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Orvin

Sein Paradies liegt auf dem Leubringenberg

Gemeinsam mit seiner Schwester betreibt Adrian Schenk die Métairie d’Evilard. Der 24-Jährige kann sich nichts Schöneres vorstellen als ein Leben in der Natur.

Adrian Schenk war erst 21 Jahre alt, als er die Métairie auf dem Leubringenberg gemeinsam mit seiner älteren Schwester Kathrin übernommen hat. Bild: Carmen Stalder
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Aufgezeichnet: Carmen Stalder

Ich bin im Emmental auf einem Bauernhof aufgewachsen. Meine Schwester und ich haben schon immer von der Weite des Juras geträumt. Im Emmental ist alles kleiner und enger aufeinander. Als die Métairie auf dem Leubringenberg in der Zeitung ausgeschrieben war, haben wir uns beworben und konnten den Betrieb dann vor drei Jahren als Pächter übernehmen.

Die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen hat uns sofort überzeugt. Wir haben zwar nicht so viele Nachbarn wie zuvor, aber wenn etwas ist, helfen sie einem immer. Unsere nächsten Nachbarn wohnen rund 1,5 Kilometer von uns entfernt. Im Sommer ist das kein Problem, aber im Winter kann das schon weit sein.

Es ist schön, am selben Ort zu wohnen und zu arbeiten. Ich spüre hier eine grosse Verbundenheit zur Natur. Das Stadtleben wäre überhaupt nichts für mich. Ich schätze vor allem die Abwechslung: Im Winter, wenn es stürmt wie verrückt, sieht man manchmal eine ganze Woche lang niemanden. Dann ist man für sich und arbeitet mit den Kühen. Im Sommer, wenn bei schönem Wetter die Terrasse voll ist, komme ich dafür mit den Gästen ins Gespräch.

Im Sommer kümmern wir uns um die Sömmerungs-Gustis: Wir haben 260 Tiere, die von anderen Bauern stammen – aus dem Seeland, dem Emmental, dem Oberland und aus Basel-Land. Während rund 100 Tagen schauen wir, dass sie gesund sind und genügend zu Fressen haben. Zusätzlich haben wir zwölf Mutterkühe, die uns gehören. Wir produzieren Natura Beef, das wir direkt in der Region vermarkten. So schaut viel mehr heraus, als wenn wir es in den Grosshandel bringen würden.

Hier oben ist es nicht so, dass wir an fünf Tagen die Woche von 8 bis 17 Uhr arbeiten und dann tschüss sagen können. Im Sommer beginnen wir etwa um 5.30 Uhr mit der Arbeit. Und dann kann es auch 22 Uhr werden. Im Winter dagegen, wenn das Wetter schlecht ist, machen wir auch einmal einfach nichts. Früher habe ich als Zimmermann auf dem Bau gearbeitet. Dort hatte ich zwar mehr frei, aber sonst war es ein ständiges Müssen. Jetzt kann ich mich mal für eine halbe Stunde hinsetzen und den Gustis zuschauen oder zusammen mit dem Nachbarn einen Kaffee trinken. In den drei Jahren, in denen wir hier sind, habe ich die Entscheidung nie bereut. Ich ginge nicht mehr zurück.

Besonders das Heuen mag ich. Den ganzen Frühling über schaue ich, dass das Gras gut wächst und die Gustis nicht hindurch rennen. Beim Heuen kann ich sozusagen den Ertrag hineinbringen, damit die Tiere im Winter etwas zum Fressen haben. Die Arbeit im Büro dagegen mag ich weniger. Auch kranken Gustis eine Spritze zu verpassen, mache ich nicht gerade mit Leib und Seele. Es muss halt sein, aber mir tut das fast schon mehr weh als dem Gusti.

Neben den Gustis und unseren eigenen Kühen ist das Restaurant unser drittes Standbein. Es ist das ganze Jahr über offen, immer am Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Meistens gibt es Rösti mit Spiegelei von unseren eigenen Hühnern, Käseschnitten mit Schinken, Zvieriplättli und Zopf-Sandwiches. Dann hat es selbst gebackene Aprikosen-, Kirschen- oder Zwetschgenkuchen, Meringue und neu auch hausgemachte Glace. Für Gruppen machen wir ein Grillbuffet oder Braten mit Kartoffelgratin. Und im Winter servieren wir natürlich Fondue: Dann hat es viele Schneeschuhwanderer, besonders um die Zeit des Vollmonds herum. Die einfachste Wanderung führt vom Zentralplatz zu uns. Von Les Prés-d’Orvin unten dauert es auch nicht so lange, es ist aber steiler.

Meistens betreiben am einen Wochenende ich und meine Freundin Céline Bruni das Beizli. Und am nächsten Wochenende macht es dann meine Schwester Kathrin mit jemandem zusammen. So können wir uns abwechseln und haben jedes zweite Wochenende frei. In meiner Freizeit gehe ich Schwingen. Das Training läuft mittlerweile wieder, wegen Corona gibt es aber derzeit keine Schwingfeste. Wenn wir es gut planen, liegt auch einmal eine Woche Ferien drin. Wir waren etwa schon in Gran Canaria. Einfach nicht unbedingt im Frühling oder Sommer.

Unsere Gäste sind einfache und unkomplizierte Leute, die gerne draussen sind. So manche davon kommen immer wieder. Es hat Familien, Wanderer und im Winter auch Langläufer, da die Métairie an der Langlaufloipe liegt. Für mich ist es kein Problem, dass es viele französischsprachige Gäste hat. Ich bin auch sonst ein «Laferi». Ich spreche zwar nicht perfekt Französisch, aber so lange man mich versteht, ist das doch egal. Im Winter arbeite ich manchmal am Skilift, da sind auch viele Welsche dabei.

Den Lockdown haben wir hier oben sehr deutlich mitbekommen. Die Leute wollten vor dem vielleicht teils tristen Alltag und dem engen Aufeinandersein fliehen. Auch jetzt hat es immer noch viele Leute. Normalerweise sind die Sommer eher durchzogen, da sind die Menschen lieber am See oder in den Ferien. In den letzten Monaten ist auch der Verkauf des Natura Beef sehr gut gelaufen. Ich finde es schön, dass die Leute die Region, in der sie leben, unterstützen. So bleibt das Geld am Ort.

Stichwörter: Mein Montag, Métairie, Orvin

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