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Curling

Die fünf Ringe vor den Augen

Morgen startet in Biel die Schweizer Meisterschaft im Mixed Doubles. Aus Seeländer Sicht interessieren gleich zwei der sieben Teams. Für sie geht es um mehr als nur den nationalen Titel. Die Sieger haben eine Chance auf eine Teilnahme am olympischen Turnier 2018.

Links Team Glarus mit Martin Rios und Jenny Perret, rechts Team Biel Touring mit Michelle und Reto Gribi. copyright: stefan leimer/anita vozza/bieler tagblatt
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Michael Lehmann

Es geht um viel für die sieben Teams, die ab morgen in Biel um die nationale Krone im Mixed Doubles spielen. Wer sich in den Gruppenspielen und der Finalserie durchsetzt, darf im April die Schweiz an der Weltmeisterschaft in Lethbridge vertreten. Und nicht nur das. Schafft es das Siegerteam an der WM bis mindestens in den Halbfinal, winkt im Februar des nächsten Jahres sogar eine Teilnahme am olympischen Turnier von Pyeongchang.

Diesen Traum verfolgen gleich dreieinhalb Seeländer. Die Bieler Reto und Michelle Gribi, sowie die Sutzerin Jenny Perret mit dem Glarner Martin Rios. Dieser lebt zwar seit zwei Jahren in Biel, stammt jedoch aus Riedern. Deshalb starten Perret und Rios für den CC Glarus.

Die Athleten kennen sich sehr gut, was angesichts der überschaubaren Curlingszene nicht überrascht. Doch bei Dreien geht die Verbundenheit weiter zurück als deren Curler-Dasein. Michelle Gribi ist Reto Gribis Cousine, dieser wiederum ist ebenfalls der Cousin Jenny Perrets. «Wir sind praktisch miteinander aufgewachsen», erklärt Reto Gribi. Er ist 26-jährig, Perret 25-jährig und Michelle 24 Jahre alt. «Man kann von einem kleinen Familienduell sprechen», bestätigt Perret. Zur Direktbegegnung kommt es bereits morgen Abend (mehr in Infobox).

Förderung erst nach WM-Schlappe

Mixed Doubles ist eine eher junge Disziplin, die bis vor ein paar Jahren nur wenig Beachtung fand und meist nur zum Plausch gespielt wurde. Als sie aber vor drei Jahren ins olympische Programm aufgenommen wurde, haben die verschiedenen Verbände begonnen, Mixed Doubles zu fördern. Die Schweiz hat dies hingegen etwas verschlafen. Michelle Gribi erinnert sich, dass nicht wenige Nationalverbände ganze Kader aufgestellt hätten, als die Disziplin olympisch wurde. «Wir hingegen waren anfangs eher auf uns alleine gestellt», sagt die Seeländerin. Als Beispiel nennt sie das Schweizer Abschneiden an der Weltmeisterschaft. Fünf der ersten sieben Austragungen seit 2008 wurden von einem Schweizer Team gewonnen – 2014 vom Duo Gribi/Gribi. In den letzten beiden Jahren kam die Schweizer Nationalequipe jedoch nicht mehr über die Gruppenphase hinaus.

Dies sei wohl auch der Grund, warum in dieser Saison mehr Mittel fürs Mixed Doubles gesprochen wurden. So sind beispielsweise Prämien für das Erreichen eines Halbfinals an der sogenannten Champions Tour ausgezahlt worden.

Michelle und Reto Gribi am Mixed-Doubles-Turnier in Aarau.

Mehr Potenzial im Mixed Doubles

Den Aufwind, der die Disziplin momentan erlebt, wollen Reto und Michelle Gribi nun nutzen. Sie haben kürzlich beschlossen, ihre Elite-Teams zu verlassen, um sich fortan voll und ganz dem Mixed Doubles zu widmen (das BT berichtete). Ausschlaggebend war das gute Abschneiden an einem Turnier im schwedischen Gävle, als das Duo erst im Final gestoppt wurden. Zu diesem Zeitpunkt, Mitte Januar, war bereits klar, dass sie mit ihren jeweiligen Teams die Endrunde der Schweizer Meisterschaft verpassen würden. «Wir kamen zum Schluss, dass wir im Mixed Doubles mehr Potenzial haben, ganz oben mitzuspielen», so Reto Gribi. Seine Cousine ergänzt, dass sie aufgrund der Doppelbelastung weniger als andere Teams ins gemeinsame Training investieren konnten und es trotzdem schafften, mit der Weltspitze mitzuhalten. Auch das Emblem mit den fünf Ringen spielt in den Gedanken der beiden eine zentrale Rolle. «Es ist für jeden Sportler das Grösste, einmal an Olmypischen Spielen dabei zu sein», sagt Reto Gribi. Sollte es in dieser Saison jedoch nicht klappen, werden sich die Seeländer weiterhin aufs Mixed Doubles fokussieren. Michelle Gribi erklärt: «Wir wollen herausfinden, wie weit wir kommen, wenn wir uns nur noch auf eine Disziplin konzentrieren.»

Für die anstehenden Schweizer Meisterschaft sehen sich die ehemaligen Weltmeister zwar nicht in der Favoritenrolle, aber auch nicht ohne Chance auf den Titel. In der Weltrangliste liegen nur zwei Teams vor den Bielern: Limmattal 1 mit Michèle Jäggi und Mario Freiberger und Glarus mit Jenny Perret und Martin Rios.

Jenny Perret und Martin Rios am Mixed-Doubles-Turnier in Aarau.

Mittags und abends auf dem Eis

Wie Michelle und Reto Gribi war auch Rios schon Weltmeister. 2012 gewann er mit Nadine Lehmann Gold für die Schweiz. Seither spielt der gewiefte Taktiker und Juniorennationalcoach zusammen mit Jenny Perret. Die gemeinsame Erfahrung schätzt die Sutzerin als ihre grösste Stärke ein. «Wir sind beide Sturköpfe, wissen aber mittlerweile genau, wie wir miteinander umgehen müssen.» Ein gute Teamdynamik sei im Mixed Doubles enorm wichtig.

Perret und Rios haben in dieser Saison viel Zeit ins gemeinsame Training investiert. An manchen Tagen standen sie sogar sowohl mittags als auch abends auf dem Eis. Dazu nahmen sie an sechs Turnieren im In- und Ausland teil. «Wir haben zu Beginn der Saison beschlossen, dem Mixed Doubles alles unterzuordnen», erklärt Perret. Die Resultate lassen sich sehen. An den Turnieren qualifizierte sich das Duo jeweils mindestens für die Viertelfinals. Die stark besetzte Trophy in Aarau konnte es sogar gewinnen. Das Ziel ist deshalb klar: «Wir wollen an die Weltmeisterschaft und ja, wir träumen von den Olympischen Spielen.»

Leise Kritik gibt es für den Verband. Dieser hatte ursprünglich beschlossen, eine Olympia-Ausscheidung zu veranstalten, in der nur Teams zugelassen würden, die mindestens ein Turnier der Champions Tour gewonnen haben. Dies hätten in den letzten beiden Jahren nur Perret/Rios und Jäggi/Freiberger geschafft. Auf diese Saison hin hat sich der Verband dann doch umentschieden. Es sei etwas schade, dass letztlich nur die Leistung an der Schweizer Meisterschaft über Erfolg und Misserfolg entscheide, so Perret.

Wie ihre Zukunft aussehen wird, falls sie den Titelgewinn verpasst, lässt Perret vorerst offen. Schafft das Duo jedoch den Sprung an die Olympischen Spiele, steht fest, dass sie ihr Team Biel Touring um Skip Melanie Barbezat verlassen wird.

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Wie bitte? Mixed Doubles?

Die Curlingdisziplin Mixed Doubles existiert in dieser Form noch nicht lange. Eine Weltmeisterschaft wird erst seit 2008 durchgeführt. Im «klassischen» Curling gibt es Weltmeisterschaften hingegen bereits seit 1959 (Männer) und 1979 (Frauen). Kritiker sagen, Mixed Doubles sei nicht im Breitensport entstanden, sondern sei vom Weltverband mit einer klaren Agenda entwickelt worden. Es sollte eine weitere olympische Sportart geschaffen werden, um den Stellenwert des Curlings in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Im Juni 2015 hat das IOC beschlossen, die Disziplin auf die Winterspiele 2018 in Pyeongchang ins olympische Programm aufzunehmen.

Mixed Doubles unterscheidet sich im Vergleich zum «klassischen» Curling in wesentlichen Punkten:
• Das Offensichtliche zuerst: Ein Team besteht nicht aus vier, sondern aus zwei Spielern, einer Frau und einem Mann.
• Die Partien dauern acht statt zehn Ends.
• Es wird auf einem normalen Curlingrink gespielt, aber die Duos haben statt acht nur sechs Steine zur Verfügung. Einer wird dabei vor dem eigentlichen Spiel bereits auf dem Eis platziert.
• Beim Team mit dem Recht des letzten Steines wird der Stein knapp hinter die Center Line im Haus platziert, der gegnerische Stein liegt währenddessen als Guard zentral vor dem Haus.
• Ein Team hat pro Spiel jeweils ein «Powerplay» zur Verfügung. In diesem wird die zentral aufgestellte Guard etwas seitlicher platziert. Dies erhöht die Chancen, mehrere Steine zu schreiben.
• Sollte es ein Nuller-End geben, wechselt das Recht des letzten Steines.
• Takeouts, also das Entfernen von Steinen aus dem Spiel (egal, ob im oder vor dem Haus), sind erst ab dem vierten Stein erlaubt.
• Die Teams entscheiden: Der eine Spieler gibt den ersten und den letzten Stein ab, der andere die drei dazwischen.
• Die Positionen der Spieler sind jedoch nicht fest und können während einer Partie getauscht werden.