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Landwirtschaft

Jetzt spriessen Rhabarber und Spargeln

Bis zu zehn Zentimeter pro Tag wachsen die Grünspargeln derzeit, und auch die Rhabarber legen täglich zu. «Morgen geht die Ernte los», sagt Ernst Bichsel vom Frischmärit Bichsel erfreut.

Ernst Bichsel mag sowohl Rhabarber als auch Spargeln. Nicht nur als Konsument, sondern auch als Produzent:«Das sind praktische Pflanzen», sagt er. Dank ihrer frühen Reife verteile sich die Feldarbeit über die Saison gesehen gut. Peter Samuel Jaggi
  • Dossier

von Andrea Butorin


Endlich geht es endlich los: Ernst Bichsel ist überzeugt, dass er die ersten Rhabarber-Stängel und auch Spargeln wird ernten können. Als das BT ihn am Montagnachmittag auf seinen Feldern im Täuffeler Moos besucht, scheint das kaum möglich:Die leuchtend-roten Rhabarberstängel sind noch ziemlich kurz, und der zögerlich aus der Erde blickende Grünspargel ist erst auf den dritten Blick überhaupt als solcher zu erkennen. Auf den ersten und zweiten Blick wirkt es, als liege ein zwar geeggtes, aber unbepflanztes Feld vor einem.
Doch in diesen sonnigen und warmen Tagen kann man den Pflanzen buchstäblich beim Wachsen zuschauen:«Der Grünspargel wächst nun gut und gern zehn Zentimeter am Tag», sagt Ernst Bichsel.
 

Keine Kreuzung mit Erdbeere
Gemeinsam mit seiner Frau Sandra führt Ernst Bichsel den Täuffeler Bauernbetrieb in vierter Generation. Schon seine Urgrosseltern fuhren nach Biel, um ihre Ware auf dem Markt zu verkaufen, und bis heute leben Bichsels ausschliesslich vom Direktverkauf (siehe Infobox).
Mit den Rhabarbern begann Ernst Bichsel vor fünf oder sechs Jahren zu experimentieren:«Unsere Kunden fragten zunehmend nach Erdbeer-Rhabarber», sagt er. Diese ist nicht etwa eine Kreuzung zwischen Rhabarber und Erdbeere, sondern es handelt sich um eine alte Sorte mit sattroten Stängeln. «Ihr milder Geschmack zeichnet sie aus», sagt Bichsel. Dafür wachse sie langsamer als die anderen Sorten.
Das Feld, auf dem Bichsels Rhabarber wachsen, ist ungefähr 70 Are gross. Die einzelnen Reihen stehen allerdings in so grossem Abstand zueinander, dass alle Stauden auch auf 30 Are Platz finden würden. Die grosszügige Bepflanzung hat ihren Sinn:«Im Herbst trennen wir von Hand Staude für Staude, wodurch aus jeder Staude eine weitere entstehen wird.»
In diesen Tagen sei es besonders wichtig, dass die Pflanzen genug Wasser bekommen, um wachsen zu können. Ernst Bichsel rechnet bis Saisonschluss mit einem Ertrag von rund 2000 Kilogramm Erdbeer-Rhabarbern.
 

«Wir schaben alles von Hand»
Laut dem Verband Schweizer Gemüseproduzenten gibt es im Seeland rund zwei Dutzend Rhabarberproduzenten. Die Zahlen zeigen, dass der Anbau im Verleich zu den Spargeln marginal ist (siehe Infobox). Ernst Bichsel produziert auf seinem Hof ausschliesslich Biogemüse und Früchte. Das grösste Problem bei den Rhabarbern ist für ihn deshalb das Unkraut. «Wir schaben hier alles von Hand raus», sagt er. Dünger darf er lediglich organischen einsetzen. Pflanzenschutzmittel dagegen werde bei Rhabarbern generell kaum benötigt. Bei den Spargeln ist es ebenfalls die Unkrautbekämpfung, die Mehraufwand verursacht. Schwieriger als bei der konventionellen Landwirtschaft sei zudem, Krankheiten in Schach zu halten.
 

Bild: Peter Samuel Jaggi

Fast eine Verwandtschaft
Rhabarber sind mehrjährige Pflanzen: Bis zu zehn Jahre lang kann man bei einer Pflanze die süsssauren Stängel ernten. Mit den Spargeln haben sie Einiges gemeinsam:Beide gehören im Frühling zu den frühesten Gemüsesorten. Zudem werden beide aus dem selben Grund nur bis zum 21. Juni geerntet:«Nach diesem Datum benötigen sie die Energie für sich selbst und sammeln Kraft für das nächste Jahr», sagt Ernst Bichsel. «Solange man erntet, plagt man die Pflanze.»
Weil sie ab dem längsten Tag des Jahres ihre Ruhe haben, können sie ungestört weiterwachsen. «Im Herbst sind die beiden Pflanzen wunderschön anzuschauen», sagt Bichsel. Während die Rhabarber buschig werden, wachsen die Spargeln zu mannshohen gelb-braun-roten Sträuchern an, welche die Bienen anziehen.
Bei beiden Kulturen komme es wegen dieses Wachstums ab und zu vor, dass unkundige Spaziergänger den Eindruck hätten, dass die Bauern ihre Kulturen ungeerntet haben stehen lassen.
Bevor der Winter Einzug hält, werden die Spargelsträucher dann gemulcht, also vor Ort zu kleinen Stücken zerhackt, um Krankheiten zu vermeiden.
 

Bis 25 Zentimeter tief in Boden
Die Spargeln sind bis zu 25 Zentimeter tief im Boden und bilden unterirdisch ein zusammenhängendes Geflecht. Bichsels pflanzen auf dem ebenfalls 70 Are grossen Feld ausschliesslich grüne Spargeln an. «Die sind heikler als die weissen, weil sie oberirdisch wachsen, dafür ist der Aufwand etwas geringer», sagt Ernst Bichsel. Dies, weil die weissen Spargeln gestochen werden, kaum dass sie aus dem Boden herausragen, sie müssen also quasi zum Boden herausgegraben werden.
Zumindest wenn sie jung sind, sehen die grünen Spargeln wie weisse aus. Wegen der Photosynthese werden sie grün, sobald sie eine gewisse Grösse erreichen.
 

Praktische Pflanzen
«Spargeln und Rhabarber sind für mich praktische Pflanzen», sagt Ernst Bichsel. Dank ihrer frühen Reife verteile sich die Feldarbeit über die Saison gesehen gut. Letztes Jahr seien beide Kulturen aussergewöhnlich früh reif gewesen, dieses Jahr haben sie zwei bis drei Wochen Verspätung (siehe Zweittext).
«Heuer merken wir schon, dass sich die Kunden danach sehnen.» Auch Bichsel selbst freut sich schon ungemein auf seine Erzeugnisse:Die Grünspargeln geniesst er am liebsten vom Grill, während er die Rhabarber klassisch als Kuchen bevorzugt.   

 

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Frischmärit Bichsel


Frischmärit Bichsel in Täuffelen wird von Sandra und Ernst Bichsel in vierter Generation geführt.
Auf insgesamt sechs Hektaren bauen sie nebst Spargeln und Rhabarbern auch Nüssler, Zwiebeln, Stangenbohnen, Kürbis, Spinat, Zwetschgen, Kirschen und Äpfel an.
Weiter im Angebot sind Blumen sowie weitere landwirtschaftliche Erzeugnisse von Berufskollegen.
Verkaufsorte:Geschäft in Täuffelen, Stedtli Chäsi Aarberg, auf dem Markt in Biel und Murten.

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Anbauflächen


Rhabarber     2010     2016  2017
Seeland          13         16        19
Schweiz      45         95        78

Spargeln grün 2010    2016  2017
Seeland      17         31        32      
Schweiz    130       220      210

Spargeln weiss 2010   2016  2017
Seeland       12        39        39
Schweiz     100       170     180
Quelle:Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen. Alle Angaben sind in Hektaren.

 

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Nicht jedes Gemüse hat Verspätung

«Die Spargeln und auch die Rhabarber haben dieses Jahr zwei bis drei Wochen Verspätung», sagt Christian Bucher, Fachstellenleiter Gemüse am Inforama Ins. Das liegt am nasskalten Wetter, das bis Ende März herrschte. Bei anderen Gemüsesorten wie den meisten Blattsalaten wirkt sich das Wetter laut Bucher hingegen kaum aus: Denn diese wachsen im Frühling noch im Gewächshaus.
Weil es im April bislang fast durchwegs schön und überdurchschnittlich warm war, könne man derzeit beobachten, dass erste Gemüseproduzenten ihre jungen Kulturen wässern.
«Beim Freilandgemüse startet die Saison nun langsam», sagt Christian Bucher. Diese Woche können nicht nur die ersten Spargeln und Rhabarbern geerntet werden, sondern es kommen auch die ersten einheimischen Kohlrabis auf den Markt.
Während die meisten Frühkartoffeln schon im Boden sind, werden nun langsam auch die anderen Kartoffelsorten gesetzt, sagt Bucher.
 

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Die Chinesen kannten Rhabarber als Heilmittel

Botanisch gehört der Rhabarber zwar zu den Gemüsen, Verwendung findet er aber meist als Dessert. Der Rhabarber ist sehr alt. Aufzeichnungen zufolge setzten ihn die Chinesen bereits vor rund 4700 Jahren als Heilmittel ein, weil er verdauungsfördernd wirkt. Dank günstigen klimatischen Bedingungen verbreitete er sich bis in unsere Breitengrade, wo er vorerst auch bloss medizinisch eingesetzt wurde. Erst im 18. Jahrhundert wurde er auch in der Küche entdeckt. Der charakteristische Geschmack liegt am hohen Gehalt von Apfel- und Zitronensäure. Nebst den Mineralien Kalium und Kalzium und reichlich Ballaststoffen enthalten Rhabarber die Vitamine A, B1, B2, vor allem aber viel Vitamin C. Rhabarber enthält aber auch die in grösseren Mengen giftige Oxalsäure. Weil sich die Säure vor allem in den grünen Blättern befindet, sollten diese nicht gegessen werden. Gleich verhält es sich mit den Stielen, die immer nur geschält auf den Teller kommen sollten. Wer auf Nummer sicher gehen will, kocht oder blanchiert die Rhabarber und schüttet das Kochwasser weg. Die Blätter können als Dünger oder als natürlicher Pflanzenschutz im Hausgarten verwendet werden.
Im Garten sind Rhabarber sehr pflegeleicht. An sonnigen bis halbschattigen Standorten gepflanzt, brauchen sie lediglich einen nährstoffreichen Boden und genügend Wasser. Gegen Schädlinge und Krankheiten sind sie weitgehend resistent. Und mit acht bis zehn Jahren Lebensdauer sind die zwischen 70 und 150 cm hohen Stauden langlebig. (LID)

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