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Weltraum

In Miniaturformat in die Umlaufbahn

Guido Bucher, Physiker an der Berner Fachhochschule in Burgdorf, hat eine besondere Herausforderung gemeistert und
2700 Kinderzeichnungen für einen Flug ins All vorbereitet. Das Laserprojekt wurde für ihn zu einem richtigen Abenteuer.

2700 Kinderzeichnungen, die schon bald im Weltall unterwegs sind. Bild: zvg
  • Dossier

Janosch Szabo

Wenn Guido Bucher von den vielen hundert Kinderzeichnungen erzählt, die er mittels Lasertechnik tausendfach verkleinert auf Titan gebracht hat, beschönigt er nichts, erwähnt jeden Stolperstein. Nun sind die zwei heftgrossen Metallplatten, die Anfang nächsten Jahres ins All fliegen und dort an einem Satelliten befestigt um die Erde kreisen werden, zwar fertig und schön. Der Weg bis zu einem zufriedenstellenden Resultat war aber ganz und gar kein Spaziergang.

 

Mit dem Teleskop ins All
Dabei hatte Bucher die Herausforderung zunächst unbesorgt angenommen, als er vor etwa vier Jahren eine Anfrage von Willy Benz von der Uni Bern erhielt. Der renommierte Astrophysiker eröffnete Bucher die Idee eines Kinderzeichnungs-Wettbewerbs im Rahmen der von ihm imitierten und geleiteten CHEOPS-Mission. CHEOPS steht für «CHaracterising ExOPlanets Satellite» und ist ein gross angelegtes Weltraumprojekt der Schweiz und der Europäischen Weltraumorganisation ESA, bei der ein Satellit in einer Entfernung von 700 Kilometern die Erde umrunden soll – mit an Bord ein von Ingenieuren der Uni Bern entwickeltes Weltraumteleskop. Mit diesem wollen die Forscher Exoplaneten vermessen, welche Lichtjahre von uns entfernt vor ihren Muttersternen hindurchziehen.

Mit auf diese Reise sollten nun eben auch Zeichnungen von Kindern aus ganz Europa geschickt werden, so die Idee. Guido Bucher war begeistert: Eine sehr gelungene Promotionsaktion, fand er, um das CHEOPS-Projekt und damit die Weltraumforschung der Allgemeinheit, speziell den Jungen, nahe zu bringen. «Wenn nur schon zehn Prozent der involvierten Kinder dadurch einen Zugang zur Welt der Technik bekommen, ist das Ziel für mich erfüllt.» Kurz gesagt: Bucher sah sofort einen Sinn in dem Unterfangen und ein herausforderndes Projekt für ihn als Spezialisten für Laser- und Oberflächentechnik am Departement Technik und Informatik der Berner Fachhochschule in Burgdorf.

 

Tüfteln in den Ferien
Aus Titan sollte das Plateau für die Zeichnungen sein, ein sehr leichtes und stabiles Metall. «Sie darin einzugravieren, wird dann schon gehen», dachte Bucher, sich auf Erfahrungen aus früheren Projekten mit Aluminium stützend, während er auf die Zeichnungen wartete. Als seitens der Uni Bern Muster verlangt wurden, war‘s um die Lockerheit allerdings bald geschehen. «Schwarz-weiss ging, farbig aber nicht, die Auflösung zu schlecht.» Bucher tüftelte und hörte von Willy Benz bereits, die Einweihung des Teleskops werde ein mediales Ereignis werden. «Da wurde ich langsam nervös, die Platte musste definitiv auch makroskopisch gut aussehen.»
 

Monatelanges Programmieren
Die zündende Idee folgte auf dem Fuss: Anodisieren. Der Physiker tauchte die Titanplatte in ein Wasserbad mit Elektrolyten und legte elektrische Spannung an. Je nach Spannung wird dadurch eine unterschiedlich dicke Titanoxydschicht erzeugt, was die Oberfläche in unterschiedlichen Farben erscheinen lässt. Blau, fand Bucher, ergab den besten Kontrast. «Jetzt hab ich‘s», dachte er. Das Modell gefiel. Doch dann bei der Umsetzung von klein auf gross der Schock: plötzlich verbog sich die Platte beim Polieren. Bucher war zunächst ratlos, selbst der hauseigene Mechaniker Bruno Niklaus, der ihm die Titanplatten zurechtgemacht hatte, wusste nicht weiter. «Ich kam ins Grübeln, und die Sommerferien gingen mit Basteln im Labor hops.» Die Lösung schliesslich war ganz einfach: polieren auch auf der Rückseite und weg ist die Verbiegung. «Aber darauf muss man zuerst kommen.»

Stolpersteine gab es auch bei der Vorbereitung der Zeichnungen. Dabei machte zunächst das automatische Zuschneiden der von der Uni Bern ausgewählten und eingescannten Zeichnungen Probleme, weil beim Wettbewerb unterschiedliche Vorlagen verwendet wurden. In einem zweiten Schritt wandelte Bucher die Graustufen-Zeichnungen in schwarz-weiss-Bilder um, dann mussten sie noch mittels Software auf 350 x 560 Pixel heruntergebrochen werden. «Das alles war monatelange Programmierarbeit», und zum Teil doch auch noch Handarbeit, wie aus den Erklärungen von Guido Bucher hervorgeht. Zu sehen bekommen hat er dabei ungezählte Mondlandungen, Satelliten, Raketen, Planeten, Ausserirdische, immer wieder in neuem Stil und Arrangement und unterschiedlich kreativ, und findet heute, dass das ganze Projekt durchaus einen künstlerischen Wert hat. Eine Zeichnung gefällt ihm besonders. «Ein Kind hat darauf alles verkehrtherum gezeichnet. Das fand ich super. Es gibt dort oben schliesslich kein oben und unten.»

 

20 Stunden unter dem Laser
An solchen Dingen kann sich Bucher genauso freuen, wie an der neuen Vakuumplatte bei ihm im Labor. Sie saugt die Titanplatte fest, sodass der Laser darüber ähnlich einem Tintenstrahldrucker Millimeter für Millimeter und Linie für Linie präzis seine Arbeit erledigen kann. Mit Pulsen von 200 Nanosekunden und unterstützt von einem Spiegel, der ihn computergesteuert zu den total über 57 Millionen Bildpunkten leitet, bearbeitet er die Oberfläche. Das Spezielle: «Es wird dabei kein Material entfernt, sondern nur die blaue Oxydschicht umgewandelt.» Das Verfahren dauert pro Plakette rund 20 Stunden. Man kann sich vorstellen, unter welcher Spannung Bucher jeweils stand, als noch nicht alles so bewährt eingestellt war, wie jetzt, und er die Platten beispielsweise mit Klebeband zu fixieren versuchte. «Da fliesst dann das Adrenalin, während man das Resultat abwartet.» Manches Mal erlebte er am nächsten Tag eine böse Überraschung. Bucher sinniert: «Man kann so viele Fehler machen.»

 

«Stolz auf dieses Projekt»
Aber nun ist es geschafft und selbst von jeder gelaserten Zeichnung ein Foto im Kasten – eine aufreibende Geschichte für sich. Bucher bilanziert: «Auf dieses Projekt bin ich richtig stolz. Ich bin über mich hinausgewachsen.» Jetzt will er an diesen Erfahrungen anknüpfen und überlegen, wie er die entwickelte Technik in die Industrie bringen kann, um so der BFH mit dem Projekt neue Geschäftsfelder zu eröffnen. Es rieche für ihn vor allem nach Uhrenindustrie, aber auch andere Bereiche, wo Titan zum Einsatz komme, seien denkbar. Bucher ist zuversichtlich: «Das Schöne am Forschen ist: es kommt immer etwas dabei heraus, wenn auch nicht immer das, wonach man sucht.»


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IMPRESSUM

Dieser Artikel ist eine Co-Produk-tion des Departements Technik und Informatik der Berner Fachhochschule und dem «Bieler Tagblatt». Die BFH ist als Partner in die Themenplanung involviert. Die redaktionelle Hoheit liegt bei der 
Redaktion. Die Seite erscheint einmal pro Monat im «Bieler Tagblatt» und im «Journal du Jura».

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