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Schwingen

Für einen Schwinger war ein Stier erschwinglich

Schwingen hat mit seinem Rückhalt, den es in der Schweiz geniesst, als Wort auch in der Sprache seinen festen Platz. Allein vom Klang her bedeutet Schwingen Schwung und Bewegung.

Bild: Keystone

Schwingen ist gemäss dem Eidgenössischen Schwingerverband «eine Abart des Ringens, also ein Zweikampf zwischen zwei kräftigen Gestalten, mit eigenen Regeln, Griffen und Schwüngen», wie er auf seiner Website schreibt. Schwingen, Ringen und Schwünge: Diese Wörter bedeuten Körperkraft und ständige Bewegung. «Weit ausholend hin- und herbewegen» gilt denn auch als Grundbedeutug für das Verb «schwingen». Nun verharren zwei Schwinger zur Abschätzung ihrer Kräfte und um den Schwachpunkt des Gegners auszuloten manchmal in sehr enger Tuchfühlung, sind also nicht permanent «weit ausholend». Sie umfassen sich. Dabei sind sie immer gut geerdet, zur Erde kehren sie ja auch immer wieder zurück ...

Das Wort «schwingen» mit seinem intensiven Bewegungsmotiv hat frühe Wurzeln. Gemäss dem Etymologischen Wörterbuch des Deutschen gab es im achten Jahrhundert das althochdeutsche «swingan», dann auch das mittelhochdeutsche «swingen» (schwingen, schütteln, fliegen, schweben, sich bewegen). Weiter wird auf das altirische «seng» (schlank) und das altindische «svájatē» (umarmt, umschlingt, umfasst) und «párisvakta-» (eng umschlungen) verwiesen, was ja mit der Umfassungstaktik im Schwingen ohne weiteres im Einklang stehen würde. Ein Ansatz zu den indoeuropäischen Wörtern «sueng», «suenk» (biegen, drehend schwingen, schwenken) wird sodann für möglich gehalten. Nicht überraschend wird «schwingen» sprachlich auch mit Wörtern verbunden, die ebenfalls spontan an Bewegung denken lassen: Schwanz, Schwang, Schwank, schwanken, schwenken und, im Sinne von «biegsam», «gebrechlich», auch schwach (wobei die Schwinger an dem zuletzt genannten Wort kaum Freude haben dürften …). Schwang und Schwank konnten noch im 19. Jahrhundert gleichbedeutend nebeneinander gebraucht werden, haben sich nun aber gemäss dem sprachgeschichtlichen Wörterbuch auseinandergelebt. Der Schwang ist demnach seiner Bedeutung als «schwingende Bewegung» treu geblieben – wir kennen auch den Überschwang der Gefühle –, ist aber gegenüber dem Schwung in den Hintergrund getreten. Unter einem Schwank wird heute ein «lustiger Einfall» verstanden. Wörter leben und verändern sich.

Wenn Turner am Reck, an den Ringen oder am Trapez schwingen, so sind sie von luftiger Eleganz. Schwingen bezieht sich also nicht nur auf das Element Erde, wenn gerungen wird, sondern auch auf dasjenige der Luft. Aber auch ein erdgebundener Schwinger versucht, sich im Kampf emporzuschwingen, über seinen Gegner zu triumphieren. Wer sich emporschwingen will, drängt hinauf, nach oben, will Luft atmen. Im Sport ist das legitim, in der Politik und in der Wirtschaft sind da je nachdem Leute am Werk, die besser unten geblieben wären. Wer aber übermütig und arrogant wird, bekommt hin und wieder zu spüren, dass etwas auch zurückschwingen kann, ein Pendel nämlich. Wenn das Pendel in so einer Situation wie eines in einer Uhr zurückschwingt, dann sorgt es für einen Ausgleich, weist Menschen oder auch Mächte und Staaten in die Schranken.

Mit der Luft hat auch ein anderes Schwingen zu tun, das ebenso Schweizer Brauchtum ist: dann nämlich, wenn das Tuch mit dem weissen Kreuz auf rotem Grund hochgeworfen wird und einen Moment über dem Kopf des Fahnenschwingers flattert. Das Fahnenschwingen braucht ebenfalls Kraft und Können.

Erschwinglich – er-schwing-lich – war am Eidgenössischen der Stier Kolin: für den besten Schwinger. Einer hatte es beim Kampf buchstäblich in der Hand, das Tier für sich zu erschwingen und als Preis mitzunehmen. Christophe Pochon

Stichwörter: Stier, Schwingen