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Ständeratswahl

Die erfolgreiche Verliererin

Ist Regula Rytz’ Wahlniederlage ein arger Dämpfer für die Grünen? Wer das so sehe, habe überzogene Erwartungen an ihre Partei und übersehe die realen Machtverhältnisse im Kanton Bern, sagt die Chefin der Grünen.

Bild: Keystone
  • Dossier

Stefan von Bergen

Ist die grüne Welle im Kanton Bern beim zweiten Ständeratswahlgang vom Sonntag schon erlahmt? Darüber gehen die Meinungen auch mit etwas Abstand auseinander. Die Frage ist unmittelbar verknüpft mit jener Person, die die grüne Welle verkörpert: Regula Rytz. Dass die Parteipräsidentin und Wahlsiegerin vom 20. Oktober nun am Sonntag gegen Hans Stöckli (SP) und Werner Salzmann (SVP) eine Niederlage erlitt, wurde vor allem im bürgerlichen Lager als Indiz für ein erstes Nachlassen der Grünen verstanden.

Natalie Imboden, kantonale Co-Präsidentin der Grünen, schüttelt den Kopf. «Die grüne Welle ist eine Tatsache, auch im Ständerat», sagt sie. Ihre Partei hat sich dort schon um drei auf vier Sitze verbessert, mit Maya Graf könnte im Kanton Baselland ein fünfter Sitz hinzukommen. Und was ist der grünen Welle im Kanton Bern widerfahren? «Ja, Regula Rytz wurde nicht gewählt, aber mit 141 000 Stimmen hat sie dennoch ein Wahnsinnsresultat erzielt, sie war nah dran», sagt Imboden. Noch nie habe jemand von den Grünen bei Berner Ständeratswahlen so viele Stimmen erzielt. Angesichts des Wähleranteil der Grünen von 14 Prozent sei Rytz’ Abschneiden ein grosser Erfolg. Ein rot-grüner Doppelsieg wäre eine Sensation gewesen.

«Wir mussten es wagen»

«Die Erwartungen wurden hochgeschraubt», sagt auf Anfrage die Wahlverliererin Regula Rytz. In den letzten Wochen hätten die Medien gern die schöne Geschichte von ihr als «Reine verte» erzählt. «Man darf aber dabei die realen Machtverhältnisse im bürgerlich dominierten Kanton Bern nicht vergessen», findet sie. Die Chance sei noch nie so gut gewesen, «im Ständerat den politischen Aufbruch zu wagen», meint Rytz. «Wir mussten es wagen, auch wenn wir sehr wenig Zeit für eine breite Kampagne im ganzen Kanton hatten.»

Auch Politgeograf Michael Hermann würde nicht von einem Abflachen der grünen Welle sprechen. Der grüne Rutsch sei der grösste Zuwachs an Sitzen, den eine Partei seit den ersten Nationalratswahlen im Proporzystem von 1919 erzielt habe. «Die politischen Gesetzmässigkeiten lassen sich dennoch nicht aushebeln, in mehrheitlich bürgerlichen Deutschschweizer Kantonen wie Bern und Zürich ist eine rot-grüne Ständerats-Doppelvertretung wie im Kanton Genf trotz Linksrutsch unrealistisch», sagt Hermann.

Weckte die Linke die Rechte?

Dass die Bürgerlichen Werner Salzmann durchbrachten, hat für Hermann zwei Gründe. Der erste: Anders als im Kanton Zürich, wo die FDP mit Ruedi Noser den SVP-Kandidaten Roger Köppel ausbremste, liess die Berner FDP den Einzug der SVP ins Stöckli zu. Der zweite Grund: «Der Überschwang von Rot-Grün, nach dem erfolgreichen ersten Wahlgang gleich mit zwei Kandidierenden anzutreten, weckte die Bürgerlichen und führte zu einer Annäherung von SVP und FDP», erklärt Hermann. Wären die Linken nur mit einer Person angetretenen, hätten Beatrice Simon oder auch Christa Markwalder SVP-Mann Salzmann womöglich schlagen können, glaubt er. Rot-Grün hat mit seinem Zweierticket womöglich zu hoch gepokert. Hermann anerkennt aber das Dilemma der Grünen: «Es war für sie fast nicht möglich, Regula Rytz nicht zu bringen. «Aus der Perspektive der Frauen und der Klimathematik mussten wir einfach auf Rytz setzen, niemand hätte verstanden, wenn wir es nicht getan hätten», sagt auch Natalie Imboden.

Stichwörter: Regula Rytz

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