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«Er will nicht sterben – er will rehabilitiert werden»

Peter Hans Kneubühl geht es nach 34 Tagen ohne feste Nahrung schlecht. Obwohl ihn der Psychiater als «sehr intelligent» einschätzt, spricht er ihm beim Hungerstreik die Mündigkeit ab. Noch ist aber nicht definitiv entschieden, ob Kneubühl allenfalls zwangsernährt wird.

Grosses Interesse: Werner Strik (UPD) und Thomas Freytag, Amt für Justizvollzug (rechts), informieren die Medien über Kneubühls Zustand. Copyright / Bieler Tagblatt / Peter StaubPeter Staub

von Peter Staub

Als «Amok-Rentner» von Biel ist er vor sieben Jahren schweizweit bekanntgeworden. Nun beschäftigt er noch einmal die breite Öffentlichkeit. Seit Peter Hans Kneubühl am 19. Januar in den Hungerstreik trat, um gegen seine Verlegung vom Gefängnis in Thun in die Anstalt Thorberg zu protestieren, gaben die kantonalen Behörden ihre Informationen nur häppchenweise preis. Obwohl sich Kneubühl mit einem Brief an die Öffentlichkeit wandte, wies das Amt für Justizvollzug (AJV) Fragen mit dem Hinweis ab, man müsse die Persönlichkeitsrechte des Verurteilten schützen.

Gestern nun die Kehrtwende. An einem kurzfristig anberaumten «Point de Presse» hiess es klar und deutlich: Ja, Kneubühl befindet sich im Hungerstreik. Und er befindet sich in der Obhut der Universitären Pychiatrischen Dienste Bern (UPD). Er habe zwar in den letzten 34 Tagen ohne feste Nahrung mindestens zehn Kilogramm an Gewicht verloren. Es gehe ihm schlecht. Aber er sei noch auf den Beinen. Und den Umständen entsprechend sei er in einem erstaunlich guten Zustand.

«Respektvoller Dialog»

Es sei dem Kanton ein Anliegen, Kneubühls Hungerstreik zusammen mit der UPD «gemeinsam zu lösen», sagte der etwas angespannt wirkende AJV-Vorsteher Thomas Freytag. Auf der Seite der UPD ist Werner Strik, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD, der Mann, der im medizinischen Notfall darüber entscheiden muss, ob man Kneubühl zubilligt, bis in den Tod zu hungern, wie dieser das in einem Brief als seinen Willen deklariert hat. «Wir stehen in einem respektvollen Dialog», sagte Strik, der auch darauf hinwies, dass Kneubühl die Einwilligung gab, öffentlich über seinen Fall zu sprechen.

Ob im Kanton Bern ein Gefängnisinsasse seinen Hungerstreik bis zum Tod durchziehen kann oder nicht, ist gesetzlich geregelt (das BT berichtete). Entscheidend ist, ob der Streikende seinen Verzicht auf Esswaren aus freiem Wille erklärt. Ist das so, muss man ihn von Gesetzes wegen sterben lassen. Diese Absicht hat Kneubühl klar und öffentlich deklariert. Und Strik anerkannte gestern, dass Kneubühl «sehr intelligent» sei, «logisch denken und überzeugen» könne. Dennoch sagte Strik: «Kneubühl will nicht sterben. Es besteht kein Todeswunsch.»

Dieser Widerspruch zeige sich darin, dass sich Kneubühl in seiner Geschichte verheddert habe, in der er mal Opfer, dann Täter und nun wieder Opfer sei. Mit seinem Hungerstreik wolle Kneubühl nicht nur erreichen, dass er wieder ins Regionalgefängnis Thun verlegt werde. Vielmehr ziele er auf eine «moralische Rehabilitation» ab. Dieses Ziel sei aber «objektiv unrealistisch», da er rechtskräftig verurteilt wurde. Deshalb müsse in Bezug auf seinen Hungerstreik davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall trotz aller Intelligenz keine Urteilsfähigkeit bestehe. Zudem gebe es entgegen anderslautender Meldungen keine von Kneubühl signierte Patientenverfügung, wonach er auf lebenserhaltende Mittel verzichten will.

Das ist allerdings kein abschliessender Befund, wie Freytag einräumte. «Die Urteilsfähigkeit wird wöchentlich überprüft», sagte er. Wobei er sich auf die Einschätzung der Ärzte verlasse:  «Ich habe volles Vertrauen in die UPD.» Falls Kneubühls gesundheitlicher Zustand lebensbedrohlich werde, führe man einen täglichen Dialog. Strik zeigte sich gestern zuversichtlich, dass es nicht so weit kommt. Kneubühl habe die intellektuellen Fähigkeiten zu erkennen, dass er in Bezug auf die Mittel, sein Ziel zu erreichen, Kompromisse eingehen müsse. Strik hofft, dass dies in ein bis zwei Wochen der Fall ist.
Sollte es dennoch zu einer Zwangsernährung kommen, würde es gemäss Strik nicht reichen, Kneubühl eine Infusion zu verpassen. Er würde mit einer Magensonde ernährt. Das sei aber «keine gute Lösung», sagte Strik.

Besuch trozt Kontaktsperre

Kneubühl bekommt zurzeit Medikamente als «Stimmungsstabilisatoren», aber keine Mittel, die seinen Willen verändern sollen. «Wir geben ihm nichts, was ihn dämpft, das wäre kontraproduktiv», sagte Strik. Der aktuelle «respektvolle Kontakt»sei eine Sensation, die man nicht aufs Spiel setzen wolle. Obwohl Kneubühl momentan einer Kontaktsperre unterliegt, er also auch keine Briefe verschicken kann, wird er bald seinen regelmässigen Besucher aus Meinisberg sehen können. «Wir wollen mit dem Besucher in Anwesenheit Kneubühls sprechen», sagte Strik.

Infobox
Etappen des Streiks
• Seit dem 19. Januar verweigert Peter Hans Kneubühl die Nahrung. In einem Brief bekannte er, es sei ein Hungerstreik bis zum Tod. Er höre erst auf, wenn er ins Regionalgefängnis in Thun zurückgebracht werde.
• Den Hungerstreik begann Kneubühl, als er in die Anstalt Thorberg verlegt wurde.
• Vorletzte Woche wurde Kneubühl aus gesundheitlichen Gründen ins Inselspital transportiert, bevor er am letzten Dienstag in die forensische Abteilung der Universitären Psychiatrischen Dienst (UPD) in Bern verlegt wurde.
 

Kommentare

Demokrat

@Biennensis, danke für ihren Hinweis, habe den ganz vergessen. Igor und Carlos sind nicht therapierbar und unzurechnungsfähig! Aber man hegt und pflegt beide!


Biennensis

Nicht nur der "Igor", sondern auch der "Carlos" geniesst in der Schweiz einen Sonder-Schutz-Status! Dazu noch ein paar teure Spezialsettings von Psychologen auf Kosten des Steuerzahlers und der Carlos ist wieder Einsatzbereit (Kampfbereit)!


Demokrat

@ dienidauer, Bitte lesen Sie den heutigen Leserbrief in dieser Angelegenheit, der vieles aufdeckt! Für Sie ist ein Schweizer, der für sein recht kämpft ein Querulant? Und Igor, ihm werden alle Mittel zur Verfügung gestellt damit er vor dem EMRK klagen kann! Das ganze bisherige Verfahren stinkt gewaltig nach Korruption. Ich hoffe, dass einem damalig anwesenden Polizisten sein Gewissen plagt und die Öffentlichkeit erfährt, wie es tatsächlich abgelaufen ist! Die richtigen Lausbuben die alles zu verantworten müssten, sind ja nicht mehr im Amt, doch einer sitzt heute in der Dunkelkammer des Ständerates!


dienidauer

Ich kann es nicht nachvollziehen, weshalb einem solchen Querulanten Schweiz weit, immer wieder eine Plattform geboten wird.


Demokrat

Himmeltraurig was mit diesem Menschen gemacht wird! Ein Fall für den EMRK. Wer hat damals geschossen? Und aus welchem Winkel? Wo ist die Waffe? Warum wurde das nie geklärt?


Biennensis

"Aber keine Mittel, die seinen Willen verändern sollen". Sollen??? Ob der Herr Strik uns tatsächlich die Wahrheit erzählt?


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