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Eishockey

Bieler beenden Schweden-Fluch

Seit die Schweiz an der Heim-WM am späten Sonntagabend den Titel geholt hat, steigt eine wilde, andauernde Party. Jetzt können es auch die Bieler Nationalspieler so richtig krachen lassen.

Endlich: Die Schweiz bezwingt Schweden und feiert den ersten Weltmeistertitel. Die schwedischen Fans sind konsterniert. Copyright: Keystone
Serie: Was hätte sein können
Die BT-Sportredaktion schreibt in einer losen Serie, was wegen Corona nie stattgefunden hat – völlig frei erfunden.
 
Fantasiert: Moritz Bill
«Ich bin noch jung», schrie Janis Moser in unzählige Mikrofone, während Roman Josi zur Bierdusche ansetzte, «aber ich weiss nicht, ob diese Saison noch getoppt werden kann. Dazu müsste ich wahrscheinlich den Stanley Cup gewinnen.» Ja, was der bald 20-Jährige in den letzten Monaten erlebt und vor allem erreicht hat, spottet jedem Sport-Märchen. Mit dem letzten Kapitel hat sich der Safnerer endgültig in den Geschichtsbüchern verewigt. Ausgerechnet der Jungspund erlöste am späten Sonntagabend eine ganze Nation, als er in der Verlängerung mit dem 3:2 die Schweiz zum ersten Weltmeistertitel schoss. Es war Mosers erstes Tor überhaupt für die A-Nationalmannschaft, auch in der Meisterschaft traf der Verteidiger bisher erst zweimal. Einen freute das besonders: Pascal Stoller. Einst Meisterspieler bei den ZSC Lions ist er heute als Materialwart des EHC Biel tätig. Als Stoller Moser gratulierte, wischte er sich eine Träne aus den Augen. So oft hat er in der Tissot Arena nach dem offiziellen Training mit Janis an dessen Schuss gefeilt. «Und jetzt haut er den Puck im WM-Final in die Maschen. So stark schoss ich nicht einmal zu meinen besten Zeiten.»
Entzückt ob Mosers Tor war auch Antti Törmänen. Der Biel-Trainer verfolgte den Final als Co-Kommentator für das finnische Fernsehen und bejubelte den Treffer im Stile eines Südamerikaners. Niederlagen Schwedens bereiten dem Finnen auch schon ohne Bieler Beteiligung grosse Freude. 
 
Schwedens Sonderweg
Auch in der Schweiz hätte man sich keinen besseren unterlegenen Finalgegner wünschen können. Endlich Schweden! Nach den bitteren Finalniederlagen von 2013 und 2018 beendete die Schweiz an der Heim-WM den Schweden-Fluch. Das Wunder von Zürich sozusagen. Die Berichterstattung in der schwedischen Presse war im Vorgang an Arroganz nicht auszuhalten gewesen. «Switzerland is not Sweden», titelte der «Expressen» zum Beispiel in Anlehnung an die in den USA gängige Verwechslung der beiden Ländern. Auch nach der Niederlage mangelte es an Klasse: In den gestrigen Ausgaben versteiften sich die Schreiberlinge auf ein Phantomtor im letzten Drittel, das den «Tre Kronor» zu Recht aberkannt worden war. Nach dem Videobeweis war sich die ganze Welt darüber einig, nur die Schweden wählten in der Deutung offenbar einen Sonderweg.  
 
Steineggers Wette
Das kümmerte im Schweizer Freudentaumel aber niemanden. Neben Gaëtan Haas, der nach dem Ausscheiden seiner Edmonton Oilers für die letzten paar Spiele eingeflogen worden war und die Schweiz in den Final schoss, wurden auch Moser und seine EHCB-Kollegen Jason Fuchs und Yannick Rathgeb auf Schultern durchs Hallenstadion getragen. Die beiden hatten sich mit überragenden Playoffs fürs WM-Team empfohlen und liessen Nationaltrainer Patrick Fischer seine Selektion nicht bereuen. Fuchs hatte im Final das 1:0 vorbereitet, Rathgeb das 2:1 erzielt. NHL-Star Nico Hischier sagte in einem TV-Interview, dass sich die drei Bieler doch in der besten Liga der Welt versuchen sollten, worauf ihm Studiogast Martin Steinegger ins Wort fiel. «Auf keinen Fall, sie haben alle laufende Verträge. Ich pfeife auf das neue NHL-Agreement!», enervierte sich der Sportchef des EHC Biel. Ohnehin schien Steinegger am Sonntagabend etwas grantig. Zwar freute auch er sich über diesen historischen Triumph, doch Moderator Rainer Maria Salzgeber stichelte immer und immer wieder in Richtung Steinegger. 
Denn der Bieler Sportchef hatte sich im Zuge einer anderen Meisterfeier auf eine Wette eingelassen. Während der EHC Biel im April sensationell den ersten Meistertitel seit 1983 mit einer Freinacht begoss, liess sich Steinegger zu folgender Aussage hinreissen (das BT berichtete): «Wenn die Schweiz jetzt auch noch Weltmeister wird, kehre ich zu Fuss von Zürich nach Biel zurück.» Den Recherchen dieser Zeitung nach, hat sich Steinegger tatsächlich montagmorgens um 6 Uhr auf den Weg gemacht. Wo er genau steckt, war bis Redaktionsschluss nicht auszumachen. Wahrscheinlich gab sein Handy-Akku den Geist auf oder er sitzt in einem Funkloch fest. 
 
Rajalas Ratschläge
Hingegen wurde das Bieler Weltmeister-Quartett gestern in der Innenstadt gesichtet. «Wir gehen noch lange nicht schlafen», posaunte Rathgeb per Megafon vom Rotonde-Balkon hinunter. Toni Rajala schickte via Whatsapp Tipps an seine Teamkameraden, wie die Müdigkeit zu überwinden sei. Der Finne hatte vor einem Jahr mehrere Tage Non-Stop den WM-Titel gefeiert. Rajala war auch bei der Bieler Meisterfeier an vorderster Partyfront dabei. Unvergessen sind seine Gesangseinlagen auf Schweizerdeutsch («Meischter, Schwizer-Meischter, schö-lö-lö-lö»). Als er sich dann aber an SCB-Schmähgesängen versuchte, mussten die Ordnungshüter eingreifen – zu Rajalas Sicherheit. Jeder einzelne Fan wollte ihm zu dieser, in ihren Augen «Heldentat» beglückwünschen (das BT berichtete). 
 
Fuchs’ Tätowierungen
Damals auffällig zurückhaltend gaben sich Moser, Fuchs und Rathgeb. Einerseits war auch bei ihnen die Genugtuung über den Titelgewinn gross. Andererseits fokussierten sie sich bereits auf die WM. «Ich will noch mehr», sagte Fuchs kurz und knapp, während er sich den Meisterpokal auf den Bauch tätowieren liess, «es hat noch Platz für den WM-Pokal.» Unterdessen spazierte Kevin Fey in Unterhosen auf dem Guisanplatz durch die Menge, Damien Brunner sprach nur noch Französisch und Mathieu Tschantré startete eine Polonaise nach der anderen – in voller Hockey-Montur, dazu sang er unaufhörlich «We are the Champions».
 
Tschantrés Endlosfeier
Zwar hat der jetzt im Eishockey-Ruhestand stehende Captain mittlerweile, eineinhalb Monate später, die Ausrüstung ausgezogen. Gerüchten zufolge soll er die Rotonde-Bar seitdem aber noch nie verlassen haben. Und so feierte Tschantré auch gestern noch ausgiebig den WM-Titel, und meinte, nach einem Statement gefragt, kurz und knapp: «Janis Moser wird mein Nachfolger als Captain, ich habe fertig.»