käserei in Villeret das AOC-Gütesiegel für ihren Tete de Moine erhalten hat, wird die Bergmilch in die Dorfkäserei geliefert.

Vor dem Haus steht heute ein Lieferwagen, davor ein Schweizer Fahrender, der einmal pro Jahr hochkommt und sorgfältig ein Messer nach dem anderen schleift. Auf den Mörigenberg arbeite er besonders gern, sagt der Mann, der nicht namentlich genannt werden möchte: «Hier ist einer der schönsten Orte, den ich kenne. Und die Familie Kämpf ist besonders nett.» 

Auf dem Hof leben derzeit Isabelle und Christophe Kämpf sowie ihre drei Kinder Jonas (17), Yan (15) und Ellyn (11). Der Vater kümmert sich um das Vieh, die Mutter um die Gäste. Ueli Kämpf schaut nach den Gustis der Familie, die auf dem Mont Soleil weiden. Schwiegermutter Germaine Kämpf übernimmt das Bügeln und kocht die am Montag und am Dienstag, wenn Isabelle Kämpf Hausglace herstellt – natürlich aus der Milch der hofeigenen Kühe. 25 Sorten sind es, sie beliefert Restaurants und verkauft die Glace natürlich auch in der Bergwirtschaft. Ihre Lieblingsglace? Es ist die Milchglace, die allerdings nicht allein aus Milch besteht. «Das Rezept bleibt mein Geheimnis» sagt Isabelle sie schmunzelt.

Kein Familiengeheimnis ist, wie es die Familie Kämpf schafft, tagtäglich Kontakt zu haben und trotzdem schlimmere Generationenkonflikte zu vermeiden. «Wir haben Familiensinn», sagt Christophe Kämpf: «Ab und zu werden die Eltern verruckt, manchmal die Kinder, aber dann schweigt man halt einfach eine Weile.» «Generationenkonflikte gibt es überall», sinniert seine Mutter Germaine: «Aber die werden wieder ausgebeult.»

Kein Geheimnis ist weiter, dass bereits ein Nachfolger in Sicht ist, wenn Vater Christophe Kämpf die Sennerei irgendwann abgeben möchte: Sohn Yan absolviert derzeit eine Landwirtschaftslehre.

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Wanderung zur Métairie Mörigen

  • Villeret, Schlucht Combe Grède (achtung, zeilweise etwas ausgesetzter Bergweg)
  • Les Prés aux Auges, ausgangs der Schlucht: Beim Holzbrunnen mit Quellwasser auf dem Rastplatz links abbiegen. Kurzer, steiler Weg. Linkerhand befinden sich zwei schöne Felsnasen mit Aussicht.
  • Bequemer Weg zur Métairie Mörigen.
  • Ab dort zum «Ischlöchli» (signalisiert) und zur Métairie Kleiner Twannberg.
  • Abstieg ins St.-Immer-Tal.
  • Höhenmeter: Rund 600.
  • Dauer: rund 4.30 Stunden. LT

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