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Schulen

Teststrategie: Das Resultat ist dasselbe

Der Kanton Bern erntet derzeit viel Kritik, weil er an den Schulen auf Ausbruchstests setzt. In Kantonen, in denen wöchentlich getestet wird, läuft es aber genauso schlecht.

Marc Zurbuchen im Schulhaus Bethlehemacker, Bild: Raphael Moser

Quentin Schlapbach und Sarina Keller

Für Eltern schulpflichtiger Kinder ist das laufende Herbstsemester eine nervliche Belastungsprobe. Aus zahlreichen Gemeinden hört man derzeit von Corona-Ausbrüchen an den Schulen. Die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen erreichen Woche für Woche neue Höchstwerte. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch das eigene Kind von einem Ausbruch in der Schule betroffen ist – wenn das nicht schon längst passiert ist.

Zur allgemeinen Verunsicherung der Eltern trägt auch dazu bei, dass ein Streit ausgebrochen ist, wie man am besten auf diese Situation reagieren soll. Hygiene- und Abstandsregeln sind aber gerade bei jüngeren Kindern nur lückenhaft umsetzbar. Die zirkulierende Delta-Variante ist für diese Altersgruppen jedoch so ansteckend, dass die bestehenden Schutzkonzepte oft nicht ausreichen. Deshalb gibt es von Eltern – aber auch von Lehrpersonen und Schulleitungen – den Ruf nach regelmässigen Tests. Im Gegensatz zum Kanton Bern sind diese wöchentlichen Reihentests in vielen anderen Kantonen nach wie vor Usus. Auch der Bundesrat empfiehlt, solche Tests durchzuführen.

 

Kanton verweigert Kooperation

Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg und mit ihm auch das bürgerlich dominierte Kantonsparlament erteilten diesem Wunsch nach regelmässigen Tests aber letzte Woche wiederum eine schmetternde Absage. Die ablehnende Haltung der Berner Kantonsregierung geht gar so weit, dass sie es Gemeinden praktisch verunmöglicht, selbstständig ein solches Testangebot auf die Beine zu stellen.

So wollte etwa die Gemeinde Wohlen bei Bern am Programm «Together We Test» der Hirslanden-Gruppe teilnehmen. Bezahlt wird dieses Angebot für Schulen und Unternehmen vom Bund. Da allerdings die Abrechnung über die Kantone läuft, wäre die Gemeinde Wohlen auf die Unterstützung der Gesundheitsdirektion angewiesen gewesen. Und diese verweigerte schlichtweg die Kooperation.

Das Angebot von «Together We Test» entspreche nicht der kantonalen Strategie des Ausbruchstestens und würde zu unnötig viel bürokratischem Aufwand führen, teilte die Gesundheitsdirektion der Gemeinde Wohlen mit. «Wir haben den Entscheid des Kantons zur Kenntnis genommen, akzeptiert und unsere Bemühungen bezüglich Reihentestungen eingestellt», sagt Wohlens Gemeindepräsident und SP-Grossrat Bänz Müller. Er hält fest, dass der Kanton seiner Gemeinde zwar kein eigentliches Verbot für regelmässige Tests erteilt hat. «Aber wir sahen keine andere, organisatorisch für uns stemmbare Möglichkeit als dieses Angebot.»

Wöchentliche Tests will auch das Schulamt der Stadt Bern. «Der Gesundheitsdienst wie auch das Schulamt würden aus einer fachlichen Sicht eine Wiedereinführung begrüssen», sagt Richard Jakob, Co-Leiter Gesundheitsdienst und Leiter Schulamt ad interim. Wie die Gemeinde Wohlen musste aber auch Bern sich dem eingeschlagenen Kurs der Gesundheitsdirektion unterordnen. «Beim Testregime ist der Kanton im Lead, und die Gemeinden sollten entsprechend folgen», sagt Jakob. Allerdings liege im Stadtrat ein Vorstoss vor, der die Einführung eines eigenen Testsystems für die Stadtberner Schulen fordert.

 

Grenzen des Zumutbaren erreicht

Auch vier Schulleiterinnen und Schulleiter aus Wabern bei Bern haben sich mit einem Schreiben an den Gemeinderat von Köniz gewandt. Es ist ein dringlicher Aufruf, Massentests wieder einzuführen. Die heutigen Ausbruchstests seien zu undurchsichtig, zu aufwendig, und sie erfolgten oft erst viel zu spät, heisst es darin. «Die Grenzen des Zumutbaren sind erreicht», konstatierten die vier Schulleitenden.

Erfolg hatten sie mit ihrem Schreiben nicht. Für Hans-Peter Kohler, Bildungsvorsteher von Köniz und FDP-Grossrat, sind die Argumente aus Wabern «nur partiell nachvollziehbar». Er räumt zwar ein, dass beim Kanton Bern Nachholbedarf bestehe – etwa beim Contact-Tracing oder bei den Beratungen.

Massentests hält Kohler, der selbst Arzt ist, aber nicht für sinnvoll. Er sagt, sie brächten eine «falsche Sicherheit». Zudem würden sie zu viele Ressourcen verschlingen und viel Aufwand verursachen. «Gerade asymptomatische Personen tragen nur eine kleine Menge des Virus in sich, und die ist mit solchen Tests nur schwer nachzuweisen». Jemand, der heute negativ getestet würde, könne schon zwölf Stunden später positiv sein.

So heiss die Debatte um die richtige Teststrategie auch geführt wird – im Endeffekt können weder Reihentests noch Ausbruchstests die fortschreitende Durchseuchung an den Schulen wirklich stoppen. Auch in Kantonen, in denen wöchentlich getestet wird, ist die Inzidenz aktuell enorm hoch. Das zeigen etwa die drei Beispiele Basel-Stadt, Graubünden und Zug.

In allen drei Kantonen sind sowohl die Ansteckungszahlen bei den Kindern und Jugendlichen als auch bei der Gesamtbevölkerung höher als im Kanton Bern.

Den einzig wirklich messbaren Bremseffekt auf die steigenden Infektionszahlen hatten bisher die Herbstferien. Gemäss Pädiatrie Schweiz, der offiziellen Fachgesellschaft der Kinder- und Jugendmediziner, sind schwere Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zum Glück nach wie vor äusserst selten.

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