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Campus Biel

Gigantische Grube bleibt ohne Leben

Der Kanton will im Campus-Dossier vorwärtsmachen und schreibt das Projekt erneut aus. Bis zum Baustart könnte es trotzdem noch Jahre dauern. Wieso wird die Baugrube also nicht zwischengenutzt?

Symbolbild: Keystone
  • Dossier

Lino Schaeren

Der geplante Bau des Campus Biel der Berner Fachhochschule (BFH) ist geprägt von Pleiten, Pech und Pannen. Für die Bielerinnen und Bieler ist das täglich unübersehbar: Seit 2018 klafft direkt hinter dem Hauptbahnhof ein riesiges Loch, passiert ist in der Baugrube schon lange nichts mehr. Zum einen ist das zurückzuführen auf einen aufmüpfigen Hauseigentümer, der sich mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzt und zuletzt vor Bundesgericht einen Sieg einfahren konnte: Die Behörden gingen bei der Enteignung des Liegenschaftsbesitzers falsch vor. Zum anderen ist da aber auch die Fehlplanung des Kantons, die wegen drohender Kostenausuferung 2019 gestoppt werden musste. Seither ist die Baudirektion von Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) dabei, das Projekt auf Sparpotenzial abzuklopfen. Trotz den Rückschlägen in den letzten Jahren hält der Kanton also am Bauvorhaben in Biel fest. Mehr noch: Er räumt diesem weiterhin hohe Priorität ein. Das hat der Regierungsrat gestern bekräftigt, indem er das Bauprojekt für die Totalunternehmer Anfang 2022 neu ausschreiben will.

Der Kanton beabsichtigt damit, das überarbeitete Projekt unabhängig der juristischen Verfahren, bis zur Baureife voranzutreiben. Das Kalkül dahinter: Hat der widerspenstige Hausbesitzer erst einmal klein beigegeben oder ist rechtskräftig enteignet, soll keine weitere Verzögerung entstehen. Die Behörden haben dafür diesmal ein sogenanntes selektives Dialogverfahren gewählt. Dafür haben sie bereits vier Totalunternehmen ausgewählt, die im kommenden Frühjahr im Dialog selber Vorschläge zur Projektoptimierung einbringen können. Dies nicht zuletzt auch zur Kostenoptimierung.

Selber hat der Kanton bereits Anpassungen am Bauvorhaben vorgenommen, die Einsparungen von 25 bis 30 Millionen Franken mit sich bringen sollen. Dazu zählt der Verzicht auf eines von zwei Parkinggeschossen, stattdessen sollen 60 Parkplätze beim benachbarten «Centre Bahnhof» angemietet werden. Trotzdem rechnet Neuhaus damit, dass der vom Kantonsparlament bewilligte Kostenrahmen von 233,5 Millionen Franken immer noch um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag überschritten wird. «Es ärgert mich sehr, dass dem Projekt ursprünglich ein Preisschild angehängt wurde, das hinten und vorne nicht stimmt», sagt der Baudirektor. Die Überschreitung wird er letztlich erneut dem Grossen Rat vorlegen müssen.

Kunstprojekt war geplant

Das soll nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens geschehen. Doch selbst wenn der Kanton bei der Überarbeitung des Projekts jetzt mächtig aufs Gaspedal drückt: Bis zum tatsächlichen Baubeginn könnte es aufgrund des juristischen Hickhacks noch Jahre dauern. Weil die Behörden vor Bundesgericht abgemahnt wurden, muss der Kanton das Enteignungsverfahren gegen den Besitzer der letzten übriggebliebenen Liegenschaft auf dem Campus-Areal neu einleiten. Kommt es nicht doch noch zu einer Einigung, droht der erneute Gang bis vor die Bundesrichterinnen. Der Kanton rechnet deshalb im schlimmsten Fall mit einem Baubeginn 2026 und einer Eröffnung 2029 – sieben Jahre später als ursprünglich geplant. Sollte es soweit kommen, sähe sich Biel für weitere vier Jahre mit einem unnützen, gigantischen Loch im Stadtbild konfrontiert. Die Frage, ob das Areal bis Baubeginn nicht zwischengenutzt werden kann, drängt sich daher immer stärker auf.

Neu ist die Idee, die Grube zu beleben, nicht. Tatsächlich war es der Kanton selber, der die Möglichkeit ins Spiel brachte, nachdem die Projektausschreibung 2019 gestoppt wurde und sich eine längere Verzögerung abzeichnete. Und nach Angaben von Kanton und Stadt gab es auch bereits lose Pläne: So hatte sich der Verein «Entre les temps – zwischen den Zeiten» dafür interessiert, auf dem Feldschlössli-Areal kulturelle Projekte zu realisieren. Bei «Entre les temps – zwischen den Zeiten» handelt es sich um ein Kollektiv von Künstlerinnen und Künstlern, das 2019 bereits im Bieler Lindenquartier eine leerstehende Fabrik zwischengenutzt hatte. Doch es war dann wiederum der Kanton, der ein Veto für das Kulturschaffen in der Baugrube einlegte.

Laut Michael Frutig, Abteilungsleiter Bauprojektmanagement, habe der Kanton Bauexperten und Juristinnen zur Klärung der Machbarkeit beigezogen. Diese haben den Behörden generell von einer Zwischennutzung abgeraten: Aus Sicherheits- und Haftbarkeitsgründen, wie Frutig sagt. Als Beispiel nennt er den Grundwasserschutz, der bei einer anderweitigen Nutzung der Baugrube hätte verbessert werden müssen. Oder aber die Sicherung des Zugangs für die Öffentlichkeit. Das alles wäre mit Kosten verbunden gewesen. So hatte der Kanton laut Frutig den Aufwand berechnet, um in der Mega-Grube eine Rasenfläche anzulegen. Kostenpunkt: eine Million Franken. Für Regierungsrat Neuhaus standen Kosten und Nutzen daher in keinem Verhältnis: Der Kanton habe weder die Mittel noch den Willen, in Biel für eine Übergangslösung derart viel Geld zu investieren.

Isabel Althaus war bei der Stadt Biel mit der Sondierung möglicher Zwischennutzungen betraut. Die Leiterin der Abteilung Generationen und Quartiere zeigt Verständnis für die Haltung des Kantons: «In dieser Grube ist eine Zwischennutzung sicher herausfordernder als etwa auf der Gurzelen», sagt sie. Vom zentralen Standort her würde sich laut Althaus ein Projekt aber anbieten. Sie persönlich findet: Jedes Gelände dieser Grösse, das länger nicht genutzt wird, sollte bei entsprechendem Interesse belebt werden. Und die Politik? Stadtpräsident Erich Fehr (SP) sagt, dass man noch einmal über mögliche Übergangsnutzungen sprechen müsste, sollte sich der Campus-Baubeginn tatsächlich noch mehrere Jahre hinziehen. Letztlich sind der Stadt jedoch die Hände gebunden, die Grubenverantwortung liegt alleine beim Kanton in seiner Funktion als Bauherr.

Erinnerung an Manor-Grube

Dass das Feldschlössli-Areal aufgrund der tiefen Grube über Jahre hinweg nicht nutzbar ist, ist für Fehr zwar bedauerlich. Er spricht jedoch von einem Ärgernis auf Zeit. «Wenn der Campus dereinst in Betrieb ist und der ganzen Region einen Schub verleiht, wird sich niemand mehr darüber aufregen», sagt der Stadtpräsident. Als Vergleich zieht er die Manor-Baugrube an der Zentralstrasse bei, die 2006 unfreiwillig mit Grundwasser geflutet wurde. Über das Baustellenmalheur rissen die Bielerinnen und Bieler zwar ab und an noch Witze, der Ärger über die Bauverzögerung sei aber längst verflogen.

Der Stadtpräsident zeigt sich zudem «hoffnungsfroh, dass der Baubeginn letztlich doch noch vor 2026 erfolgen kann». Fehr glaubt, dass die juristische Auseinandersetzung an Tempo zulegen wird, sollte sie denn weitergehen: «Schliesslich kennen jetzt alle Gerichte das Dossier bereits bestens.» Dass der Kanton das Projekt unabhängig der Juristerei weiter vorantreiben will, freut den Bieler: Das sei ein starkes Bekenntnis für den Campus Biel. «Es ist letztlich in unser aller Interesse, das Projekt möglichst rasch zu realisieren», sagt Fehr. Dem würde wohl einzig jener Hausbesitzer widersprechen, der die Behörden seit Jahren mit seinem Widerstand auf Trab hält.

Stichwörter: Campus Biel, Baustelle, Biel, Bern

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