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«Ich bin steinreich»

Es sind die inneren Werte, die zählen: Dieser Satz passt perfekt zur Welt von Peter Thomet. Er sucht auf Äckern nach unscheinbaren Gletschersteinen und bringt deren Schönheit ans Tageslicht.

Auf dem Inser Acker gefunden: Peter Thomet teigt anhand eines anhaftenden Magneten, dass dieser Serpentinit magnetisches Eisen enthält. Bild: Yann Staffelbach

Sarah Zurbuchen

«So, kommen Sie, ich habe den Bauern extra gefragt, ob wir auf seinem Feld Steine begutachten können», sagt Peter Thomet. Wie gekämmt sieht das noch junge Kartoffelfeld aus, die sogenannten Dämme akkurat angelegt. Die Augen hinter Thomets schwarzumrandeter Brille schweifen suchend umher. «Da!» Der Zeigefinger des 71-jährigen Insers sticht durch die Luft und zeigt auf einen unscheinbaren, erdverkrusteten Ackerstein, von denen es hier nur so wimmelt. Doch dieser hier schimmert bei genauerer Betrachtung grünlich.

Niemandem würde es in den Sinn kommen, diese manchmal nur einige Zentimeter kleinen Steine genauer unter die Lupe zu nehmen. Fast niemandem. Denn Peter Thomet hat hier, auf den Äckern des Seelands, einen Schatz entdeckt. Keinen, der mit Geld aufzuwiegen wäre. Für den pensionierten Agronomen erzählen diese Steine jedoch eine fantastische Geschichte. «Sie sind ein Wunderwerk der Natur, aber niemand weiss davon, nicht mal die Bauern selbst.»

 

Kleine Findlinge

Die Steine, die der ehemalige Inser Gemeinderat im gesamten Seeland und darüber hinaus sammelt und untersucht, stammen nämlich ursprünglich aus dem Wallis. Sie wurden beim letzten grossen Gletschervorstoss vor 20 000 Jahren in die Westschweiz transportiert und blieben 5000 Jahre später, nach dem Abschmelzen des Eises, hier liegen. Es sind etwa Allalingabbros oder Serpentinite. Ersterer stammt vom Allalinhorn bei Saas Fee. Und die Serpentinite wurden mit der Eiswalze vermutlich von Zermatt bis zu uns transportiert.

Es sind also im Grunde genommen kleine Findlinge, die auf den gesamten Ackerflächen des Mittellandes verteilt sind, genauer in 398 Gemeinden und fünf Kantonen. Peter Thomet weiss das so genau, weil er die Äcker in diesem Gebiet systematisch beprobt hat, hauptsächlich in der Zeit der Pandemie. «Man stelle sich das Mal vor», sagt er schwärmerisch, und seine Augen blicken dabei in die Ferne. «Diese Gesteinsbrocken haben via Genferseebecken 250 Kilometer zurückgelegt.»

 

Unerwartete Ästhetik

In der Zeit der Pandemie habe er gelernt, genauer hinzuschauen, sagt er. «Denn oft steckt in kleinen Dingen eine verborgene Schönheit.» Aus Neugier liess der ehemalige Hochschullehrer deshalb einige seiner Gletschersteine zersägen und schleifen. Er stiess dabei auf eine unerwartete Ästhetik, geschaffen durch mehrere Umwandlungsprozesse, verursacht durch starke Temperatur- und Druckunterschiede beim Versinken und Wiederauftauchen im Verlauf ihrer langen Geschichte. Die so ans Tageslicht geholten Mineralumwandlungen leuchten hauptsächlich in Blau-, Grün- und Ockertönen, unterbrochen von Linien, Punkten, Rissen und Einschlüssen. «Es sind unvergleichliche Kleinode, jedes ist ein Unikat», so Peter Thomet. Diese inneren Werte hat der Inser fotografisch festgehalten, denn eines seiner vielen Projekte ist das Drucken von Postern: «Um den Menschen bewusst zu machen, in welch einmaliger Landschaft sie leben». Seinen vier Töchtern und acht Enkelkindern hat Thomet aus den ausgewanderten Walliser Steinen übrigens aparte Schmucksteine schleifen lassen.

 

Steiniger Garten

Der Hobbygeologe ist nicht zu bremsen, wenn es um sein Lieblingsthema geht. So sehr hat es ihm vor rund zwei Jahren «den Ärmel reingenommen», dass die Gesteinsbrocken ihren Weg bis vor und ins Haus des Ehepaars Thomet in Ins gefunden haben. Die Gartenterrasse erinnert denn auch ein wenig an eine Gletschermoräne. Auf dem Tisch, in der Rabatte, auf dem Plattenboden: Überall liegen Gesteinshaufen. Zeitweise, so verrät Ehefrau Evelyne Thomet mit einem Seufzer, habe das Gestein gar den Ausgang in den Garten versperrt. Er quittiert diese Bemerkung mit einem schelmischen Grinsen. «Ich bin halt steinreich», sagt er.

Stichwörter: Ins, Acker, Steine

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