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«Trump wird pragmatisch vorgehen»

Claude Maurer, Leiter Swiss Macro Research der CS, sieht nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA keinen Grund zur Panik. Die Interessen der Wirtschaft wögen letztlich stärker als der Präsident, sagte er an den Kundenanlässen in Biel und Lyss.

Claude Maurer: «Die Wirtschaft wird auf mehr Handelsverträge und Verflechtung pochen.»  copyright: daniel mueller/bieler tagblatt
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Interview: Tobias Graden


Claude Maurer, Sie nicht sehr pessimistisch, was die Auswirkungen der US-Wahl auf die Wirtschaft angeht. Warum?
Claude Maurer: Es ist ein gewisser Zweckoptimismus. Bei allem Negativen gilt es, auch das Positive zu sehen. Die amerikanische Politik wird durch die Wahl einer vollständigen republikanischen Mehrheit deblockiert. Und ich gehe davon aus, dass Trump recht pragmatisch vorgehen wird.

Derzeit rechnen aber viele Ökonomen auf der ganzen Welt mit negativen Effekten durch die Wahl von Trump.
Es gibt sicherlich einen negativen Trump-Effekt, aber eben auch den positiven Effekt der Deblockierung. Diese Effekte werden sich etwa die Waage halten. Die Macht des amerikanischen Präsidenten wird ohnehin häufig überschätzt. Das zeigte sich auch am gesundheitspolitischen Programm von Obama. Die Demokraten hatten in seiner ersten Amtszeit die absolute Mehrheit, und doch dauerte es sieben Jahre, bis so etwas Vernünftiges wie die allgemeine Krankenversicherung durchgesetzt werden konnte. Das zeigt, wie langsam die Mühlen mahlen, in diesem System mit Checks and Balances, Allianzen und weiteren Faktoren.

Internationale Abkommen aber kann Trump recht einfach infrage stellen.
Ja, de facto kann er per Dekret über internationale Freihandelsabkommen befinden. Aber dass er Senat und Repräsentantenhaus gleich zu Beginn so vor den Kopf stossen wird, nehme ich nicht an.

Die Psychologie in den Köpfen wirkt also stark, doch die harten Fakten sind deutlich weniger beunruhigend?
Politik ist zwar wichtig für die Wirtschaft, die Wirtschaft selber ist letztendlich aber doch der mächtigste Treiber. Der beste Präsident schafft es nicht, eine Rezession zu verhindern, und der schlechteste Präsident schafft es nicht alleine, die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Die US-Wirtschaft besteht zudem nicht bloss aus Grosskonzernen, sondern auch aus vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die täglich innovative Lösungen finden müssen. Sie alle zusammen sind letztlich mächtiger als der Präsident.

Gilt diese Einschätzung auch für den Brexit? Hier hat sich die erste Panik auch gelegt.
Man kann sich natürlich ein Schreckensszenario vorstellen, indem die Politik – bildlich gesprochen – über Leichen geht und unbedingt ein Exempel statuieren will. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber eher gering.

Warum?
Wir Ökonomen analysieren die Interessen und Anreize – und kommen zum Schluss, dass niemand ein Interesse daran hat, einen Handelskrieg zwischen der EU und Grossbritannien vom Zaun zu reissen, besonders jetzt nicht mit einem US-Präsidenten Trump. Denkbar ist eher, dass ein Ruck durch Europa geht und man ein Gegengewicht zu den USA bilden will. Überhaupt: «Brexit» mag ja ein lustiges Wort sein, aber Grossbritannien war ohnehin nicht besonders stark integriert. Es hat weder den Euro übernommen noch war es Teil des Schengen-Raums. Die Wirtschaft wird sich weiter Gehör verschaffen und eher auf mehr Handelsverträge und Verflechtung pochen.

Die gefühlte Unsicherheit ist also grösser als die reelle?
Ja. Das stellen wir beispielsweise an den Finanzmärkten fest: Die Volatilität ist relativ gering. Ähnlich ist es bei den Investitionen. Sehen Sie: Das Risiko kalkuliert sich aus der Eintretenswahrscheinlichkeit und der Schadensgrösse. Letztere wäre riesig, wenn nun tatsächlich die Globalisierung rückgängig gemacht werden wollte. Entsprechend gering ist die Eintretenswahrscheinlichkeit, denn niemand hat das Interesse an einem massiven Verlust von Wohlstand.

Noch ein paar Worte zur Uhrenindustrie: Sie sehen keine baldige Rückkehr zum früheren Niveau?
Das Licht am Ende des Tunnels ist in der Tat noch nicht sichtbar. Einerseits war das Vorkrisenniveau sehr hoch, und Boomzeiten dauern nun mal nicht ewig. Anderseits ist nicht absehbar, dass die Nachfrage in den wichtigsten Absatzmärkten – vor allem in China – bald wieder stark anziehen würde. Zweistellige Wachstumsraten wie früher sind in China derzeit eine Illusion, und die Touristenströme nach Europa werden nicht so rasch wieder anschwellen.

Das sind die konjunkturellen Entwicklungen. Sehen Sie auch strukturelle Faktoren? Es könnte eine junge Generation heranwachsen, die lieber Smartwatches trägt und gar keine Uhren mehr kaufen wird.
Wenn man die Uhren alleine von ihrer Funktion her betrachtet, dann ist die die Smartwatch eine grosse Konkurrenz, zumindest in bestimmten Segmenten. Die noch bestehenden Probleme mit den Batterien und der Energie werden gelöst werden. Wenn es um die Funktion der Schweizer Uhr als Gegenstand der Wertaufbewahrung und als Schmuckstück geht, ist die Smartwatch aber keine Konkurrenz.

Uhren bis zu einem gewissen Preissegment sind aber gefährdet?
Ja, man muss die Herausforderung Smartwatch annehmen und sollte versuchen, auch in diesem Bereich führend zu werden. Die Schweiz hat dabei einen gewichtigen Vorteil: die Verbindung zwischen Feinmechanik und Informationstechnologie. Den Chinesen fehlt die IT-Komponente, den Amerikanern die Feinmechanik – die Schweiz wäre also dazu prädestiniert, eine wichtige Rolle zu spielen.

 

Der Franken bleibt überbewertet

Es herrsche derzeit Zuversicht und Besorgnis zugleich, sagt Cédric Müller, Leiter Firmenkunden bei der Credit Suisse in Biel. So hätten etwa die KMU die letzten Schocks gut gemeistert, und die Schweiz erweise sich auch dank ihres Bildungssystems weiterhin als innovativ. Anderseits setze der starke Franken vielen Unternehmen nach wie vor zu, die Uhrenexporte darbten und weltpolitische Entscheide wie der Brexit oder Wahl von US-Präsident Donald Trump sorgten für Unsicherheit. Müller hat für die genaueren Analysen an den beiden CS-Kundenanlässen in Biel am Montagabend und in Lyss gestern Morgen den Leiter Swiss Macro Research der CSeingeladen. Auch Claude Maurer sagt, dass Aussagen über die künftige Politik von Trump derzeit ein Orakeln seien (vgl. auch Interview), hält aber auch fest, dass seine politische Positionierung eigentlich nicht weit von jener Clintons entfernt sei. Eine Abkehr von den bisherigen Wirtschaftsprognosen für die USAsei jedenfalls nicht angezeigt. Als nächstes seien «homöopathische» Zinserhöhungen zu erwarten, anders als im EU-Raum: Zwar wachse die Eurozone, doch hange dieser Aufschwung «am seidenen Faden der Europäischen Zentralbank». Auch falle China nicht in eine Rezession:Fehlten private Impulse, springe der Staat in die Bresche. Kurz: «Das Bild der Weltwirtschaft zeigt sich gar nicht so schlecht, auch wenn die grossen Wachstumstreiber fehlen.»

Dementsprechend werde sich die Konjunktur in der Schweiz unspektakulär weiterentwickeln. Maurer rechnet mit einer stabilen Arbeitslosenquote 2017. Ohnehin ist der Wegfall von Arbeitsplätzen nach dem Frankenschock deutlich geringer ausgefallen als etwa nach der Finanzkrise oder dem Platzen der Dotcom-Blase. Sicher ist:Der Franken bleibt stark und überbewertet. Gleichwohl sei denkbar, dass die Nationalbank auch Phasen mit einem Kurs von deutlich unter 1.10 Franken pro Euro in Kauf nehmen werde. Für 2017 rechnet Maurer wieder mit einer leicht positiven Teuerung. Längerfristig dürften zwei grosse Trends die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz prägen:die Demographie (Alterung der Bevölkerung) und das einseitige Wachstum: Dieses findet vor allem in staatsnahen Sektoren und dem Gesundheitswesen statt, nicht aber in der Industrie. tg

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