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Tennis

Begeisterung trotz Niederlage

Der Daviscup lebt auch in der neuen Formel. Die Fans müssen keine Endlosschlachten aussitzen. 
In Biel setzte es für die Schweiz zwar eine 1:3-Niederlage gegen Russland ab. Es gab aber einige Lichtblicke.

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Beat Moning

«Es war ein mutiger Entscheid», sagte Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach zur erstmaligen Nominierung des am 
12. Februar 16 Jahre jung werdenden Jérôme Kym. Am Samstagabend hat sich Coach Severin Lüthi dafür entschieden, Marc-Andrea Hüsler durch den in Biel trainierenden A-Nationalspieler, Vize-Schweizer-Meister bei den Aktiven und U18-Schweizer-Meister zu ersetzen. «Ich sprach mit Henri Laaksonen darüber und der konnte es sich sehr gut vorstellen, als Teamleader mit Jérôme das Doppel zu bestreiten.» Der Federer-Coach hat von Kym in dieser letzten Woche einen guten Eindruck erhalten. «Ich habe ihn nicht so gut gekannt, aber ich hatte viele Informationen von Yves Allegro (Swiss-Tennis-Headcoach in Biel, die Red.). Zudem war er zweimal Warm-up-Partner von Federer bei den Swiss Indoors von Basel.»

«So viel wie möglich profitieren»
Der Aargauer Jérôme Kym, der zeitweise mit über 200 Kilometer pro Stunden aufgeschlagen hatte, hat es diese Woche sichtlich genossen. «Ich wollte einfach alles aufsaugen, mein Bestes geben, auch im Training. Ich fühlte mich richtig wohl in diesem Team. Dass ich dann das Doppel spielen durfte, war natürlich super. Ich freute mich riesig darauf.» Mit 2:1-Sätzen wurden die beiden Russen, immerhin zwei Top-100-Spieler, in die Knie gezwungen. «Es war ein intensives Spiel und wir haben uns auch dank der guten Atmosphäre gegenseitig gepusht», erzählte Kym danach. Glücklich sei er, ja, und dennoch enttäuscht. «Denn am Ende reichte es nicht, die Russen zu schlagen.»

Formstarker Laaksonen
Was nach dem 0:2-Rückstand am Freitag so ganz ausgeschlossen nicht war. Nachdem die Schweiz auf 1:2 verkürzte, sah man einen formstarken Henri Laaksonen. Schon am Vortag war er nahe dran, Lüthi hat den Schweiz-Finnen noch nie so gut gesehen. Der 26-Jährige brachte den vier Jahre jüngeren Karen Chatschanow an den Rand einer Niederlage. «Ich hatte meine Chancen, im zweiten wie im dritten Satz.» In der Tat: Im Entscheidungssatz musste er seinen Service erst beim 13. Breakball gegen ihn abgeben – zum 4:5 nach einem Game, das fast
20 Minuten lang gedauert hatte. Nach zwei Stunden und 43 Minuten war die zweite knappe Einzel-Niederlage nach jener gegen Medwedew (6:7, 7:6, 2:6) Tatsache. Es war, wie Lüthi schon nach dem Match gegen Medwedew bemerkte: «Die Topspieler finden in den entscheidenden Phasen oft eine Lösung, auf die Siegesstrasse zu kommen.»

Laaksonen reagierte gelassen. «Es ist hart, aber die Spiele haben mir dennoch gezeigt, dass ich nach meinen grossen Bemühungen im Herbst auf dem richtigen Weg bin, wieder in die Top 100 vorzustossen und dort auch bis zu meinem Karrierenende zu bleiben.» Was er braucht: Mehr Konstanz in seinem Spiel, dann dürfte er bald weg von der ATP Nummer 142 kommen. Den Russen blieb also ein fünfter und letzter Match erspart. Ganz offenbar haben die Spieler die jungen Schweizer nicht derart frech erwartet. Severin Lüthi hätte wohl noch einmal Marc-Andrea Hüsler antreten lassen. Oder etwa doch nicht?

Kym fragte Lüthi für Einzeleinsatz
Lüthi wollte es erst vor den Medien nicht erwähnen, tat es dann aber doch. Als er und Laaksonen nach dem zweiten Satz gegen Chatschanow die Toilette aufsuchten, stiess Jérôme Kym dazu. «Er fragte mich, ob es eine Chance gebe, ob er das fünfte Match spielen werde?» Die Antwort blieb Lüthi den Anwesenden schuldig, was er jedoch sagte: «Mir gefällt die Art von Jérôme, wie er sich in dieser Woche integriert hat. Er ist ein Mensch und Spieler, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Ich bin überzeugt, dass er dies auch bleiben und seinen Weg machen wird.» Kym selber erwähnte, dass er sich das durchaus zugetraut hätte. «Der Sieg im Doppel hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Und es spielt mir keine Rolle, wer jetzt auf der anderen Seite steht. Aber ich denke, dass ich Medwedew schon hätte fordern können.» Auf die Frage, ob Lüthi künftig nicht vermehrt auf junge Spieler setzen sollte, etwa anstelle von Ehrat und Hüsler, gab er ebenfalls keine schlüssige Antwort. Der Berner hofft ja, dass sich mal wieder Wawrinka und sein eigener Schützling Federer für den Daviscup doch noch einmal begeistern lassen. «Man muss sich eine Teilnahme aber bestimmt mit Resultaten verdienen», so Lüthi. Und er wolle die Jungen nicht verheizen.

Im Hintergrund, so weiss auch er, gibt es aber schon einige Akteure, die diesbezüglich zum Thema werden könnten. Etwa der 16-jährige Dominic Stricker, der einen steilen Aufstieg aufweist und zuletzt am Australian Open das Juniorenturnier bestritt. Wie Kym gehört auch der Berner zum A-Kader. Gut denkbar, dass Lüthi in den nächsten Monaten zwecks Rekrutierung der Spieler vermehrt in Biel anzutreffen sein wird.

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Nach dem Daviscup ist vor dem Fedcup
Nach zwei Tagen Spitzentennis bei den Männern werden nun wohl auch die Frauen ihre Nadelstiche setzen. Am Samstag (ab 13 Uhr) und Sonntag (ab 12 Uhr) nämlich wird die Playoff-Begegnung zwischen der Schweiz und Italien stattfinden. Das Team von Heinz Günthardt wird in Bestbesetzung antreten. Am ersten Tag werden wohl Belinda Bencic und Timea Bacsinszky die Einzel bestreiten. Am Sonntag folgen zwei weitere Einzel und das Doppel – im Gegensatz zu den Männern im neuen Daviscup am Ende der Einzel angesetzt. Der für beide Anlässe zuständige Projektleiter Jonas Maag zog nach dem in einer neuen Formel ausgetragene Daviscup ein insgesamt positives Fazit. «Es war nun der dritte Daviscup in Biel, und jedes Mal kamen mehr Zuschauer.» Gehe das in diesem Stil weiter, werde die Halle sicher eines Tages gefüllt werden können. Was die Infrastruktur anbetreffe, sei die Beheizung der Zelte eine Herausforderung gewesen. Wenn dann im September allenfalls eine nächste Daviscup-Begegnung dazukomme, könne man dann wieder auf die südlich gelegene Tennisstrasse ausweichen.

Finanziell dürfte es gemäss Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach nicht ganz aufgehen. Im Budget sind 220 000 Franken vorgesehen. Er rechnet, dass sich die Ausgaben für beide Anlässe um die 300 000 Franken bewegen werden. Die Differenz wird bei einem guten Betriebsjahr aus der laufenden Rechnung genommen, reicht es nicht aus, wird der Fonds für Spitzensport beansprucht. Der ist im Moment mit rund zwei Millionen Franken gefüllt. Stammbach freute sich aber, «dass die Stimmung einmalig war und die Spieler viel dazu beigetragen haben. Die Mannschaft wird übrigens das vom internationalen Tennisverband ausgeschüttete Preisgeld über 140 000 Franken wie gewohnt unter sich aufteilen. Eine Finalteilnahme mit 18 Teams, erstmals im November in Madrid weitgehend ohne die Superstars ausgetragen, hätte ein Vielfaches eingebracht. Ob nun wesentlich mehr Zuschauer die Frauen sehen wollen, die erstmals eine Fedcup-Begegnung in Biel austragen, bleibt abzuwarten. Immerhin wird nicht mehr an einem Freitag, sondern am Wochenende gespielt. Aufgrund des Vorverkaufs zeichnen sich etwas mehr Fans ab. bmb

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