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Eishockey

«Es gab schon mal zwei Cremeschnitten»

EHC-Biel-Fan Reto Stauffer besucht seit über 20 Jahren Spiele des EHC Biel. Was daran besonders ist? Er verpasst daheim und auswärts kein einziges Spiel. Im Moment fühlt er sich so ziemlich einsam.

Mitfiebern und leiden: Reto Stauffer anlässlich der Heimpartie gegen Langnau. Rechts sein Vater Godi Stauffer. Tanja Lander

Beat Moning

Der Fan aller Bieler Fans, das ist Reto Stauffer aus Studen. Der UBS-Kundenberater von Nidau plant sein Leben nach dem Spielplan des EHC Biel. Krank sein ist verboten. «Das war letztmals beim Playout-Final gegen Langnau in diesem Jahr der Fall. Dann ging ich halt krank arbeiten, sodass ich die Spiele nicht verpasste.» «Krank» macht ihn die derzeitige Lage aber dennoch. Neun Niederlagen in zehn Partien. «Es passt nicht mehr viel zusammen, wenn ich an die Spiele Anfang Saison denke.» Reto Stauffer fragt sich, was sich viele andere auch fragen: «Wie lange kann man noch verlieren, bis etwas passiert?» Er getraut sich fast nicht, den Namen des Trainers zu erwähnen. «Alle wissen, was Biel Kevin Schläpfer zu verdanken hat. Aber eine ganze Mannschaft kann man auch nicht auswechseln.» Er hoffe nun wirklich, dass der Turnaround geschafft wird.

Nach dem Match in Zürich, nach einem weiteren Nuller in einer Doppelrunde, sagte Stauffer: «Ein weiteres Wochenende ist für mich im Eimer.» Trotzdem habe er sich die Zusammenfassung am Abend noch angeschaut.

«Ohne mich geht es nicht»

Beim Namen Stauffer wird man in der Region schnell mal hellhörig. Hiess nicht der langjährige Schiedsrichter und Schiriboss so? Reto Stauffer ist in der Tat der Sohn von Godi Stauffer. So kam der «Junior» schon früh mit Eishockey in Berührung. «Ich war um die zehn Jahre alt, als mich mein Vater erstmals mit an ein Spiel nahm» , erinnert er sich.

Nicht zum EHC-Match, denn Bieler Spiele konnte der Vater nicht leiten. «Das war in Bern. Ich war mitten drin und musste mir alles anhören, was auch über die Schiedsrichter gelästert worden ist.» Es hielt Reto Stauffer nicht davon ab, als Fan des Eishockeysports die Spiele zu verfolgen. Seit dem Abstieg 1995 lässt es ihn gar nicht mehr los. Seither verpasst er auch kein Spiel des EHC Biel mehr. Er kennt jeden Anfahrtsweg, jedes Stadion, jeden Eingang zum Auswärtssektor, jede Buvette. Spiele zu besuchen, ist zur Sucht geworden. «Ich habe inzwischen das Gefühl, dass die Mannschaft ohne mich nicht mehr spielen kann.» Er bedaure sehr, dass er jene Partien nicht gesehen hat, als Biel Meister geworden ist. «Beim letzten Titel 1983 kann ich mich noch vage daran erinnern», so der 42-Jährige.

Kollegen sind abgesprungen

Reto Stauffer ist derzeit der einzige Bieler Fan, der alle Partien vor Ort sieht. «Früher machten das noch ein paar Kollegen mit. Die sind inzwischen verheiratet, können es sich beruflich nicht einrichten oder schauen die Auswärtsspiele lieber vor dem Fernseher, was ja früher nicht möglich war.» So reist er, wenn nicht gerade eine organisierte Bus-Reise ansteht, meist mit dem eigenen Auto zu den Spielen. Oder mal mit dem Zug, wenn das Wetter prekär ist. «Dann habe ich aber das Problem der Rückreise. Am anderen Tag bin ich als Erster im Büro.» Das soll sich auch in Zukunft nicht ändern. Und so komme es schon vor, dass er schon ganz allein in einem Gästesektor war, umgeben von fünf Sicherheitsleuten. «Dann schauen sie zu mir», lacht Stauffer und erinnert sich an ein Spiel in Ambri. «Ich war wirklich alleine dort. Da kam tatsächlich eine VIP-Hostesse und brachte mir zwei Cremeschnitten.»

Ob Wurst oder Dessert, davon ist seine Laune nicht abhängig. «Ich bin gut gelaunt, wenn das Team gewinnt, schlecht, wenn es verliert.» So ruhig, wie Reto Stauffer das sagt, so ruhig ist er auf seinem Sitzplatz keineswegs. Da gehen die Emotionen mit ihm schon mal hoch. «Ich bin nicht ruhig auf dem Sitz, ich bin nervös, ich will, dass das Team gewinnt. Der Augenschein in Zürich zeigte indes: Er blieb 60 Minuten lang sitzen. Die stetigen Hochs und Tiefs des Klubs zehren an der Substanz. «Spiele wie gegen Lausanne in der Ligaqualifikation brauche ich gar nicht mehr. Da war ich nach Spiel sieben fix und fertig.» Fan wolle er aber auch in den schlechteren Zeiten bleiben, auch ein Abstieg würde daran nichts ändern. Seit 2008 gehört das Seeschwalben-Mitglied auch den Donatoren an. «Ich will mitleben und mitreden, bin aber weit davon entfernt, etwa zu streiken oder mich in die Politik des Klubs einzumischen.» Eine Meinung habe er zwar, und die steht durchaus auch mal kontrovers zu jener des Klubs. Er erwähnt das Logo und sagt lediglich: «Ich bin froh, dass die gelbe Farbe wieder darin vertreten sein wird. Da hat man mit der Tradition zu sehr gebrochen.» Die Führung aber lobt er für die Arbeit in den letzten Jahren. «Kontinuität finde ich cool. Das hat den Erfolg des Klubs erst möglicht gemacht.»

«Da haben wir schon gewonnen»

An die Möglichkeit, es doch in die Playoffs zu schaffen, daran glaubt Reto Stauffer nach wie vor. «Vor der Saison war dies nicht unbedingt der Fall. Jetzt habe ich das Gefühl, dass es mit Hiller im Tor und diesen Ausländern möglich ist.» Eine Steigerung indes muss her. Nach der Niederlagenserie braucht es bald eine Siegesserie. Reto Stauffer ist live dabei. Ebenso morgen in Genf. «Da haben wir in dieser Saison auch schon gewonnen.» Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, bei Fans wie Reto Stauffer sowieso.

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