Sie sind hier

Abo

Kommentar

Der Modus muss angepasst werden

An der Ski-WM in Cortina scheint kein Tag ohne Ärger zu vergehen. Es begann mit dem Super-G der Männer, bei dem die drei ersten Athleten quasi als Testfahrer vorausgeschickt wurden, sodass alle an derselben Stelle ausschieden.

Symbolbild: Keystone

An der Ski-WM in Cortina scheint kein Tag ohne Ärger zu vergehen. Es begann mit dem Super-G der Männer, bei dem die drei ersten Athleten quasi als Testfahrer vorausgeschickt wurden, sodass alle an derselben Stelle ausschieden. Es ging weiter mit einer Abfahrt, deren Streckenführung wenig mit einer Abfahrt zu tun hatte. Dann kam die Kombi, bei der die Piste so vereist war, dass bei den Männern und Frauen jeweils fast die Hälfte das Ziel nicht erreichte. Mit dem Parallel-rennen folgte gestern der vorläufige Tiefpunkt.


Die Strecke mit den roten Flaggen war deutlich schneller als die Strecke mit den blauen. Wie eindeutig es war, zeigte der Viertelfinal der Frauen, als alle vier Skifahrerinnen im zweiten Lauf mit dem Maximalvorsprung von einer halben Sekunde auf der blauen Piste starteten, keine einzige ihn aber verteidigen konnte. Das Bild von Paula Moltzan, Bezwingerin von Wendy Holdener, die im Ziel fast entschuldigend die Schultern hochhob, sprach Bände.


Nun könnte man argumentieren, dass es gar nicht möglich ist, zwei komplett «gleichschnelle» Strecken zu gestalten. Und überhaupt: Ist ein Skirennen überhaupt jemals richtig fair? Oder liegt es in der Natur des Sports, dass in den Rennen einige Fahrerinnen und Fahrer bessere Bedingungen haben, dies sich aber mit dem Lauf der Zeit wieder ausgleicht?


Dem ist entgegenzusetzen, dass gestern nicht (nur) die Kurssetzung zum «unfairsten Rennen überhaupt» (Federica Brignone) geführt hat. Es war und ist ein Modus, der an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten ist. Im ersten Lauf kann ein Maximalvorsprung von einer halben Sekunde herausgeholt werden. Auch wenn ein Fahrer ausscheidet, hat er im zweiten Lauf fünf Zehntel Rückstand. Dieser Wert ist schlicht zu tief gewählt. Eine halbe Sekunde ist schnell aufgeholt, je nach Startreaktion – etwas, das in anderen Rennen dank Lichtschranke keine Rolle spielt – bereits zu Beginn. Jedenfalls verloren Wendy Holdener und Loïc Meillard ihre Duelle, obwohl sie über beide Rennen die (bei Letzterem sogar deutlich) besseren Zeiten gefahren waren.


Aber Achtung: Der Modus wird noch absurder. Wenn am Schluss beide gleichzeitig ins Ziel kommen, gewinnt ausgerechnet die Fahrerin, die im zweiten Lauf schneller war. Das hätte fast dazu geführt, dass Katharina Liensberger trotz einer über beide Läufe besseren Zeit nur Silber gewonnen hätte. Das ursprüngliche Resultat wurde schliesslich noch so angepasst, dass beide Fahrerinnen Gold bekamen. Auch in dieser Angelegenheit haben sich Cortina und die FIS nicht mit Ruhm bekleckert.
Die Lösung wäre einfach: Erhöht den Maximalrückstand von 0,5 auf 1,5 Sekunden. Das würde den Faktor der Kurssetzung deutlich vermindern. Mit dem aktuellen Modus verkommt das Parallelrennen zur Farce.
 

Michael Lehmann