Sie sind hier

Abo

Orientierungslauf

Das Podest ins Visier genommen

Die Europameisterschaft im Tessin beginnt für Simona Aebersold mit einem fünften Rang im Sprint. Solch ein starker Einstand bei der Elite haben der Seeländerin nur wenige zugetraut.

Simona Aebersold beim Zieleinlauf. zvg/Rémy Steinegger

Michael Lehmann

Simona Aebersold darf sich nicht nur über den fünften Rang im EM-Sprint freuen, sondern auch über eine gewonnen Wette. Ihre Teamkolleginnen des Schweizer Juniorenkaders hatten der Seeländerin einen «besonderen Anreiz» gegeben, beim EM-Auftakt ein Diplom zu gewinnen. Dieses holte Aebersold gestern souverän, auf die auf dem siebten Rang klassierte Teamkollegin Sarina Jenzer hatte sie 27 Sekunden Vorsprung. Deshalb werden die OL-Juniorinnen beim Ende Mai stattfindenden Gempen-Berglauf mit pink getönten Haaren an den Start gehen.

Die Wette zeigt: Der fünfte Rang von Simona Aebersold ist eine kleine Überraschung. Die 20-Jährige ist noch immer im Juniorenalter und vielen Konkurrentinnen bei der Elite im physischen Bereich unterlegen – ein Faktor, der gerade im Sprint (3,7 Kilometer) wichtig ist. Im Vorfeld hatte Aebersold gesagt, dass sie nur an der Europameisterschaft teilnehme, weil sie in der Schweiz stattfinde. Dadurch habe sich der Aufwand für Qualifikation und Vorbereitung für sie in Grenzen gehalten. «Ich bin hier her gekommen, um Erfahrungen zu sammeln», wiederholte Aebersold gestern. Sie habe nicht annähernd gedacht, dass sie im ersten Rennen gleich ein Diplom gewinnen würde.

Hitze kam Aebersold ungelegen

Bis zur Rennhälfte lag Simona Aebersold sogar auf Medaillenkurs. Bei Kilometer 2,1 sprang sie mit der zweitschnellsten Zwischenzeit vorbei. Auf den letzten 1,6 Kilometern büsste Aebersold jedoch noch einige Sekunden ein. «Am Schluss machte mir die Hitze enorm zu schaffen», sagte die Seeländerin nach dem Rennen unter den Schatten spendenden Bäumen. In Mendrisio sind gestern am Nachmittag rund 27 Grad Celsius gemessen worden. Bedingungen, die Aebersold nicht liegen. Ihr Schlüssel zum Erfolg war deshalb nicht zuletzt die Routenwahl. «Vor einer längeren Strecke zwischen zwei Posten habe ich auch mal stark abgebremst, um den für mich besten Weg zu finden.»

Die Juniorin wirkte in ihrem ersten Rennen bei der Elite stets souverän. In ihr drin sah dies aber offenbar anders aus. «Als ich auf dem Startpodest stand und auf die Fans blickte, war ich schon sehr nervös», sagte Aebersold. Allerdings habe sie die Erfahrung gemacht, dass etwas Nervosität nicht schade.

Sportchefin ist nicht überrascht

Die Seriensiegerin der letzten Junioren-Weltmeisterschaft läuft nun auch in der Elite in die europäische Spitze, was im Orientierungslauf auch der Weltspitze entspricht. Ein für Aebersold kaum fassbarer Erfolg. «So unmittelbar nach dem Rennen fällt es mir schwer, den fünften Rang einzuordnen.»

Die Schweizer Leistungssportchefin Christine Lüscher-Fogtmann sagte: «Es ist ein extrem gutes Ergebnis für Simona.» Überrascht ist die Trainerin aber nicht. «Sie hat in den Qualifikationsläufen ihr Potenzial angedeutet.» Im Vorfeld der Europameisterschaft hatten sowohl Verband als auch die Athletin selbst tief gestapelt, um kein Druck aufzubauen. Dies kam Aebersold gestern zugute.

Nach dem heutigen Ruhetag steht morgen die Qualifikation für die Mitteldistanz auf dem Programm. Dann sowie beim Rennen am Mittwoch wird sich zeigen, ob Aebersold an die starke Auftaktleistung anknüpfen kann. Ihre Teamkolleginnen dürften diesmal zögern, weitere Wetten einzugehen.

**********************

Ex-aequo-Sieg plus Silber zum Auftakt

Daniel Hubmann, Matthias Kyburz und Judith Wyder sorgten für einen perfekten Auftakt an den OL-Europameisterschaften im Tessin. Für die beiden Männer galt das Bonmot: Geteilte Freude ist die schönste Freude. Daniel Hubmann und der Titelverteidiger Matthias Kyburz siegten beim Lauf durch Mendrisio ex-aequo. Die Uhr stoppte für beide nach 27 Posten bei 14:44 Minuten – im Orientierungslauf wird keine genauere Differenzierung mehr vorgenommen.

«Das ist das Tüpfelchen auf dem i», kommentierte Kyburz den Rennausgang. Auch Hubmann wollte nicht nach Fehlern suchen. Der Lauf sei technisch schwierig gewesen, jeder hätte im Nachhinein noch etwas besser machen können. «Ich finde es cool, dass es so geendet hat», sagte er. Das Duo distanzierte den Briten Kristian Jones um 15 Sekunden. Martin Hubmann als Fünfter verfehlte das Podest um 23 Sekunden. Als vierter Schweizer lief Florian Howald als Sechster in die Top Ten.

Hubmann und Kyburz äufneten ihre Medaillensammlung eine weiteres Mal. Ersterer darf sich nun siebenfacher Weltmeister, sechsfacher Gesamtweltcupsieger und fünffacher Europameister nennen. Nach 24 WM-Medaillen machte er nun auch bei den Europameisterschaften - diese gelangen nur alle zwei Jahre zur Austragung - das erste Dutzend voll.

Für die grösste Überraschung aus Schweizer Sicht sorgte allerdings Judith Wyder. Die Titelverteidigerin, erst seit fünf Monaten Mutter einer Tochter, überzeugte bei ihrem Comeback gleich mit Silber. Beim Lauf durch Mendrisio blieb für die Bernerin einzig Schwedens Dominatorin Tove Alexandersson ausser Reichweite. Wyder büsste 24 Sekunden ein, hielt aber die drittklassierte Russin Natalia Gemperle um neun Sekunden in Schach. «Ich ging physisch nicht ganz ans Limit, lief dafür gut überlegt. Das hat sich ausbezahlt», sagte Wyder. sda