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Sportklettern

Aufstrebende Koller vergoldet Formtest

Anne-Sophie Koller ist bei der Elite zum zweiten Mal Schweizer Meisterin im Leadklettern geworden. In zwei Wochen beginnt für die 21-jährige Bielerin in Villars die neue Weltcup-Saison.

Auf dem Weg zum Meistertitel: Die Bielerin Anne-Sophie Koller hat den schwierigen Parcours in der Kletterhalle in Ostermundigen am besten gemeistert./Bild: zvg/SAC/davidschweizer.ch
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Francisco Rodríguez

Anne-Sophie Koller freut sich über ihren zweiten Schweizer-Meister-Titel nach 2015. «Das war ein sehr guter Start», so Koller zu ihrer starken Leistung in der Kletterhalle O’Bloc in Ostermundigen. «Ich bin zwar international ausgerichtet, ein nationaler Titel ist aber immer schön. Ich habe gesehen, wo ich stehe.»

Dieser Auftritt verleiht ihr Selbstvertrauen. Die Weltcup-Saison beginnt für die Bielerin in zwei Wochen in Villars mit dem ersten von vier Wettkämpfen. Koller hat sich in ihrer Sportart international etabliert. Letztes Jahr schaffte sie als Zweite am Weltcup-Event im italienischen Arco ein absolutes Spitzenresultat. Am Ende resultierte im Gesamtklassement der 9. Rang. «In diesem Jahr strebe ich wieder Finalplätze an», so Koller zu ihren hohen Zielen. Schaffe sie es unter die acht dafür qualifizierten Kletterinnen, sei danach alles möglich. So wie in Italien, als einzig die Koreanerin Kim Jain noch besser war.

Das schöne Gefühl in der Vertikalen

An solchen geglückten Anlässen, wenn sie sich die Kletterwand hinaufkämpfe, erlebe sie einen Flow, wie man ihn auch von anderen Sportarten her kennt. «Dann fühle ich mich leicht, blende alles andere aus und denke nur noch an den nächsten Griff», erzählt die Seeländerin. Perfekte Bedingungen, um den Weg sicher und in fast schlafwandlerischer Manier weiterzugehen. «Ich liebe dieses Gefühl in der Vertikalen», so Koller, die als Zehnjährige durch das Eltern-Kinderklettern des Schweizer Alpen-Clubs SAC in der BBZ-Halle zum Klettern gefunden hatte. Als sie älter wurde, verwies man sie an die Trainingsgruppe von Robert Rehnelt, der über die Region hinaus als erfolgreicher Coach und Förderer des Sportkletterns bekannt ist.

Abwechslungsreiche Sportart

Unter Rehnelt machte Koller grosse Fortschritte und blieb dieser interessanten Sportart treu. «Klettern ist abwechslungsreich und vielfältig», schwärmt die 21-jährige Bielerin. «Es wird mir nie langweilig, denn jede Route ist anders.» Man werde physisch und psychisch gefordert. «Es braucht Kraft, Ausdauer und eine gute Technik, zumindest wenn es um Klettern als Leistungssport geht.» Wichtig seien ein gutes Körpergefühl und Vorstellungsvermögen. Es gelte, die zurückzulegende Route zu visualisieren, um sich die gewinnbringende Taktik zurecht zu legen und die richtigen Entscheide zu treffen. «Klettern können alle», sagt Koller zur von Aussenstehenden oft geäusserten Vermutung, diese hochkomplexe Sportart überfordere Laien sofort und sei nur etwas für austrainierte Spezialisten. «Das Gute daran ist ja, dass die Routen vom Schwierigkeitsgrad her an jedes Niveau angepasst werden können. Ein Einsteiger fängt mit der leichtesten an und kann sie dann aufgrund der gemachten Fortschritte an sein Können adaptieren.» So wachse man kontinuierlich an der jeweiligen Aufgabe.

Speziell schwierig sind Kollers Aufgaben, die sie im internationalen Vergleich zu lösen hat. Neben dem Weltcup stehen als weiterer Höhepunkt im September die Weltmeisterschaften in Innsbruck auf dem Programm. «Ein Halbfinal wäre toll, der Final ein Traum», so die junge Seeländerin zu ihren Ambitionen. Die besten 26 Kletterinnen in der jeweiligen Disziplin schaffen es in den Halbfinal, nur acht von ihnen in den Final. «Eine Medaille ist für mich dagegen kaum realistisch.» Zu gross und stark sei die Konkurrenz aus anderen Nationen. «Es hat vier, fünf Frauen an der Weltspitze, die die Medaillenplätze jeweils unter sich ausmachen.» Diverse Spitzensportlerinnen aus Slowenien und Österreich, einzelne aus Südkorea, Belgien oder Frankreich zählten zu den Favoritinnen.

Koller investiert sehr viel in ihren Sport. Neben ihrem anspruchsvollen Medizinstudium trainiert sie wöchentlich rund 15 bis 20 Stunden. Dazu kommt die Reiserei zu den Kletterhallen, die nebst Biel auch in Bern und in anderen Orten den Athleten zur Verfügung stehen. «Wichtig ist, auf möglichst vielen verschiedenen Routen zu trainieren», so die Seeländerin. Je breiter der Erfahrungsschatz, desto besser die Chancen im internationalen Vergleich. Speziell nach dem Olympia-Entscheid, im Hinblick auf die Sommerspiele 2020 in Tokio das Sportklettern neu im Programm aufzunehmen, sind die Anstrengungen der nationalen Verbände grosser geworden.

Olympia 2020 für Koller zu früh

Koller träumt wie alle Sportlerinnen und Sportler von Olympia, wegen ihres Studiums komme aber 2020 zu früh für sie. Dies habe auch damit zu tun, dass in Tokio eine Mischform aus allen drei Kletterformen ausgetragen werden soll, während sich Koller auf das Leadklettern spezialisiert hat. «Der Aufwand ist zu gross, um auch ausreichend Bouldern und Speedklettern zu trainieren. Da sich nur 20 Frauen weltweit qualifizieren können, muss man in mindestens zwei Disziplinen ganz vorne mitmischen können. Aber für 2024 will ich bereit sein, falls die  Einzeldisziplinen gewertet würden», blickt die junge Bielerin ambitioniert in die Zukunft.

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Kompletter Medaillensatz für Seeländer

Zusammen mit Anne-Sophie Koller haben Benjamin Blaser und Dimitri Vogt dafür gesorgt, dass an den Schweizer Meisterschaften im Leadklettern der Seeländer Medaillensatz komplettiert worden ist. Da eigentlich das Bouldern seine Hauptdisziplin ist, kam der Silbermedaillengewinn für Blaser eher überraschend. Der 28-jährige Routinier aus Kerzers bei Ried hatte sich nicht speziell auf die Titelkämpfe vorbereitet, umso grösser war nun seine Freude über den 2. Platz hinter dem siegreichen Walliser Nils Favre. «Es ist wichtig, neben dem Leadklettern noch eine zweite Disziplin zu beherrschen», so Blaser, der auch seinen bisher einzigen Schweizer-Meister-Titel 2009 im Leadklettern gewonnen hatte. Wie bei Koller sind aber auch für ihn die Sommerspiele noch kein Thema, solange die dritte Disziplin Speedklettern im Olympia-Programm eingeschlossen ist.

Eher in Frage könnte Tokio 2020 für Dimitri Vogt kommen, der vier Wochen nach Silber im Bouldern jetzt Lead-Bronze gewonnen hat. Der 21-jährige Worbener hatte nach der Qualifikation noch geführt, vergab aber Gold im Final wegen eines Griff-Fehlers. Für die Weltcup-Saison bei der Elite zeigt sich der Junioren-WM-Bronzemedaillengewinner von 2016 zuversichtlich. Vogt will sich an die Spitze herantasten und strebt an der WM in Innsbruck die Top 20 an. fri