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Eishockey

«Ich will national noch lange spielen»

Unmittelbar nach der bitteren Niederlage gegen Deutschland hat Jonas Hiller seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt gegeben. National will er aber noch ein paar Jahre anhängen.

Nach 69 Länderspielen gab Jona Hiller gestern seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt. Bild: Keystone

Beat Moning

Wer 283 Partien in der National League und 437 Begegnungen in der National Hockey League in den Beinen hat, 36 Jahre alt ist und 69-mal für die Schweiz angetreten ist, der stösst eines Tages an Grenzen. Jonas Hiller hat diese gemäss eigenen Aussagen erreicht. Es sei kein Entscheid aus der Bitterkeit der Niederlage gegen Deutschland heraus, sondern reif überlegt. «Ich brauche definitiv mehr Erholungszeit», sagte er gestern bestimmt. Eine vierte Olympia-Teilnahme nach Vancouver, Sotschi und Pyoengchang wäre 2022 in Peking kaum mehr in Frage gekommen. Zudem: «Die Weltmeisterschaften im Mai sind spät in der Saison drin und der Sommer kommt entschieden zu kurz», so der zweifache Familienvater und passionierte Kitesurfer mit einem eigenen Geschäft am Bielersee.

 

Martin Steinegger: «Hiller wurde schlecht behandelt»
Für Biels Sportchef Martin Steinegger kommt der Rücktritt nicht überraschend. «Gewusst habe ich es nicht, das hätte er auch nie zum Voraus gesagt. Aber ganz unerwartet kommt dieser Schritt nicht.»

Steinegger glaubt zwar nicht, dass er aus einer Situation des Frusts heraus gehandelt hat. Und denkt dabei keineswegs an dieses 69. und letzte Länderspiel des Biel-Goalies. «Er wurde nach der letzten Weltmeisterschaft in Paris nicht gut behandelt und auch jetzt im Vorfeld hätte ich von den Verantwortlichen mehr Support für Hiller erwartet. Er spielte doch zuletzt nicht nur besser als Genoni, er hatte geradezu einen sensationellen Dezember und Januar.»

Für Jonas Hiller ist die Regeneration von entscheidender Bedeutung, «weil ich noch ein paar Jahre national spielen möchte und ich nach jeder Saison das Gefühl habe, dass ich immer mehr Zeit brauche, um mich zu erholen.» Gemäss einer Information der Nationalmannschaft habe Hiller bereits vor dem Turnier den Nati-Verantwortlichenseinen Rücktritt nach dem Turnier gemeldet. «Das ist richtig», bestätigt er. «Es ist Zeit, jungen Goalies Platz zu machen.»

 

Verlängerung: beidseitiges Interesse vorhanden
Die Frage geht sogleich an Martin Steinegger, ob eine vorzeitige Verlängerung des bis 2019 laufenden Vertrages zum Thema wird? «Wir haben darüber bereits mit dem Manager gesprochen. Das Interesse ist von unserer Seite vorhanden.» Auch Hiller selber sieht aufgrund der Konstellation (Wohnort, der See zum Surfen) Vorteile und zeigt entsprechendes Interesse.

Dass der Appenzeller nun international aufhört, sei kein einfacher Entscheid gewesen. «International zu spielen ist stets eine Herausforderung, die mir passte und die mir enorm viel Spass bereitet hat», hielt er gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF fest. Drei Olympische Winterspiele, vier Weltmeisterschaften, viele Testspiele. «Olympia bleibt der Höhepunkt für mich und es ist nicht einfach, jetzt, nach diesem Turnier, sagen zu müssen, das war es. Aber ich muss und will auf meinen Körper schauen. Man kann von ihm nicht alles abfordern, man muss auch etwas zurückgeben.»

Mit dem jetzt zu Ende gegangenen Turnier sei er mit sich zufrieden, auch wenn die Enttäuschung unmittelbar nach dieser Partie gross ist. «Ich wusste, dass ich gut in Form bin, aber ich wusste beim Hinflug ja nicht einmal, ob ich wirklich zum Einsatz kommen werde. Nun wurden fast vier Spiele daraus, auch wenn es natürlich zum Abschluss nicht einfach ist, mit dieser Niederlage aufzuhören.»

Auch die Statistik zeigt auf, dass Hiller richtig liegt: Bei einer Fangquote von 95,60 Prozent ist er aktuell die Nummer 2 hinter dem schwedischen Goalie Viktor Fasth. Zu diesem «Spitzenduell» kommt es nun aber nicht. Schweden trifft im Viertelfinale auf die Deutschen.

 

«Wir sind wohl nicht so gut, wie wir meinen»
Martin Steinegger hat die Partie am TV verfolgt. «Gegen Deutschland war es immer ein ‹Gekraue›. Früher war es so und in zehn Jahren wird es so sein.» Überrascht sei er insofern, «dass das Tempo in der DEL tiefer ist und es den Deutschen gelungen ist, das Tempo der Schweizer zu drosseln und das Fischer-Team nicht in der Lage war, die Pace zu erhöhen.»

Es sei aber richtig gewesen, im Vorfeld eine Medaille anzupeilen. «Wenn nicht jetzt, wann dann? Es braucht hohe Ziele. Diesen Anspruch konnte die Mannschaft an sich selber schon stellen. Zumal wir immer noch glauben, dass wir die zweitbeste Liga haben.»

Martin Steinegger nimmt aber kein Blatt vor den Mund: Die Schweizer Liga sei zwar attraktiv, «das Spektakel überdeckt aber oft den spielerischen und taktischen Gehalt. Wir sind wohl in der Tat nicht so gut, wie wir meinen.»