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Brügg

«Freiwilligenarbeit wird unterschätzt»

Ehrenamtliches Engagement hat in der Schweiz eine grosse Bedeutung. Doch die Anforderungen an Vereine und Organisationen haben sich geändert. Inwiefern? Eine Veranstaltungsreihe in Brügg informiert.

François Höpflinger. Bild: Keystone

Gemäss dem Bundesamt für Statistik beträgt der Wert der geleisteten Freiwilligenarbeit in der Schweiz pro Jahr umgerechnet 34,3 Milliarden Franken. Die Schweiz gehöre neben Deutschland und Skandinavien zu den Ländern, in denen viel mehr Freiwilligenarbeit geleistet werde als in Süd- oder Osteuropa, sagt François Höpflinger, Zuständiger für Forschungs- und Beratungstätigkeiten zu Alters- und Generationenfragen. «Die Bedeutung der Freiwilligenarbeit in unserer Gesellschaft ist enorm, zum Teil wird sie unterschätzt.» Es gäbe jedoch immer mehr Menschen, die pensioniert werden und denen es gesundheitlich gut gehe. Wenn sich diese Menschen nicht gesellschaftlich engagieren würden, dann hätten wir ein Problem, gibt Höpflinger zu bedenken.

«Wenn eine Gemeinde Freiwillige haben will, muss sie das aktiv fördern», sagt Höpflinger. Dies tut die Kirchgemeinde Bürglen mit ihren sieben politischen Gemeinden Aegerten, Brügg, Jens, Merzligen, Schwadernau, Studen und Worben mit ihrem aktuellen Projekt. Die Veranstaltungsreihe zum Thema Freiwilliges Engagement startet heute. Hinter dem Projekt stehen neben der Kirchengemeinde Bürglen die Spitex Bürglen, die Organisation Benevol Schweiz und die Fachstelle für Altersfragen. Mit den Veranstaltungen wollen sie «Interessierten aufzeigen, was es alles für Möglichkeiten gibt», wie die Projektleiterin Dorothea Loosli erklärt. Ausserdem soll mit den Anlässen die Vernetzung zwischen den Helfern und Organisationen gefördert werden. Den Einstieg in das Projekt «Ohne uns geht gar nichts» macht François Höpflinger mit seinem Referat zur gesellschaftlichen Bedeutung der Freiwilligenarbeit.

In seinem Vortrag wird der Gerontologe verschiedene Themen ansprechen: Einerseits die grossen sozialen Unterschiede der freiwilligen Helferinnen und Helfer, andererseits die Motive, welche für das freiwillige Engagement eine Rolle spielen. Er werde auch auf die Konsequenzen eingehen, die das freiwillige Engagement mit sich bringt, positive wie auch negative, sagt Höpflinger.

Auch er beobachtet die Veränderungen der ehrenamtlichen Arbeit. «Es gibt neue Formen der Freiwilligenarbeit. Die Leute, die sich engagieren, wollen wissen, auf was sie sich einlassen, wie viel Zeit das Engagement nehmen wird, was es für Möglichkeiten gibt, sich selbst einzubringen», sagt Höpflinger. Viele Leute, auch pensionierte, seien zum Teil sehr gut ausgebildet und hätten höhere Ansprüche an die Tätigkeiten, die sie freiwillig ausüben, ergänzt der Altersforscher. Laut ihm ist die Schwierigkeit, dass sich zwar viele Leute sozial engagieren, sich aber nicht verpflichten wollen. «Sie wollen teilnehmen, aber nicht gebunden sein. Gleichzeitig wollen sie verantwortungsvolle Aufgaben haben», sagt Höpflinger.

Auch das Integrieren von älteren Menschen sei ein Thema. Pensionierte hätten gegenüber Erwerbstätigen den Vorteil, dass sie weniger zeitliche Einschränkungen hätten. Beim Einbezug älterer Menschen in die Freiwilligenarbeit gebe es aber einen Aspekt, der berücksichtigt werden müsse: «In generationengemischten Vereinen und Organisationen ist es wichtig, dass alle Altersklassen gleich viel Mitbestimmung haben. Und die Unterschiede in den Generationen müssen berücksichtigt werden», sagt Höpflinger. Dabei spricht er aus Erfahrung: «Wir hatten unter Forschern auch schon Mühe mit der Zusammenarbeit zwischen den Älteren und den Jüngeren; die Älteren hatten unendlich viel Zeit, um über irgendwelche Kleinigkeiten zu diskutieren, während die Jüngeren wegen ihrem Studium effizient arbeiten mussten.»

«Mit meinem Referat möchte ich aufzeigen, wie wichtig das freiwillige Engagement ist und wie wichtig auch die neuen lokalen Entwicklungen sind», sagt Höpflinger. Wenn man als Verein gewisse Neuentwicklungen nicht erkenne und sich anpasse, werde man Mühe haben, sich im Wettbewerb um die Kompetenzen zu behaupten, so Höpflinger abschliessend. Lou Gfeller


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Anlässe zum Thema

Ort: Kirchgemeindehaus Brügg

Heute, 20 Uhr: Referat «zur gesellschaftlichen Bedeutung der Freiwilligenarbeit» von François Höpflinger.

3. November, 10 bis 16 Uhr: Marktplatz der Möglichkeiten, an dem sich verschiedene Organisationen und Vereine vorstellen und Interessierte mit 
ihnen in Kontakt kommen können.

6. November, 20 Uhr: Podiumsdiskussion zum Thema «Freiwilliges Engagement heute». lou

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